Liebe Leserinnen und Leser,
wir von CORRECTIV beschäftigen uns schon lange mit russischer und chinesischer Einflussnahme, immer wieder nahmen wir auch die militärischen Bestrebungen dieser Länder in den Fokus unserer Recherchen.
Durch den Ausgang der Wahlen in den USA hat sich die geopolitische Lage zugespitzt: Unser Land muss sich zunehmend die Frage stellen, wie es auf die Bedrohungen von Außen reagieren will – und welche (neuen) Verbündeten wir dabei haben. Wir wollen dieses Thema nun verstärkt abbilden.
Außerdem im Spotlight: Unsere Klima-Reporterin Elena Kolb gibt in der Werkbank ein Update zu ihren Recherchen über den Kohlekonzern Leag. Und: Im Denkanstoß ordnet der Wirtschaftsweise Achim Truger ein, warum ein Bürokratieabbau, wie ihn Trump und Musk angekündigt haben, weder für die USA noch für Deutschland eine gute Idee ist.
Ich vertrete heute meine Kollegin Anette Dowideit. Tipps und Feedback gerne an: till.eckert@correctiv.org.
Thema des Tages: Fragile Sicherheit: Was Deutschland tut
Der Tag auf einen Blick: Fragile Sicherheit: Was Deutschland tut
Denkanstoß: Bürokratieabbau Marke Musk: Kein Modell für Deutschland – oder die USA
Faktencheck: Bundestagswahl 2025: Diese Falschbehauptungen, Fakes und Gerüchte kursieren
CORRECTIV-Werkbank: Kohlekonzern in der Lausitz – geplante Insolvenz statt Renaturierung?
Grafik des Tages: Hier ist die AfD gesichert rechtsexstremistisch
Wer die Krisenherde überall um uns herum betrachtet, muss erkennen: Die Lage ist so ernst wie lange nicht mehr. Vor allem der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, aber auch die drohende chinesische Attacke auf Taiwan zeigen, wie fragil unser globales Sicherheitsgefüge geworden ist. Durch die Wiederwahl Donald Trumps als US-Präsident hat sich die Lage noch einmal verschärft.
Wir bei CORRECTIV reagieren darauf mit einem neuen Schwerpunkt.
Wie ist die aktuelle Sicherheitslage in Deutschland?
Deutsche Sicherheitsbehörden warnen seit Monaten zunehmend vor hybrider Bedrohung oder Kriegsführung aus Russland und China. Gemeint sind damit gezielte Cyberangriffe, Spionage, Abhöraktionen, das Streuen von Desinformation, aber auch Sabotage und Brandanschläge bis hin zum Einsatz von Auftragskillern.
Experten sprechen von einer „Grauzone“. Es handelt sich nicht um direkte oder formelle kriegerische Angriffe; Gegner sollen stattdessen aus dem Verborgenen heraus geschwächt werden.
Weshalb Trumps Wiederwahl die Lage undurchsichtiger macht:
Der künftige US-Präsident drohte einst mit dem Austritt aus der NATO; Anfang 2024 kündigte er an, russische Angriffe auf die 31 weiteren Mitgliedsstaaten zu dulden, wenn diese ihre Beiträge an das transatlantische Verteidigungsbündnis nicht zahlen. Sprechen und Handeln sind zwar unterschiedliche Dinge, dennoch ist die Sorge groß, dass Trump das Bündnis schwächen könnte: Denn die NATO – und damit auch wir – sind auf die USA angewiesen.
Welche Fragen wir jetzt beantworten wollen:
Wie verhält sich Deutschland angesichts der veränderten Sicherheitslage? Bilden Politiker und Diplomaten neue, europäische Allianzen? Und was kann unsere Bundeswehr beitragen, seit Jahren geplagt von schlechtem Material und zu wenig Personal?
Wir bei CORRECTIV wollen diesen Fragen in den kommenden Monaten gezielt nachgehen. Seit Jahren recherchieren wir zur Bedrohung, die von Russland und China ausgeht, beobachten Politik und Militärkomplex der beiden Autokratien. Jetzt wollen wir den Blick noch stärker darauf richten, welche Konsequenzen Deutschland zieht.
Einen ersten Text haben wir heute veröffentlicht, wir teilen ihn vorab exklusiv mit Ihnen, den Leserinnen und Lesern des Spotlight: Nach CORRECTIV-Informationen lässt die Bundesregierung derzeit den zentralen Ratgeber des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe überarbeiten und nimmt insbesondere das Phänomen hybride Kriegsführung auf, also verdeckter Angriffe durch Länder wie Russland oder China.
Wer bislang offizielle Informationen dazu suchte, musste sich durch die Webseite des Bundesinnenministeriums klicken. Für Landesministerien und Kommunen gibt es eine Broschüre. Die deutsche Bevölkerung selbst wurde bislang – anders als beispielsweise in Schweden – nicht direkt adressiert oder mit Verhaltenstipps zum Thema ausgestattet. Der neue Ratgeber soll 2025 erscheinen.
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
In einer unangekündigten TV-Ansprache ruft Südkoreas Staatschef den Ausnahmezustand aus. Er wirft der Opposition vor, mit Nordkorea zu sympathisieren.
zeit.de
AfD will offenbar ihre Jugendorganisation abspalten
Die AfD will sich offenbar von ihrer eigenen Jugendorganisation, der Jungen Alternative (JA), trennen.
spiegel.de
Versuchte Abschiebung in Bremen: 100 Menschen stellen sich Polizei entgegen
Das Bremer Migrationsamt wollte heute Nacht einen Menschen nach Somalia abschieben. Die Zionsgemeinde stellte sich jedoch der Polizei entgegen.
weser-kurier.de
Kritische Recherche zu Journalisten-Netzwerk OCCRP
Das französische Medium Mediapart hat eine Recherche veröffentlicht, wonach das US-amerikanische Investigativnetzwerk für Journalisten OCCRP (Organized Crime and Corruption Reporting Project) mit großen Summen von der US-Regierung finanziert wird.
mediapart.fr (englisch)
Der zukünftige US-Präsident Donald Trump hat Tesla- und „X“-Chef Elon Musk als Leiter der geplanten „Behörde für Regierungseffizienz“ nominiert. Diese soll Regulierung und Staat drastisch schrumpfen. Im Wahlkampf sprach Trump davon, die Bundesausgaben um 2 Billionen Dollar, also 30%, zu kürzen.
In Teilen des deutschen wirtschaftsliberalen Kommentariats wurde schon gefordert, Deutschland solle von Musk lernen. Vorigen Sonntag verkündete dann FDP-Chef Christian Lindner bei Caren Miosga, wir sollten in Deutschland vielleicht ein „klein bisschen mehr Musk wagen“ und ein bisschen ambitionierter sein.
Was so harmlos nach ein bisschen mehr Bürokratieabbau klingt, ist aus mindestens drei Gründen äußerst radikal und darf für Deutschland niemals Vorbild sein. Erstens ist es abenteuerlich, ausgerechnet einen Unternehmer zum Oberaufseher der staatlichen Regulierung von Unternehmen zu machen. Die Wirtschaft braucht Regeln und die kann und darf sie sich nicht selbst geben, wenn sie allgemeinen Interessen und nicht der zügellosen Selbstbereicherung Einzelner und dem Recht der Stärkeren dienen soll.
Zweitens hat Musk öffentlich Namen von Personen genannt, die auf seiner Streichliste nutzloser oder schädlicher Staatsposten stehen. Und dies, obwohl negative namentliche Erwähnungen durch Musk in der Vergangenheit zu Shitstorms in sozialen Medien führten und mit Morddrohungen in Verbindung gebracht werden. Ein solches Vorgehen dient nur der Einschüchterung und öffentlichen Demütigung und verbietet sich für einen freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat.
Drittens würde es schlicht ein wirtschaftliches Desaster geben, wenn die Staatsausgaben um 2 Billionen Dollar geschrumpft würden. Das entspräche gut 7% der gesamten US-Wirtschaftsleistung. Ein solcher Austeritätsschock würde die US-Wirtschaft in eine Krise stürzen und zu hoher Arbeitslosigkeit führen.
Achim Truger ist Professor für Sozioökonomie mit Schwerpunkt Staatstätigkeit und Staatsfinanzen an der Universität Duisburg-Essen und Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.
Vor der Bundestagswahl 2025 verbreitet sich Desinformation im Netz. Egal ob manipulierte Grafiken und erfundene Behauptungen über Kandidierende, gezielte Desinformationskampagnen oder irreführende Aussagen von Politikerinnen und Politikern – CORRECTIV klärt mit Faktenchecks darüber auf.
CORRECTIV.Faktencheck
Endlich verständlich
Die vorgezogene Bundestagswahl findet bereits nach neuem Wahlrecht statt. Weil dabei keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr vergeben werden, wird der Bundestag kleiner. Was heißt das konkret – und wie sähe der jetzige Bundestag mit diesen Regeln aus? Das klärt der SWR.
swr.de
So geht’s auch
Einfach mal frei machen, obwohl man gesund ist? Der Hersteller für Kondom- und Periodenprodukte Einhorn hat „Null-Bock-Tage“ eingeführt. Im Interview zieht das Unternehmen ein positives Fazit.
stern.de
Fundstück
Nach dem geleakten D-Day-Plan, mit dem die FDP das Ampel-Aus lange geplant haben soll, ist deren Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zurückgetreten. Christian Lindner hingegen will bleiben. Unsere Jugendredaktion Salon5 hat sich angeschaut, aus welchen Gründen Politikerinnen und Politiker zurücktreten – und ob das immer einen Karriereknick bedeutet.
Salon 5 (Instagram)
Nach der Party aufräumen – das macht niemand wirklich gerne. Jahrelang haben die Investoren hinter dem Kohlekonzern Leag in der ostdeutschen Lausitz Profit gemacht. Nach dem Kohle-Aus steht eine teure Renaturierung der Region an.
Doch die Investoren scheinen sich immer weiter aus der Zahlungsverantwortung zu ziehen. Greenpeace hat kürzlich einen Bericht veröffentlicht, der zeigt: Eine der beiden Finanzgruppen hinter der Leag – die PPF Gruppe – verkaufte 20 Prozent ihres Firmenanteils für genau einen Euro. Außerdem wird das Firmengeflecht hinter dem Konzern umstrukturiert. Und zwar so, dass der zweite Investor – die tschechische EPH – nicht mehr als Mutterkonzern über der Leag steht.
„Es ist zu befürchten, dass man die Leag in eine geplante Insolvenz laufen lässt“, sagt Karsten Smid von Greenpeace. Ohne ihre beiden Investoren im Rücken kann der Kohlekonzern möglicherweise nicht für die Renaturierungskosten aufkommen.
CORRECTIV hat schon vor Jahren davor gewarnt, dass die Politik nicht ausreichend Sicherheitsleistungen von der Leag verlangt. Immer weiter häufen sich die Indizien dafür, dass am Ende nicht der Kohlekonzern für den Schaden in der Region zahlen muss, sondern die Steuerzahler – also wir alle.
Die AfD will sich von ihrer Jugendorganisation „Junge Alternative“ trennen und sie durch eine neue, enger an die Mutterpartei gebundene Organisation ersetzen. Ein Grund: So lässt sich einem potenziellen Verbot der gesichert rechtsextremen Jugendorganisation zuvorkommen. Allerdings sind auch weitere Partei-Landesverbände als klar verfassungsfeindlich eingestuft. Und die Bundespartei? Da der Verfassungsschutz ein mutmaßlich erstelltes Gutachten nicht veröffentlichen will, weil es die Wahl beeinflussen könnte, beschreiten wir den Rechtsweg. Wir denken: Das Gutachten muss an die Öffentlichkeit.
correctiv.org
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Martin Böhmer und Sebastian Haupt.
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