Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters
Autor Bild Anette Dowideit

Liebe Leserinnen und Leser,

gestern, am Feiertag, (deshalb kam gestern kein SPOTLIGHT, falls Sie sich gefragt haben) bin ich im Netz auf ein recht unterhaltsames Kurzvideo von Ex-Bundesfinanzminister Christian Lindner gestoßen. Er erzählt darin, wie er nun so seinen Alltag verbringt.

Dazu passt die Recherche, die wir heute veröffentlicht haben. Sie zeigt: Aller Wahrscheinlichkeit nach hat das Bundesfinanzministerium gerade Lindners E-Mail-Postfächer und die Chatverläufe auf seinem Diensthandy gelöscht. Und auch die Kalendereinträge, die zeigen, mit wem er sich wann getroffen hat. Die wahrscheinliche Löschung geschah, obwohl die zuständige Behörde sagt: Das geht nicht. Mehr dazu im Thema des Tages.

Ich möchte mich an dieser Stelle noch für einen Fehler entschuldigen, der mir am Mittwoch unterlaufen ist und auf den viele von Ihnen schmunzelnd hingewiesen haben: 

Im Zusammenhang mit Ihren Leser-Mails zu Friedrichs Merz’ Scheitern im ersten Wahlgang hatte ich versehentlich geschrieben, Sie fänden seinen Erfolg im zweiten Wahlgang gut – im Sinne einer „funktionierenden Bürokratie“. Gemeint war natürlich: Demokratie.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und viel Spaß beim Lesen unserer heutigen Ausgabe. Vielleicht sehe ich einige von Ihnen und euch ab heute Abend bei der CORRECTIV.Lokal-Konferenz in Erfurt? Und schreiben Sie mir gern: anette.dowideit@correctiv.org.

Thema des Tages: Ist Lindners Mail-Postfach gelöscht?

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

CORRECTIV Events: Veranstaltungen in Krefeld, Bergisch Gladbach, Fulda und Berlin

Faktencheck: Kanzlerwahl: Grünen-Politiker Dzienus postete Foto des Wahlausweises, nicht der Stimmkarte

Gute Sache(n): AfD vs. Verfassungsschutz: Was bedeutet die Stillhaltezusage? • Maßnahmen gegen Obdachlosigkeit in Deutschland • Wissenswertes zur Militärparade in Moskau

CORRECTIV-Werkbank: Wikipedia nennt AfD weiterhin „rechtsextrem“

Grafik des Tages: Verschärfte Grenzkontrollen: Die Anzahl der Grenzüberschritte sinkt in Wahrheit schon seit letztem Jahr

Denn nur so lässt sich auch im Nachhinein für Bürgerinnen und Bürger, für Parlamentarier und für Medienschaffende nachvollziehen, ob vielleicht Deals abseits der offiziellen demokratischen Wege eingefädelt wurden.

Das sogenannte Bundesarchivgesetz sieht vor, dass Unterlagen der Regierung nicht einfach gelöscht werden dürfen, sondern dem Bundesarchiv angeboten werden müssen – einer Behörde in Koblenz, die dafür zuständig ist, die Dokumente und Dateien der Regierung zu sichern, um für Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu sorgen.

Darum dreht sich unsere heute veröffentlichte Recherche von Reporter Hans-Martin Tillack.

Ex-Minister Lindner, Buschmann, Stark-Watzinger (rechts Bildseite): Was passierte mit ihren Mails und Chats? Quelle: picture alliance / NurPhoto | Christian Marquardt

Was aktuell passiert ist:
Die Verantwortlichen im Bundesarchiv haben die Ministerien und das Kanzleramt gewarnt: Bitte nicht schon wieder alle wichtigen Infos über die Kommunikationswege der Minister pauschal löschen!

Denn das war in den letzten Legislaturperioden schon so gemacht worden.

Wozu das geführt hatte:
Eine Reihe kleinerer oder größerer Politikskandale hatte gezeigt, warum es wichtig ist, die Kommunikation der Regierungsmitglieder aufzubewahren.

Ein Beispiel: Als die Untersuchungsausschüsse im Jahr 2020 die Berateraffäre im Bundesverteidigungsministerium aufklären sollten, mussten sie feststellen: Alle Textnachrichten auf Handys der früheren Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) waren gelöscht. Das machte die vollständige Aufklärung unmöglich.

Warum steht jetzt Christian Lindner im Fokus?
Der Ex-Bundesfinanzminister und zwei weitere FDP-Regierungsmitglieder – Marco Buschmann (Justiz) und Bettina Stark-Watzinger (Bildung) – waren früher aus der Ampel-Regierung ausgeschieden, im November.

Nach der gängigen Praxis in der Regierung – die laut Bundesarchiv gesetzeswidrig ist – stehen deren Handy-Chats, E-Mails und Kalenderdaten gerade jetzt zur Löschung an. Diese Datenvernichtung wollen die Verantwortlichen in der Archivbehörde verhindern. Wenn es dafür nicht schon zu spät ist.

Was sagen die Ministerien?
Sie legen das Gesetz anders aus: Es reiche völlig, wenn man während der Amtszeit „relevante“ Nachrichten bestimmten inhaltlichen Themen zuordnen und sie dort, nach Sachthemen, veraktet. Den Rest könne man getrost löschen.

SPD-Politiker Stegner: Geheimtreffen mit Putin-Vertrauten
SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner hat sich Mitte April im aserbaidschanischen Baku mit Kreml-Vertretern getroffen. Das wurde durch eine Recherche von Zeit und ARD öffentlich. An der Reise gibt es Kritik, auch weil er nicht in offiziellem Auftrag dort war. Es gibt erste Forderungen, Stegner nicht mehr für das  Geheimdienst-Kontrollgremium des Bundestages zu nominieren. 
zeit.de / welt.de

München: Nach Nach Spionagevorwurf gegen Münchner Professorin soll Landesregierung Stellung beziehen 
Nach den CORRECTIV-Recherchen zu Spionagevorwürfen gegen eine Professorin der TU München fordert die Landtagsfraktion der Grünen einen Bericht der Landesregierung ein. Sie soll zudem eine Strategie gegen Wissenschaftsspionage und unerwünschten Wissensabfluss an bayerischen Hochschulen implementieren.
correctiv.org

Recherche: Reizüberflutung statt Inklusion beim OMR-Festival
„Laut, grell, überfordernd“ – so beschreiben uns neurodivergente Besucherinnen und Besucher das OMR-Festival. Dabei positioniert sich das Event gern als Vorreiter in Sachen Awareness und Diversität. Die Kritik wirft eine grundsätzliche Frage auf: Wie ernst ist es den Veranstaltern wirklich mit Inklusion?
correctiv.org

CORRECTIV auf Tour: Was passiert, wenn Hass regiert?
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „CORRECTIV auf Tour“ spricht unser Reporter Marcus Bensmann über seine langjährigen Recherchen zu neuen Rechten, völkischen Ideologien und der Verbindung der AfD zur rechtsextremen Szene. Die Reihe „Was passiert, wenn Hass regiert?” findet nächste Woche in drei Städten statt.

Die Termine im Überblick:
> 13. Mai, Krefeld, Zum Event
> 14. Mai, Bergisch Gladbach, Tickets
> 15. Mai, Fulda, Tickets

Bundestag - Kanzlerwahl
(Foto: Sebastian Gollnow / DPA / Picture Alliance)

So geht’s auch
Deutschland will bis 2030 die Obdachlosigkeit beenden. Das Konzept von „Housing First“ ist dabei ein wichtiger Ansatz. Was er bedeutet und wo er bereits realisiert wird, schaut sich unsere Jugendredaktion Salon5 an. Was sonst noch in Deutschland getan wird, um obdachlose Menschen zu unterstützen und wo Luft nach oben ist, thematisiert der Beitrag ebenfalls. 
Salon5 (Instagram) 


Trotz dieser juristischen Pause hält die deutschsprachige Wikipedia weiterhin an der Bezeichnung „rechtsextrem“ fest – auf der Parteihauptseite genauso wie bei prominenten AfD-Mitgliedern wie Alice Weidel, Björn Höcke und Tina Chrupalla. Darf das Informationsportal das? Ja, zeigt unsere Recherche. 

Für Wikipedia gilt nämlich die Stillhaltezusage nicht unmittelbar. Diese verpflichtet ausschließlich das BfV selbst, nicht aber Dritte. Wikipedia ist zudem keine Behörde, sondern ein privates, gemeinnütziges Online-Lexikon und wird von der gemeinnützigen Wikimedia Foundation mit Sitz in San Francisco (USA) betrieben. 

Und eben dieses Online-Lexikon dient vielen Bürgerinnen und Bürgern weltweit als erste Anlaufstelle, wenn es um verlässliche Informationen geht. Gerade deshalb ist es so entscheidend, wie dort über politische Akteure wie die AfD diskutiert und berichtet wird. 

So sehen einige Wikipedia-Nutzer die Benennung der Partei als „rechtsextrem“ kritisch: Ohne öffentliche Einsicht in das Gutachten sei die Einstufung schwer überprüfbar. Doch die Mehrheit argumentiert, dass nicht Urteile, sondern wissenschaftlicher Konsens und seriöse Primärquellen bei Wikipedia zählen.

Besonders hitzig wird diskutiert, wie die neue Einschätzung sprachlich umgesetzt werden sollte. Wie es scheint, stehen sich zwei Lager im Diskussionsforum gegenüber:

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Samira Joy Frauwallner und Sebastian Haupt.