
Liebe Leserinnen und Leser,
eines der wichtigsten Themen im Wahlkampf-Endspurt ist, wie sich Russland derzeit aufführt – und was Europa dem entgegensetzt. Russlands Präsident Putin hat derzeit ohnehin noch mehr Oberwasser als sonst schon: Heute traf sein Außenminister Lawrow den neuen Amtskollegen aus den USA, Marco Rubio – um über die Zukunft der Ukraine zu sprechen. Ohne die Ukraine.
Was machen Deutschland und die EU? Mehrere Staats- und Regierungschefs trafen sich am Montag zum Gipfel – um zu beraten, wie mit diesem Kurswechsel der USA, dem Zugehen auf Russland, nun umzugehen sei. Ergebnis: nicht wirklich erkennbar. Noch-Bundeskanzler Scholz sagte anschließend lediglich, es sollten keine eigenen europäischen Friedenstruppen losgeschickt werden, um der Ukraine zu helfen; es dürfe kein eigenmächtiges europäisches Ausscheren aus der Nato geben.
Russland als Aggressor, die EU als überwiegend passiver Beobachter – dazu passt auch unsere heute veröffentlichte Recherche: Immer öfter fliegen Drohnen über Militärgebieten, und häufig besteht der Verdacht, dass es sich um russische Spionageaktionen handelt. Abgeschossen werden sie aber nicht. Unser Thema des Tages.
Außerdem im SPOTLIGHT: In einem neuen „Denkanstoß“ schreibt Wirtschaftsprofessor Harro Heilmann zur Frage: Geht es mit der deutschen Industrie wirklich so stark bergab, dass man von Deindustrialisierung sprechen kann? Unser Leser Martin W. hatte uns auf den Beitrag des Management-Professors hingewiesen, der ihn – und andere spannende Gedanken zur wirtschaftlichen Entwicklung – regelmäßig bei LinkedIn veröffentlicht.
Und hier noch einmal der Aufruf zu unserer aktuellen Leserinnenbefragung: Wie gehen Sie vor, um Ihre Wahlentscheidung für diesen Sonntag zu treffen? Welche Tools und Informationsquellen nutzen Sie dafür? Teilen Sie es uns mit – per Klick aufs Bild gelangen Sie zur Umfrage:
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Thema des Tages: Spionage-Drohnen über Deutschland
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
Bundestagswahl-Spezial: Salon5-Podcast: Was die Parteien für Schulen umsetzen wollen
Denkanstoß: Wie groß ist das Problem mit der Deindustrialisierung wirklich?
Faktencheck: Alte Tabelle über finanzielle Entlastungen führt vor Bundestagswahl in die Irre
CORRECTIV-Werkbank: Heizarmut – ein europaweites Problem
Grafik des Tages: Diese Partei wird bei den U18-Wahlen stärkste Kraft
Wenn eine Staatsanwaltschaft in Deutschland offizielle Ermittlungen aufnimmt, geschieht das nicht einfach so – es muss einen begründeten Anfangsverdacht geben. Insofern ist aussagekräftig, dass im vergangenen Jahr in mindestens 24 Fällen Staatsanwaltschaften im ganzen Land wegen des Verdachts auf Spionage ermittelten – im Zusammenhang mit Drohnenflügen.
Das hat die heute veröffentlichte Recherche unseres Reporterteams Till Eckert und Alexej Hock ergeben.
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Was genau ist da los?
Immer wieder werden Drohnen über Militäranlagen wie Kasernen gesichtet. In einigen Fällen waren auch Firmengelände betroffen, zum Beispiel bei BASF in Ludwigshafen.
Was steckt dahinter?
Unsere Reporter sprachen mit Vertretern von Behörden, die für die innere Sicherheit zuständig sind – darunter Landesinnenministerien und -kriminalämtern sowie Staatsanwaltschaften, und sie fragten die Zahl solcher Drohnensichtungen und Ermittlungsverfahren ab. Sie gehen davon aus, dass es sich in vielen Fällen um gezielte Ausspäh-Aktionen handelt.
Die 24 offiziellen Ermittlungsverfahren, von denen wir so erfuhren, sind nur der kleine, zählbare Teil des Phänomens – jener Teil, bei dem der Verdacht sehr nahe liegt, dass es sich um Spionage-Aktivitäten handelte (und nicht nur um Hobby-Drohnenpiloten, die sich beim Spielen verirrt hatten).
Warum steht Russland im Verdacht?
Sicherheitsbehörden tippen darauf, weil die verdächtigen Drohnen teilweise an Orten gesichtet werden, an denen ukrainische Soldaten ausgebildet wurden. Manche der Geräte, so der Verdacht, könnten sogar von russischen Schiffen gestartet worden sein. Ein eindeutiger Beweis konnte bislang jedoch nicht erbracht werden.
Warum werden die Drohnen nicht einfach abgeschossen?
Das erlaubt unser Luftsicherheitsgesetz bisher nicht. Im Januar hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) einen Gesetzesvorschlag gemacht, um den Abschuss der Fluggeräte zu erlauben, wenn sie über Militärgebiet fliegen.
Aber: Abgeschossen werden dürften sie auch laut neuem Gesetzentwurf nur dann, wenn „schwere Unglücksfälle“ drohen – wenn der Drohnenflug etwa Menschenleben in Gefahr bringen würde.
Das ist natürlich Quatsch – und insofern würde die Gesetzesänderung überhaupt nichts bringen. Und die Drohnenpiloten, seien sie nun Russen oder nicht, können in Ruhe weiter spähen.
Saudi-Arabien: Russland und USA sprechen über Frieden
Nachdem Donald Trump und Wladimir Putin in der vergangenen Woche miteinander telefoniert hatten, haben nun die Außenminister beider Länder in Riad darüber gesprochen, wie der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine beendet werden kann. Ohne die ukrainische Regierung oder Europa einzubeziehen. Das soll sich künftig aber ändern, sagt US-Außenminister Rubio.
spiegel.de
Werden die Anschläge in Deutschland gesteuert?
In den sozialen Netzwerken und auch in TV-Sendungen wird darüber spekuliert, dass Taten wie zuletzt in München Versuche von Interessengruppen sein könnten, die Wahlen hierzulande zu beeinflussen. Derartige Hinweise haben die Behörden aber bislang nicht.
rnd.de
München: Großer Faschingsumzug abgesagt
Bei dem Anschlag am vergangenen Donnerstag starben eine 37-jährige Mutter und ihre zweijährige Tochter, 37 weitere Menschen wurden verletzt. Weil die ganze Stadt trauert, wurde der beliebte Umzug der „Damischen Ritter“ am Sonntag abgesagt.
sueddeutsche.de
Investigativ: Wanderausstellung für Kriegsopfer ist russische Propaganda
Die „Engel-Allee“ zeigt schwarz-weiße Bilder von Kindern und Jugendlichen, die durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gestorben sein sollen. Hinter der Kampagne, die bereits in mehreren deutschen Städten zu sehen war, soll Russland stecken, wie Reuters herausgefunden hat. Mit dem Ziel, die finanzielle Unterstützung für die Ukraine zu schwächen.
reuters.com
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Bundestagswahl-Spezial
„Die Schulen sind schrecklich, marode und es funktioniert auch nichts.“ Viele Jugendliche sind unzufrieden mit dem Zustand der Schulen in Deutschland. Und auch generell haben junge Menschen viel an dem Bildungssystem auszusetzen.
Wollen die Parteien das ändern? Und wenn, wie soll das überhaupt aussehen? Darüber spricht unsere Jugendredaktion Salon5 in der neuesten Folge des „Wahlzeit“-Podcasts. Die finden Sie hier auf Spotify.
Bildung ist übrigens auch eins der zehn Themen, zu denen wir mit Ihrer Unterstützung den Spitzenkandidierenden der sieben großen Parteien Fragen gestellt haben. Denn wir sind davon überzeugt, dass die Menschen mitbestimmen sollten, worüber im Wahlkampf diskutiert wird, nicht nur die Politik. Das Ergebnis finden Sie hier.
„Die nächsten Hiobsbotschaften für die deutsche Krisenwirtschaft: Der Auftragseingang unserer Industrie sinkt rapide!“ schrieb die BILD am 8. Januar. Die Deindustrialisierung geht weiter, hieß es unter dem Titel „Neue Schock-Zahlen“.
Stimmt das? Es ist nicht so einfach, grafisch schön aufbereitete langfristige Datenreihen darüber zu finden, wie groß der Anteil der Industrie an unserer Wirtschaftsleistung ist. Aber das Statistische Bundesamt teilte 2015 diese Zahlen mit:
„Die deutsche Industrie hat ihren Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren nahezu gehalten.“ Der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der Bruttowertschöpfung aller Wirtschaftsbereiche lag demnach 2014 bei 22,3 Prozent – kaum weniger als 1994 (23,0 Prozent) und deutlich mehr als der EU-Durchschnitt (15,3 Prozent am BIP).
Und 2023 betrug der Anteil des verarbeitenden Gewerbes am BIP 20,4 Prozent. Die Daten für 2024 sind noch nicht bekannt.
Die langfristige Entwicklung zeigt auch diese Grafik des Statistischen Bundesamtes:
In der öffentlichen Debatte heißt es immer wieder, das Problem mit der Deindustrialisierung sei, dass gut bezahlte Industrie-Beschäftigung wegfalle. So schrieb der CSU-Politiker Bernd Lemmer kürzlich: „Während die Arbeitslosigkeit explodiert, die Wirtschaft immer rasanter schrumpft, Unternehmen reihenweise in die Insolvenz gehen und Massenentlassungen zur neuen Normalität werden, stürzen ganze Gesellschaftsschichten unaufhaltsam in die Armut.“
An der Beschäftigungsentwicklung im produzierenden Gewerbe kann es offensichtlich trotz „weitergehender Deindustrialisierung“ nicht liegen und die „immer rasanter schrumpfende Wirtschaft“ war nach 0,3 Prozent im Jahr 2023 anschließend 2024 nur noch um 0,2 Prozent geschrumpft.
Woran macht nun der BILD-Autor die „Neuen Schock-Zahlen“ fest? Im November 2024 hätten die Auftragseingänge der Industrie bei „minus 5,4 Prozent zum Vormonat“ gelegen. Üblich ist aber der aussagekräftigere Vergleich mit dem Vorjahresmonat (2023). Dieser betrug minus 1,7 Prozent. Aber wenn wir schon bei Vormonatsvergleichen sind: Im Dezember 2024 stieg der Auftragseingang gegenüber Vormonat sogar um 6,9 Prozent.
„Minus 1,7 Prozent“, nicht schön. Plus 6,9 Prozent, eher erbaulich. Ob sich ein positiver Trend ergibt, wird sich zeigen. Leider ist Abwarten offensichtlich nicht im Interesse eines Teils der aktuellen Wahlkämpfer – und welchen Anteil diese daran haben, die wirtschaftliche Stimmung zu verderben, frage ich mich ehrlich gesagt manchmal. Ich kann jedenfalls weder „neue Schock-Zahlen“, noch weitergehende Deindustrialisierung erkennen.
Weitere Beiträge von Harro Heilmann zum Thema Deindustrialisierung finden Sie hier und hier.

Was bedeuten die Pläne der Parteien für das eigene Einkommen? Dazu kursiert in Sozialen Netzwerken eine veraltete Tabelle. Für ein Alleinverdiener-Ehepaar mit zwei Kindern sehen die Zahlen zur Bundestagswahl 2025 anders aus.
CORRECTIV.Faktencheck
Endlich verständlich
Das „Heizungsgesetz“ war eines der kontroversesten Projekte der Ampelkoalition. Nun ist es zurück im Wahlkampf. Wie die Parteien dazu stehen und warum die Kommunen davor warnen, das Gesetz wieder zu kippen, erklärt unsere Klima-Reporterin Katarina Huth in diesem Video.
instagram.com
So geht’s auch
Damit untersucht werden kann, ob es auf Sozialen Netzwerken zu systematischer Wahlbeeinflussung kommen kann, benötigt die Wissenschaft vor allem Zugang zu Daten. X weigerte sich aber, diesen Zugang zu gewähren. Deshalb haben zwei Organisationen (die „Gesellschaft für Freiheitsrechte“ und „Democracy Reporting International“) gegen Elon Musks Plattform geklagt. Und Recht bekommen. Allerdings hat X gegen das Urteil des Berliner Landgerichts Einspruch eingelegt.
netzpolitik.org (zum Urteil) / heise.de (zum Einspruch)
Fundstück
CORRECTIV hat aufgedeckt, wie russische Kampagnen versuchen, den deutschen Wahlkampf zu beeinflussen. Dabei nutzen sie zahlreiche gefälschte Webseiten. Ein Leser hat daraufhin eine Browser-Erweiterung entwickelt, die sie blockiert.
bsky.app
Während dieser letzten, klirrenden Wintertage sehnen sich viele nach dem Frühling, doch etwa 47 Millionen Menschen in Europa tun das wohl ganz besonders: Denn sie können ihr Zuhause kaum oder gar nicht heizen. Der Student Matteo zum Beispiel hat schon einiges versucht – dicke Klamotten anziehen, Fenster verhängen und sich an der Restwärme des Backofens aufwärmen. Das Heizen kann er sich nicht leisten.
Als wir bei CORRECTIV.Europe vergangene Woche die Recherche dazu veröffentlicht haben, wie viele Menschen im Kalten sitzen, erschienen nicht nur unsere Texte, sondern europaweit viele weitere. Denn so funktioniert unser Netzwerk aus Lokaljournalistinnen und -journalisten: Sie werden von uns nicht nur mit Hintergrundinformationen, sondern auch mit Daten für ihre Region versorgt. Darauf können sie ihre eigenen Recherchen aufbauen.
Wie die über Matteo aus Lille in Frankreich, den die Kollegen von Mediacités besucht haben. Oder die über Mari aus dem spanischen Katalonien, die weder Heizung noch fließend Wasser in der Wohnung hat. Sie hat den Kolleginnen von diaria ara berichtet, was das für ihre Hygiene bedeutet. Oder die Expertin, die in der portugiesischen Tageszeitung Público erklärt, warum in verhältnismäßig mildem Portugal Menschen durch Kälte sterben. Eine Übersicht über die Berichte aus unserem Netzwerk finden Sie hier.
Sie alle machen deutlich, dass hohe Energiekosten, geringe Einkommen und schlecht isolierte Häuser die Hauptgründe für die sogenannte Energiearmut in Europa sind – und alle drei Faktoren dringend wirksamer bekämpft werden müssen. Damit im nächsten Winter weniger Menschen frieren.
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Junge Leute würden andere Parteien wählen als ihre Eltern und Großeltern. Das zeigt das Ergebnis der U18-Wahl. Stärkste Partei wird dort die Linke, gefolgt von der SPD. Die Union hätte nur halb so viele Stimmen wie in den gegenwärtigen Wahlumfragen der Wahlberechtigten. Und die AfD schafft es bei den Kindern und Jugendlichen nur zur viertstärksten Kraft. Nur bei der FDP und dem BSW sieht es weiterhin schlecht aus.
dbjr.de
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Robin Albers, Till Eckert und Sebastian Haupt.
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