PILLENKICK

Schmerzmittelmissbrauch im Fußball

Schmerzmittelmissbrauch
im Fußball

Zusammenbrüche auf dem Spielfeld, Blut spuckende Spieler, Nierentransplantationen, lebenslange gesundheitliche Folgen: Der Fußball hat ein erhebliches Problem mit Schmerzmitteln, aber nur wenige sprechen öffentlich darüber. Uns gegenüber haben sich rund 150 Fußballer, Trainer, Ärzte und Wissenschaftler über das Ausmaß des Schmerzmittelmissbrauchs im Profifußball geäußert. Wir zeigen, wie auch der Amateurfußball betroffen ist. In einer Umfrage mit mehr als 1.100 Spielern berichten Amateure, wie sie ihren Körper regelmäßig mit Schmerzpillen betäuben. Die #PILLENKICK-Recherche offenbart ein System, in dem Gesundheit nicht viel zählt.

DIE STORY

Auf Schmerz und Nieren

Sie wollten spielen, um jeden Preis. Sie sollten über ihr Limit gehen. Heute müssen sie allein mit den Konsequenzen leben. Unsere Titelstory erzählt die Geschichte, wie die Fußball-Industrie tatenlos bleibt, während Fußballer von Schmerzmitteln abhängig werden.

TV-DOKU

Geheimsache Doping:
»Hau rein die Pille!«

Schmerzmittel im Fußball – verkapptes Doping?

Ein Film der ARD-Dopingredaktion in Recherche-Kooperation mit CORRECTIV. Produziert von EyeOpening.Media GmbH im Auftrag des rbb.

Updates

Hier finden Sie die neuesten Berichte zur Recherche und zum Thema Gesundheit im Sport. Unser Newsletter informiert Sie über alle Neuigkeiten bequem per E-Mail.

AMATEURFUSSBALL

Von Ibu bis Tilidin

1142 Amateurfußballerinnen und -fußballer haben sich an unserer Schmerzmittel-Umfrage beteiligt. Ihre Geschichten reichen von Ibuprofen in hoher Dosierung bis hin zu Opioiden – wir zeigen die Gefahr von Tabletten im Amateurfußball.

Die Ergebnisse der
Amateurfußball-Umfrage

PRESSESPIEGEL

Lokalzeitungen berichten

Mehr als 20 Lokalzeitungen aus ganz Deutschland haben die #Pillenkick-Recherchen aufgegriffen. Sie zeigen, dass der Schmerzmittelmissbrauch im Amateurfußball noch weiter verbreitet ist.

WAS NIMMST DU?

So wirken Schmerzmittel
auf Deinen Körper

Wähle ein Schmerzmittel aus, das du vor dem Sport einnimmst und erfahre, wie es auf deinen Körper wirkt. Welche Folgeschäden treten auf? Gesundheitsexperte Prof. Dr. Gerd Glaeske gibt eine Einschätzung.

Quellen: Arzneimittelinformationssystem, Amateurfußball-Umfrage CORRECTIV, Gutachten / Interview Prof. Dr. Gerd Glaeske, Universität Bremen

JUGENDLICHE

Wie Schmerzmittel für
junge Fußballer zur Routine werden

„Was ich in den letzten 14 Jahren mitbekommen habe, ist, dass Ibuprofen wie Smarties verteilt wird, für jedes kleine Aua gibt es pauschal Ibuprofen.”
Neven Subotic, aktueller Bundesligafußballer (Union Berlin, früher Borussia Dortmund)
„Ich konnte ohne Voltaren oder Vioxx gar nicht mehr gehen. Ich habe es auf jeden Fall übertrieben. Das ist Raubbau am eigenen Körper und das schleppte man dann auch die Jahre danach mit.”
Jochen Kientz, ehemaliger Bundesligafußballer (u.a. TSV 1860 München, Hamburger SV)
„Aspirin oder Voltaren vor dem Spiel waren für mich wie ein Standard, egal ob es sinnvoll war. Damit habe ich mit etwa 18 Jahren angefangen.“
Benjamin Schwarz, ehemaliger Profifußballer
(u.a. SpVgg Unterhaching, Preußen Münster)
„Ich habe über vier Wochen bis zu sechs Ibuprofen 600 für jedes Spiel genommen. Nach einem Spiel hatte ich Taubheitsgefühle in den Beinen und war benommen, danach habe ich aufgehört, Schmerzmittel zu nehmen.”
Nico G., Amateurfußballer
„Trainer und Verein müssen endlich lernen, auf Leistungsträger zu verzichten, anstatt sie ‘fit’ zu machen.”
Anonym, Amateurfußballer
„Wie ich das erlebt habe, sind Schmerzmittel überall. Du kannst mir neun Mal sagen, du nimmst zu viel Schmerzmittel, lass es. Ich höre neun Mal weg.”
Jonas Hummels, ehemaliger Profifußballer
„Ich nehme immer wieder über ein paar Wochen hinweg Voltaren. Ich will gar nicht wissen, dass es Nebenwirkungen gibt, ich will einfach nur trainieren und spielen.”
Nabil K., Amateurfußballer
„Bei einem Bundesligaverein wurden die Schmerzmittel viel verteilt. Der Mannschaftsarzt und die Physios standen vor dem Bus und haben gefragt, wer was braucht. Ich habe gemerkt, dass ich es öfter brauche. Ich habe eine zeitlang nur mit Schmerzmittel gespielt.”
Anonym, ehemaliger Bundesligafußballer
„Ich habe über ein Jahr lang Ibus eingenommen, damit ich spielen konnte. Vor dem Training auch, nur für den Kopf.”
Timo S., Amateurfußballer
„Es ist Alltag in den unteren Amateurligen, dass vor einem Spiel erstmal der Medizinkoffer herumgeht und nach Schmerzmitteln wie nach Traubenzucker gefragt wird. Häufig aus falschem Ehrgeiz, jugendlicher Leichtsinnigkeit und fehlendem Wissen.”
Anonym, Amateurfußballer
„Ich spiele einfach sehr gerne Fußball und habe auch beim Turnier der Uni eine Tablette eingeworfen. Irgendwann ging es nicht mehr ohne Schmerzmittel.”
Philip L., Amateurfußballer
„Die erste Hälfte meiner Karriere war schon von Schmerzmitteln begleitet worden, die letzten drei, vier Jahre ging eigentlich gar nichts mehr ohne Schmerzmittel.”
Dani Schahin, ehemaliger Profifußballer (u.a. Greuther Fürth, Fortuna Düsseldorf)
„Zum Thema Schmerzmittel hört man bei Trainerweiterbildungen im Fußball nichts.”
Anonym, Amateurfußballer
„Im Endeffekt verdient man Geld, wenn man am Wochenende Fußball spielt, vor allem im Profibereich. Ein Schmerzmittel kann dazu dienen, dass man die Woche über öfters und noch besser trainieren kann.”
Tim Göhlert, ehemaliger Bundesligafußballer (u.a. 1. FC Heidenheim)
„Generell wird bei uns recht leichtfertig damit umgegangen. Wenn jemand ein Wehwehchen hat, kommt immer aus zwei, drei Ecken: ‘Brauchst du eine Ibu? Ich habe 400er dabei.’ So ein Angebot wird dann auch regelmäßig angenommen.”
Anonym, Amateurfußballer
„In meiner ganzen Karriere habe ich aber mehr als genug Schmerztabletten genommen. Es hätte aber noch mehr sein können, wenn ich das gemacht hätte, was mir Ärzte und Physios gesagt haben.“
Anonym, ehemaliger Profifußballer
„Sonntags habe ich Ibuprofen-Tabletten genommen, die ich mit Energietabletten aus der Drogerie kombiniert habe. Nach dem Spiel konnte ich dann nicht einschlafen, am Montag war ich total müde.”
Stefan O., Amateurfußballer
„Ich habe in meiner Karriere viele Spieler erlebt, für die Medikamente zum Training und Spiel dazu gehört haben und das teilweise auch unabhängig von Verletzungen und Krankheit.”
Anonym, Amateurfußballer
„Ich habe so viele Spritzen bekommen, dass ich mich gar nicht mehr daran erinnern kann, was drin war.”
Massimo Cannizzarro, ehemaliger Profifußballer (u.a. Rot-Weiß Erfurt)
„Viele Spieler wollen unbedingt spielen und mit ‘leichten’ Blessuren wie Zerrungen, Prellungen oder Gelenkschmerzen nicht aus der Startelf fliegen. Bei dem Aufwand, den man betreibt, will jeder den finanziellen Ertrag am Wochenende, wenn Prämien bezahlt werden.”
Anonym, Amateurfußballer
„Es gibt fürchterliche Beispiele, bei denen die Spieler die Physios vor dem Training fragen: ‚Wo ist mein Frühstück?‘ Damit meinen sie die Schmerzmittel.”
Sebastian Schuppan, aktueller Profifußballer (Kapitän der Würzburger Kickers)
„Ich war blauäugig. Ich kannte meine Verletzung und bekämpfte nur die Schmerzen und nicht die Ursache. Ich spielte, obwohl ich hätte pausieren sollen. Folglich übertrieb ich es und verletzte mich schlimmer, sodass nur eine OP es richten konnte.”
Anonym, Amateurfußballer
„Ich habe Ibuprofen und Paracetamol eingenommen, um den Schmerz zu unterdrücken.”
Jerome Assauer, ehemaliger Profifußballer (u.a. TuS Koblenz, Wuppertaler SV)
„Ich habe immer versucht, davon wegzukommen. Irgendwann war es aber nur noch dann möglich, zu spielen, wenn ich vorher Schmerztabletten genommen hatte.”
Anonym, ehemaliger Bundesligafußballer
„In unserer Europa-League-Saison konnte ich eigentlich wegen Schmerzen nicht mehr spielen, habe aber weitergemacht. Ich habe Spritzen bekommen und Stoßwellen. Ich war danach zu einer mehrmonatige Pause verdammt.”
Tobias Werner, ehemaliger Bundesligafußballer (u.a. FC Augsburg, VfB Stuttgart)
„Wer einen Arzt kennt, kommt an alles heran, um zu spielen. Die Risiken werden teils sehr unterschätzt.”
Anonym, Amateurfußballer
„In bestimmten Phasen habe ich vor jedem Spiel Schmerzmittel genommen. Am Ende meiner Karriere habe ich alle zusammengepackt, was ich zu Hause noch hatte. Ich habe zwei Taschen vollgepackt voll mit Penecellin, Antibiotikum und Schmerzmitteln und bin damit zur Mülldeponie gefahren. Ich habe gedacht, was habe ich eigentlich alles genommen, um den Sport zu betreiben?”
Alfred Nijhuis, ehemaliger Bundesligafußballer (u.a. Borussia Dortmund, MSV Duisburg)
„Mit 15 Jahren hatte ich Schmerzen, die durch einen Wachstumsschub kamen. Das wurde mit Schmerzmitteln behandelt, aber die wurden auch wieder abgesetzt. Andere Jugendliche wollten kein Spiel verpassen und haben sich selber noch Schmerzmittel besorgt. Sie wollten den Anschluss nicht verlieren.“
Anonym, aktueller Bundesligaspieler
(aktiv in Nationalmannschaft und Champions League)
„Ich habe mehrere 100er Voltaren am Tag und Aspirin gegen die Schmerzen genommen.“
Uli Borowka, ehemaliger Bundesligafußballer
(u.a. Werder Bremen, Borussia Mönchengladbach)
„Als eine Ibuprofen nicht mehr taugte, bin ich auf eine halbe Tablette Tilidin umgestiegen vor dem Spiel. Einmal habe ich eine ganze genommen und bin nach 15 Minuten auf dem Feld einfach umgekippt.“
Felix L., ehemaliger Amateurfußball
„Obwohl ich bis zu sechs Ibuprofen am Tag genommen habe, waren die Schmerzen immer noch da. Mein Arzt hat mir Tilidin verschrieben. Zu dem Zeitpunkt war ich 28 Jahre. Das ging immer weiter. Irgendwann habe ich hartes Morphium genommen.“
Kim K., ehemalige Amateurfußballerin
„Ich habe über anderthalb Jahre vor jedem Training und Spiel Schmerzmittel genommen. Bei jedem Schmerz, den man gespürt hat, habe ich sofort mit einer Tablette gegengewirkt und eigentlich auf meinen Körper gar nicht gehört.“
Simon R., ehemaliger Amateurfußballer
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Haben Sie Hinweise oder Anregungen zu den Themen Medikamentenmissbrauch oder Doping im Fußball? Dann kontaktieren Sie unsere Reporter Jonathan Sachse oder Arne Steinberg.

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DIE ALLTAGS-DROGE

5 Fakten zu Schmerzmitteln

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Ein Projekt von CORRECTIV – Recherchen für die Gesellschaft

Texte und Recherche CORRECTIV: Jonathan Sachse, Arne Steinberg EyeOpening.Media/ ARD-Dopingredaktion: Hajo Seppelt, Wigbert Löer, Jörg Mebus, Josef Opfermann, Patricia Corniciuc, Shea Westhoff, Sebastian Krause, Matthias Liebing, Wolfgang Bausch, Lukas Witte, Ulf Ullrich Redaktion CORRECTIV: Olaya Argüeso Pérez, Justus von Daniels, Michel Penke, Frederik Richter Internationale Partner: Giulio Rubino (CORRECTIV, La Stampa), Thierry Vildary (France 2) Design: Benjamin Schubert, Belén Ríos Falcón Fotoredaktion: Ivo Mayr Social Media: Luise Lange, Valentin Zick, Katharina Späth Mitarbeit: Bianca Hoffmann, Max Donheiser, Marius Wolf, Anne Armbrecht, Lilly Schlagnitweit Unterstützung CrowdNewsroom-Auswertung: Prof. Dr. Joachim Kunert und Prof. Dr. Andreas Groll (beide TU Dortmund), Prof. Dr. Gerd Glaeske (Universität Bremen)

Für Rückfragen: info@correctiv.org

Veröffentlicht am 09.06.2020