PILLENKICK
Schmerzmittelmissbrauch im Fußball
Schmerzmittelmissbrauch
im Fußball
DIE STORY
Auf Schmerz und Nieren
Sie wollten spielen, um jeden Preis. Sie sollten über ihr Limit gehen. Heute müssen sie allein mit den Konsequenzen leben. Unsere Titelstory erzählt die Geschichte, wie die Fußball-Industrie tatenlos bleibt, während Fußballer von Schmerzmitteln abhängig werden.
TV-DOKU
Geheimsache Doping:
»Hau rein die Pille!«
Schmerzmittel im Fußball – verkapptes Doping?
Ein Film der ARD-Dopingredaktion in Recherche-Kooperation mit CORRECTIV. Produziert von EyeOpening.Media GmbH im Auftrag des rbb.
Updates
AMATEURFUSSBALL
Von Ibu bis Tilidin
Die Ergebnisse der
Amateurfußball-Umfrage
PRESSESPIEGEL
Lokalzeitungen berichten
Mehr als 20 Lokalzeitungen aus ganz Deutschland haben die #Pillenkick-Recherchen aufgegriffen. Sie zeigen, dass der Schmerzmittelmissbrauch im Amateurfußball noch weiter verbreitet ist.
WAS NIMMST DU?
So wirken Schmerzmittel
auf Deinen Körper
76 % der Teilnehmenden an der Schmerzmittelumfrage haben Ibuprofen genommenKlasse: Nicht-steroidales Antirheumatikum (NSAR)Rezeptfreiheit: bis 400 mg rezeptfrei in der Apotheke erhältlich
21,5 % der Teilnehmenden an unserer Schmerzmittelumfrage haben Aspirin genommmenKlasse: Nicht-steroidales Antirheumatikum (NSAR) Wirkstoff: Acetylsalicylsäure (ASS)Rezeptfreiheit: bis 500 mg rezeptfrei in der Apotheke erhältlich
34,2 % der Teilnehmenden an unserer Schmerzmittelumfrage haben Voltaren (Wirkstoff Diclofenac) genommenKlasse: Nicht-steroidales Antirheumatikum (NSAR)Rezeptfreiheit: verschreibungspflichtig, außer zur Anwendung auf der Haut und bei oralen Anwendung bis 25 mg
mind. 10 Mal in unserer Schmerzmittelumfrage genanntKlasse: Nichtopioid-AnalgetikumRezeptfreiheit: bis 500 mg rezeptfrei in der Apotheke erhältlich
mind. 10 Mal in unserer Schmerzmittelumfrage genanntKlasse: Opioid-Analgetikum Rezeptfreiheit: strengstens verschreibungspflichtig. Manche dürfen per Rezept verordnet werden (Betäubungsmittelrezept).
Wirkung: Wirkt entzündungshemmend und schmerzstillend, kann Fieber senken. Wirkung hält zwei bis drei Stunden an.
Anwendungsgebiete: Arthritis, Schmerzen des Muskel- oder Bewegungsapparates. Tageshöchstdosis bei Selbstmedikation: 2400 mg.
Nebenwirkungen: Kann Nierendurchblutung und -funktion stören und Leberwerte beeinflussen. Erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall, speziell bei Anwendung in hohen Dosen, insbesondere bei Menschen mit hohem Blutdruck. Steigert die Wahrscheinlichkeit für eine Herzattacke in den ersten 30 Tagen nach Einnahme um 20 %.
Einschätzung zur Einnahme beim Sport:
Prof. Dr. Gerd Glaeske, Universität Bremen: „Bei Flüssigkeitsverlust durch Schwitzen und unzureichender Trinkmenge während körperlicher Anstrengungen besteht ein erhöhtes Risiko für Nierenprobleme. Sportler sollten nicht-steroidale Antirheumatika wie Ibuprofen daher vor sportlichen Aktivitäten meiden.”
„Wenn die Mittel nach einer Verletzung oder bei Gelenk- oder Muskelschmerzen nach der sportlichen Betätigung eingenommen werden, ist die über 3 bis 4 Tage vertretbar. Wenn die Mittel aber prophylaktisch eingenommen werden, um Schmerzen im Fußballspiel vorzubeugen, kann dies problematisch sein, weil dann möglicherweise Schmerzen als Signal für eine Verletzung nicht gespürt werden, zumal unter sportlichem Stress auch köpereigene Endorphine ausgeschüttet werden. Diese können zusätzlich den Schmerz überdecken. Die weitere Belastung kann aber für Muskeln und Gelenke schädlich sein.”
Wirkung: Schmerzstillendes, fiebersenkendes, (in höheren Dosierungen) entzündungshemmendes Arzneimittel, wirkt schmerzdämpfend.
Anwendungsgebiete: Nutzung bei leichten bis mäßig starken Schmerzen, Fieber. Zeichen einer Überdosierung: Schwindel und Ohrensausen. Tageshöchstdosis bei Selbstmedikation: bis 3 g Acetylsalicylsäure am Tag.
*Besonderheit: tagelang anhaltende gerinnungshemmende Wirkung (kann von Nachteil sein bei einer bevorstehenden Operation)
Nebenwirkungen: Erhöhtes Risiko bei Einnahme mit anderen Arzneimitteln, die blutverdünnend wirken. Magen-Darm-Beschwerden, weil die Prostaglandinen-Synthese gehemmt wird (verantwortlich für Durchblutung der Magenschleimhaut). Bei längerer Einnahme (öfter als zehn Tage im Monat) mit Koffein können Dauerkopfschmerzen entstehen.
Einschätzung zur Einnahme beim Sport:
Prof. Dr. Gerd Glaeske, Universität Bremen: „Es besteht das Risiko von Magen-Darm-Blutungen und zusätzlichen Schädigungen der Magenschleimhaut, unter Umständen können sich Magen- und Darmgeschwüre bilden. Der Arzneistoff kann Allergien hervorrufen und bei Asthmatikern Asthmaanfälle auslösen.”
„Aceylsalicylsäure kann bei Verletzungen verstärkend auf Blutungen wirken – Blutungen lassen sich schwerer stillen. Dies kann gerade im Sport problematisch sein. Daher sollte ASS vor allem vor sportlichen Aktivitäten wie Fußballspielen, bei denen es zu Verletzungen kommen kann, gemieden werden.”
Wirkung: Schmerzstillende, fiebersenkende, entzündungshemmende und anti-rheumatische Wirkung. Wirkung hält etwa für vier Stunden an.
Anwendungsgebiete: bei leichten bis mittleren Schmerzen und Entzündungen, die in Verbindung mit Verletzungen oder Erkrankungen des Bewegungsapparates entstehen. Tageshöchstdosis bei Selbstmedikation: nicht mehr als 75 mg am Tag.
Nebenwirkungen: höheres Risiko für Magenprobleme und starke Erhöhung der Leberwerte. 50 % höhere Wahrscheinlichkeit, in den 30 Tagen nach Einnahme Herzprobleme zu bekommen, insbesondere bei höherer Dosierung und Bluthochdruck.
Einschätzung zur Einnahme beim Sport:
Prof. Dr. Gerd Glaeske, Universität Bremen: „Bei Flüssigkeitsverlust durch Schwitzen und unzureichender Trinkmenge während körperlicher Anstrengungen besteht ein erhöhtes Risiko für Nierenprobleme. Sportler sollten nicht-steroidale Antirheumatika wie Diclofenac daher vor sportlichen Betätigungen daher meiden.”
„Diclofenac zum Schlucken sollte nur zurückhaltend eingesetzt werden und wenn, dann vor allem nach der sportlichen Betätigung, wenn es zu Gelenkschmerzen gekommen ist. Gegen die Anwendung von Salben oder Gelen mit Diclofenac nach einem Spiel gibt es wenig Einwände, der Nutzen gilt allerdings umstritten.”
Wirkung: Schmerzstillende, fiebersenkende Wirkung. Wirkung insgesamt kaum bekannt, komplexes Wechselspiel vieler Faktoren.
Anwendungsgebiete: zur Behandlung von leichten bis mäßig starken Schmerzen und Fieber, seit langem bewährt, aber wenig geeignet bei Gelenk- oder Muskelbeschwerden. Wirkt leicht schneller in Verbindung mit Koffein. Tageshöchstdosis bei Selbstmedikation: nicht mehr als 4 g am Tag.
Nebenwirkungen: kann zu Allergien führen. Bei längerer und hochdosierter Einnahme drohen Schäden und Durchblutungsstörungen der Nieren. Kann Leberschäden hervorrufen, daher sollte es nicht bei bereits bestehenden Leberschäden eingesetzt werden oder zusammen mit Alkohol genommen werden. Um 20 % höhere Wahrscheinlichkeit, in den 30 Tagen nach Einnahme Herzprobleme zu bekommen. Bei Schmerzmitteln mit Acetylsalicylsäure (z.B. Aspirin) und Paracetamol plus Koffein (z.B. Thomapyrin) können sich die Nebenwirkungen addieren. Bei längerer Einnahme (über 10 Tage) in Verbindung mit Koffein: Entstehung von Dauerkopfschmerz möglich.
Einschätzung zur Einnahme beim Sport:
Prof. Dr. Gerd Glaeske, Universität Bremen: „Paracetamol kann zu allergischen Reaktionen führen. Prophylaktisch eingenommen wären solche Reaktionen eher beeinträchtigend, weil dann die Sauerstoffversorgung leiden könnte. Auch dies ist ein Grund, warum Paracetamol nicht prophylaktisch vor einem Fußballspiel eingenommen werden sollte.”
„Viele Mittel mit Paracetamol sind Kombinationen von ASS, Paracetamol und Coffein. Die belebende Wirkung des Koffeins kann dazu verleiten, solche Mittel öfter und länger einzunehmen, als es angeraten ist. Damit steigt das Risiko für Nierenschäden. Ansonsten gelten dieselben allgemeinen Hinweisen wie für Sport wie bei Ibuprofen – prophylaktisch gar nicht anwenden, zur Behandlung von Schmerzen nach dem Sport dagegen wie andere Mitteln anwendbar, aber am besten nur mit dem Wirkstoff Paracetamol.”
Wirkung: zur Behandlung starker und stärkster Schmerzen. Können abhängig machen. Unterscheidung in Opiate wie Morphin (aus der Opiumpflanze hergestellt) und den Opioiden, die chemisch hergestellt werden und deutlich stärker wirken.
Anwendung: werden zeitlich gestreckt (retardiert) eingenommen oder als Pflaster angewendet, sodass ein kontinuierlich ein gleichbleibender Arzneistoffpegel im Körper wirkt. Insbesondere starke Opioide werden oft missbraucht.
Nebenwirkungen: hohes Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial, darum muss die Behandlung medizinisch überwacht werden.
Einschätzung zur Einnahme beim Sport:
Prof. Dr. Gerd Glaeske, Universität Bremen: „Die Anwendung solcher Mittel im Sport ist völlig unverständlich. Diese Wirkstoffe haben eine Wirkung auf das zentrale Nervensystem und viele stehen deshalb auch auf den Listen verbotener Mittel im Sport.”
„Möglicherweise werden solche Mittel illegal beschafft, sie sind auch problematisch, weil die Atmung beeinträchtigt wird und dies kontraproduktiv im Sport ist. Opiode haben bei einer sportlichen Betätigung wie Fußball nichts verloren – ihre Anwendung ist in diesem Umfeld strikt abzulehnen.”
Quellen: Arzneimittelinformationssystem, Amateurfußball-Umfrage CORRECTIV, Gutachten / Interview Prof. Dr. Gerd Glaeske, Universität Bremen
(u.a. SpVgg Unterhaching, Preußen Münster)
(aktiv in Nationalmannschaft und Champions League)
(u.a. Werder Bremen, Borussia Mönchengladbach)
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Texte und Recherche CORRECTIV: Jonathan Sachse, Arne Steinberg EyeOpening.Media/ ARD-Dopingredaktion: Hajo Seppelt, Wigbert Löer, Jörg Mebus, Josef Opfermann, Patricia Corniciuc, Shea Westhoff, Sebastian Krause, Matthias Liebing, Wolfgang Bausch, Lukas Witte, Ulf Ullrich Redaktion CORRECTIV: Olaya Argüeso Pérez, Justus von Daniels, Michel Penke, Frederik Richter Internationale Partner: Giulio Rubino (CORRECTIV, La Stampa), Thierry Vildary (France 2) Design: Benjamin Schubert, Belén Ríos Falcón Fotoredaktion: Ivo Mayr Social Media: Luise Lange, Valentin Zick, Katharina Späth Mitarbeit: Bianca Hoffmann, Max Donheiser, Marius Wolf, Anne Armbrecht, Lilly Schlagnitweit Unterstützung CrowdNewsroom-Auswertung: Prof. Dr. Joachim Kunert und Prof. Dr. Andreas Groll (beide TU Dortmund), Prof. Dr. Gerd Glaeske (Universität Bremen)
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Veröffentlicht am 09.06.2020