StartHub

Bessere Debatten führen mit „Journalism Spaces“

Im Community-Journalismus sind Journalistinnen und Journalisten nicht mehr nur neutrale Berichterstatter, sie werden zu Moderatoren von Debatten. Barbara Maas hat zusammen mit dem Media Lab Bayern ein Kartenspiel entwickelt, das Redaktionen hilft, bessere Debatten mit der Community zu führen. Wie „Journalism Spaces” funktioniert, erklären wir hier.

von Tobias Hauswurz

Journalism Space Barbara Maas

Wie können wir als Journalistinnen und Journalisten bessere Debatten anstoßen und moderieren? Dieser Frage ist Barbara Maas, freie Journalistin und Trainerin, im Rahmen des R&D-Fellowships beim Media Lab Bayern nachgegangen. 

Herausgekommen ist ein Kartenset: „Journalism Spaces”. Es soll Redaktionen dabei helfen, Formate und Produkte zu entwickeln, um mit der Community in den Austausch zu gehen. 

In einem unserer StartHub-Know-Lunch hat Barbara uns vorgestellt, wie das geht.

Wir wollen es hier am Beispiel einer fiktiven Lokalredaktion aus Bochum im Ruhrgebiet vorstellen. Nehmen wir an, in Bochum wird bereits seit Monaten debattiert, ob die Bochumer Innenstadt autofrei werden soll. Es gibt verschiedene Konzepte und Ansätze, die bereits in der politischen Beratung sind. Verschiedene Interessensverbände haben sich positioniert, es ist Stadtgespräch beim Bäcker und auf der Straße. 

Unsere Bochumer Lokalredaktion möchte einen Diskussionsabend zum Thema anbieten. Dabei sollen Bürgerinnen und Bürger mit Politik und Expertinnen und Experten ins Gespräch kommen können. Mit „Journalism Spaces” will die Redaktion die Idee rund machen. 

Das braucht die Redaktion: 

  • Das Kartenset „Journalism Spaces” (kostenlos zum Download) – am besten ausgedruckt und zugeschnitten
  • einen großen Tisch und ein paar Stifte
  • 90 bis 120 Minuten Zeit
  • dein Team (idealerweise 2-8 Personen)
  • ein Debatten-Thema
  • eine grobe Idee für ein Format

Legen wir los!

Schritt 1: Die Rollen der Redaktion

Im ersten Schritt geht es darum, die Rollen der Redaktion zu definieren. „Journalism Spaces” gibt Rollen wie „Neutrale Vermittlerin”, „Watchdog”, „Facilitator” oder „Anwalt der kleinen Leute” vor. Ihr könnt euch aber auch eigene Rollen ausdenken. 

Ihr solltet mindestens eine Rolle definieren, die ihr in der Debatte einnehmen wollt. Wahrscheinlich werdet ihr aber mehrere einnehmen wollen. 

In unserem Beispiel entscheidet sich die Redaktion dazu, die Rolle der neutralen Vermittlerin und des Facilitators einzunehmen. Was heißt das? Die Redaktion weiß jetzt, dass sie an dem Abend vor allem darauf achten will, verschiedene Positionen zu Wort kommen zu lassen und es allen Teilnehmenden so einfach wie möglich machen will, sich auch wirklich zu beteiligen.

Daraus lassen sich Schlüsse ziehen, wie die Moderation des Abends aussehen sollte.

Schritt 2: Die Teilnehmenden

Im nächsten Schritt geht es darum zu überlegen, mit wem ihr die Debatte führen wollt. In unserem konkreten Beispiel heißt das: Wer kommt voraussichtlich zum Diskussionsabend zur autofreien Innenstadt? Hier geht es nicht um einzelne Personen, sondern zu überlegen, welche Gruppen von dem Thema direkt betroffen sind.

Beim Thema autofreie Innenstadt könnten das zum Beispiel die Fahrrad-Bubble, Auto-Liebhaber, Gastronomen und Geschäftsinhaber, Shopping-Enthusiasten und Anwohner sein.

Wer eine Idee davon hat, welche Gruppen miteinander diskutieren, kann sich schon vorher besser darauf einstellen.

Schritt 3: Die Debattenräume

Wenn ihr wisst, welche Rolle(n) ihr einnehmen wollt und welche Teilnehmenden ihr erwartet, könnt ihr euch den Inhalten der Debatte nähern. „Journalism Spaces” schlägt vor, dafür verschiedene Debattenräume zu definieren, die ihr während der Debatte aufmacht. 

Weil abzusehen ist, dass die Debatte um eine autofreie Innenstadt viele Emotionen weckt, möchte unsere Bochumer Redaktion erstmal einen „Raum für Argumente” öffnen. In diesem Raum geht es nicht um Gefühle, sondern um Fakten: Was steht überhaupt zur Debatte und was nicht? Was genau heißt eigentlich autofrei? Wie sehen die verschiedenen Pläne der Politik eigentlich aus? Dürften Anwohner trotzdem noch mit dem Auto in die Innenstadt? Wie soll der Lieferverkehr weiter funktionieren?  All das lässt sich ohne Emotionen im „Raum für Argumente” klären. 

Außerdem will die Redaktion einen „Raum für Fragen”, „Raum für Emotionen” und einen „Raum für Lösungen” öffnen.

Schritt 4: Konkrete Aktionen

Sind die Debattenräume definiert, lassen sich konkrete Ideen für den Diskussionsabend ableiten. Dabei helfen die „Journalism Spaces” enthaltenen Aktionskarten.  

Um die Faktenlage und Argumente übersichtlich und unverrückbar darzustellen, stellt die Redaktion Stellwände auf, auf denen die verschiedenen Konzepte für eine autofreie Innenstadt vorgestellt werden. Der Abend beginnt damit, dass alle erstmal ankommen und sich bei einem ersten Getränk einen Eindruck verschaffen können. Außerdem haben Teilnehmende die Möglichkeit, ihre Fragen auf eine Pinnwand zu schreiben, die dann im Laufe des Abends immer wieder aufgegriffen werden (das ist der Raum für Fragen).  Raum für Emotionen schafft die Redaktion, indem die Teilnehmenden mit roten und grünen Stimmungskarten, Zustimmung oder Ablehnung darstellen können. Um gemeinsam auf Lösungen zu fokussieren, zeigt die Redaktion einen kurzen Filmbeitrag über Pontevedra in Spanien, wo die Innenstadt bereits seit 20 Jahren autofrei ist. 

Mit „Journalism Spaces” findet ihr also nicht automatisch das perfekte Format. Es hilft eher dabei zu reflektieren, welchen Dingen ihr in der Debatte welchen Raum geben wollt. So ist es dann viel leichter, das Format zu konkretisieren.

Schritt 5: Passt das so?

Arbeitet ihr mit Journalism Spaces auf einem großen Tisch, habt ihr jetzt eine Art Wabenstruktur vor euch. Ihr seht die Rollen, die teilnehmenden Gruppen, die Debattenräume und daraus abgeleitete Aktionen. 

Wenn ihr jetzt auf das große Ganze schaut, fallen euch vielleicht Dinge auf, die euch unschlüssig erscheinen, mit denen ihr euch unwohl fühlt, oder die ihr nicht für realistisch haltet. Jetzt gibt es noch die Möglichkeit, euren Space anzupassen. 

Schritt 6: Die Checkliste

„Journalism Spaces” kommt mit einer Checkliste, in der ihr die wichtigsten Ergebnisse aus eurem Workshop festhalten solltet. Damit geht unsere Beispielredaktion dann in die konkrete Planung des Diskussionsabends.

Schritt 7: Szenarien

Es kann hilfreich sein, sich vor dem geplanten Diskussionsabend mit verschiedenen Szenarien auseinanderzusetzen, wie die Veranstaltung laufen könnte. Deshalb zieht unsere Redaktion noch zufällig ein paar Karten aus dem Szenario-Stapel, diskutiert die Szenarien und hält die Lösungen in der Checkliste fest. 

Dieses Fallbeispiel ist Teil des Angebots vom CORRECTIV.StartHub, der Anlaufstelle für Journalistinnen und Journalisten, die ihr eigenes Community-zentriertes Medienprojekt gründen wollen.

Du willst kein Fallbeispiel mehr verpassen? Melde dich jetzt an!

Mehr Infos zum CORRECTIV.StartHub.