Der Mann, den Frauke Petry an diesem Vormittag im Herbst zum ersten Mal trifft, stellt ihr angeblich gleich am Anfang eine Frage:
Was aus ihrer Sicht die stärkste Triebkraft des Menschen sei?
Neid und Gier, habe sie gesagt. Der Mann habe widersprochen:
Nein, Angst.
Der
Schattenmann
Die AfD-Spitze hat sich nach Aussage der früheren Parteichefin Frauke Petry ab 2015 mehrfach mit dem Milliardär Henning Conle getroffen. Es ging um anonyme Spenden an die Partei. Im Interview spricht Petry erstmals exklusiv über die Treffen. Einblicke in eine Schattenwelt der Politik.
Bei Frauke Petry haben sich diese Worte besonders eingeprägt. „Er sagte, Angst sei die stärkste Triebkraft des Menschen. Und mir war das unangenehm.“ So erinnert sich Petry, Ex-Bundessprecherin der AfD und seit ihrem Parteiaustritt fraktionslose Abgeordnete, gegenüber CORRECTIV und Frontal21 an ihr erstes Treffen mit dem Immobilien-Milliardär Henning Conle im Oktober 2015. Eine Notiz ihrer Sekretärin nennt als Treffpunkt die Lobby eines Viersternehotels am Leipziger Flughafen. „Mein Eindruck war, dass Henning Conle die AfD unterstützen wollte“, sagt die Politikerin. „Mein Eindruck war aber auch, dass er letztlich dabei nicht persönlich in Erscheinung treten wollte.“ Belege für den Inhalt des Gesprächs gibt es neben ihrer Aussage nicht. Conle antwortete bis Redaktionsschluss nicht auf Anfragen dazu. Aber CORRECTIV und dem ZDF-Magazin Frontal21 liegen Textnachrichten vor, die Ort und Datum des Treffens Ende Oktober 2015 dokumentieren. Und es war nicht das einzige.
Erstmals decken Recherchen von CORRECTIV und Frontal 21 auf, dass Conle ab 2015 gezielt Kontakte zur Parteispitze der AfD aufbaute, offenbar in der Absicht, die Partei mit anonymen Spenden zu unterstützen. Neben Petry soll an den geheimen Gesprächen nach ihrer Aussage auch der derzeitige Parteichef Jörg Meuthen beteiligt gewesen sein. Meuthen äußert sich auf Anfrage dazu nicht. Wer offen redet, ist Frauke Petry. Gegenüber CORRECTIV und Frontal 21 spricht sie nun über die Treffen in Leipzig und nahe Zürich sowie das Angebot des mysteriösen Milliardärs, den die Bundestagsverwaltung bereits offiziell als Hintermann einer illegalen Einzelspende an die AfD-Politikerin Alice Weidel aus dem Jahr 2017 bestätigt hat. Die Treffen mit der Parteispitze deuten jetzt darauf hin, dass Conle womöglich eine größere Rolle bei den fragwürdigen Spenden und Wahlkampfhilfen gespielt hat.
»Herr Conle, dunkle Hornbrille, Lederjacke,
kurzer Bart, wenig Haar«
In den vergangenen vier Jahren flogen durch Recherchen verschiedener Medien mehrere illegale Einzelspenden an AfD-Politiker auf. Immer wieder tauchte dabei der Name Conle auf, mal als nachweislicher Spender, mal indirekt über Personen aus seinem Umfeld, die auf wohl falschen Spendenlisten standen. Bisher kamen immer nur Details über die verschiedenen Spenden heraus, die als illegal eingestuft wurden. Jetzt ergibt sich aus den Aussagen Petrys ein größeres Bild. Erstmals ermöglichen sie seltene Einblicke in die Verhandlungen mit anonymen Spendern.
Die Informationen sind brisant und könnten den Druck auf die AfD deutlich erhöhen, meint Sophie Schönberger, Leiterin des Instituts für Parteienrecht und Parteienforschung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf: „Bisher haben wir ja verschiedene Arten von Spenden-Affären, die aus verschiedenen Bausteinen bestehen. Jetzt gibt es zunehmend Indizien, dass es sich möglicherweise um eine einzige große Spendenaffäre handelt, hinter der Herr Conle steckt.“
Es ist der 29. Oktober 2015, ein Donnerstag. Frauke Petry wurde einige Monate zuvor als Bundessprecherin der noch jungen AfD wiedergewählt. Mit dem Namen des Mannes, der sie an diesem Vormittag zum Flughafen Leipzig bestellt hat, kann sie wenig anfangen. Damit sie ihn erkennt, hat sie sich als Notiz in ihrem Handy eine Beschreibung abgespeichert, die ihre Sekretärin offenbar von Conles Büro erhalten hat: „Herr Conle, dunkle Hornbrille, Lederjacke, kurzer Bart, wenig Haar.“ Conle selbst schreibt ihr am Morgen:
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Für die Öffentlichkeit so gut wie unsichtbar
Henning Conle, 77 Jahre alt, ist einer der reichsten Deutschen und in der Öffentlichkeit so gut wie unsichtbar: Es gibt keine Fotos im Internet, keine Interviews. Ein Phantom, wie es scheint. Aber das Phantom handelt: Bereits in der Spendenaffäre der AfD-Politikerin Alice Weidel ließen sich Conle verdeckte Zahlungen in Höhe von 132.000 Euro zuordnen: Im Bundestagswahlkampf 2017 war das Geld über Schweizer Firmenkonten an Weidels Kreisverband als persönliche Spende für Weidels Wahlkampf geflossen, wie der Spiegel und Report Mainz im Mai 2020 berichteten. Ein Strafbescheid der Bundestagsverwaltung, der CORRECTIV und Frontal 21 vorliegt, bestätigt das und beruft sich auf in der Schweiz sichergestellte Kontounterlagen: „Aus diesen Unterlagen geht nunmehr als tatsächlicher Spender Herr Henning Conle hervor.“
Nach Einschätzung der Parteienrechtlerin Sophie Schönberger vermitteln die neuen Informationen zu Conles Treffen mit der AfD-Spitze im Herbst 2015 im Hinblick auf die spätere Wahlkampfunterstützung im Fall Weidel den Eindruck eines strategischen Vorgehens: „Hier haben wir tatsächlich genau den Fall, dass die Ankündigung, die da offensichtlich stattgefunden hat, in die Tat umgesetzt wurde. Conle hat versucht, an die AfD zu spenden und dabei aber seinen Namen rauszuhalten.“
Conle ist, das belegen nun die neuen Recherchen von CORRECTIV und Frontal21, vor mehr als fünf Jahren auf die Spitze der damals noch jungen Partei zugegangen. Damit ergibt sich nun erstmals ein Bild davon, wie der Milliardär im Schatten agierte.
»Montag Zürich klappt bei mir. LG Jörg.«
Nach dem ersten Kennenlernen in Leipzig soll es noch mehrere Treffen in der Schweiz zwischen Petry und Conle gegeben haben. Dies ist zum Teil anhand von Textnachrichten und Kalendereinträgen dokumentiert. Am 7. Dezember 2015, einem Montag, gab es Frauke Petry zufolge eine Verabredung in einer von Conles Villen in Küsnacht bei Zürich. An diesem Tag soll Petrys Co-Vorsitzender Jörg Meuthen dabei gewesen sein. In einer SMS, datiert auf den 3. Dezember, die den Redaktionen vorliegt,schreibt Meuthen ihr:
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Conle äußert sich auf Anfrage zu den Treffen nicht, auch Meuthen schweigt.
Das Jahr 2015 markierte für die AfD einen Wendepunkt. Petry hatte sich damals im Machtkampf gegen Bernd Lucke durchgesetzt und war auf dem Höhepunkt ihrer politischen Karriere, als sich der Unternehmer bei ihr gemeldet haben soll. Die AfD wuchs damals schnell und sie konnte für die anstehenden Wahlkämpfe 2016 und 2017 Geld laut Petry gut gebrauchen. Das machte sie offen für Gespräche mit solventen Spendern. „Als mir das Interesse angekündigt wurde, mich zu treffen, ging es ganz allgemein um die Unterstützung der Partei“, sagt Frauke Petry im Gespräch mit CORRECTIV und Frontal 21. „Und natürlich war ich als Vorsitzende der Partei interessiert an einer legalen Unterstützung der AfD.“
Was genau Conles Ziele bei dem Treffen waren, lässt sich nicht belegen. Der Unternehmer antwortet auch hierzu auf Anfrage von CORRECTIV und Frontal 21 nicht. Conle soll bei dem Treffen auch über seine Erfahrungen bei der Parteienfinanzierung in der Schweiz und Österreich gesprochen haben. Das deckt sich mit einem Bericht im Schweizer Tagesanzeiger, der ihn zumindest mittelbar in die Nähe von Alexander Segert bringt – das ist der Chef der Zürcher Werbeagentur Goal AG, der Meuthens Wahlkampf 2016 mit einer Plakatkampagne unterstützte. Demnach tauchen Segert und Conle auf einer Liste von Spendern auf, die Anfang 2017 die 100-Jahr-Feier der rechten Schweizerischen Volkspartei SVP mitfinanzierten.
Eine Verschwörung gegen die Demokratie
Wenn Petrys Aussagen stimmen, dann wäre Conles Vorgehen brisant: „Wenn jemand an eine Partei herantritt, so wie Herr Conle das offensichtlich gemacht hat, und sagt, er möchte spenden, aber nur anonym, dann ist das auf eine illegale Handlung gerichtet“, sagt die Parteienrechts-Expertin Sophie Schönberger: „Parteispenden dürfen nicht anonym erfolgen, wenn sie einen kleinen Betrag von 500 Euro überschreiten, sondern müssen immer mit dem Spendernamen verbunden sein.“
Der Gesetzgeber will, dass die Finanzen aller Parteien transparent sind. Denn Geldflüsse sind oft mit Macht und Einfluss verknüpft. Solange Personen und Unternehmen Geld an Parteien spenden dürfen, lässt sich das nicht ausschließen. Aber es soll für die Wählerinnen und Wähler klar ersichtlich sein, wer von welchen Zahlungen profitiert – und woher die Gelder stammen. Agieren die Spender im Verborgenen, lässt sich nicht kontrollieren, ob es in der Folge zu politischen Gefälligkeiten kommt. Im schlimmsten Fall könnten sich Geldgeber Parteien gefügig machen und im Verborgenen über ihre politische Linie bestimmen. Parteispendenskandale erschütterten schon oft die Republik.
AFD-Spendenaffäre
89.800€
Jörg Meuthen
44.500€
Guido Reil
132.000€
Alice Weidel
36.000€
Marcus Pretzell
Für vier verdeckte Spenden an die AfD hat die Bundestagsverwaltung Strafzahlungen erhoben. In den Fällen Reil und Meuthen hat die AfD die Zahlungen akzeptiert, bei Weidel und Pretzell hat die Partei Klage gegen die Bescheide erhoben.
Ungeklärt ist die Herkunft von Millionen Euro, mit denen der „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“ zur Wahl der AfD aufrief, mit Zeitungen und Großplakaten.
Aber die oftmals zähen, kleinteiligen Verfahren können den Blick dafür versperren, dass es hier nicht nur um einige dubios finanzierte Wahlplakate geht, sondern um Geldgeber, die sich hinter aufwändigen Strukturen verstecken und bewusst das Parteiengesetz unterminieren, um Einfluss auf die Politik zu nehmen. Für die Öffentlichkeit sind Skandale dieser Art alarmierend, innerhalb der Parteien machen sich die Politiker gegenüber den Geldgebern erpressbar. Es wäre nichts weniger als eine Verschwörung gegen die Demokratie.
Der Aufstieg der Conles begann mit sozialem Wohnungsbau in Duisburg
Henning Conle, der Schattenmann, blieb bislang weitgehend unter dem Radar. Die Familie erschien 2018 auf Platz 192 der Liste der reichsten Deutschen des Wirtschaftsmagazins Bilanz, zusammen mit der Familie Arend Oetker und dem Versandhandelserben Frank Otto. Die Namen Otto und Oetker sind praktisch jedem ein Begriff. Der Name Conle dagegen sagt den meisten Menschen nichts. Der Aufstieg der Familie begann in den 1950er Jahren in Duisburg. Heinz Conle, Hennings Vater, war SPD-Mitglied und machte sein Vermögen mit sozialem Wohnungsbau. Dann gerieten er und sein Bruder Kurt unter Verdacht, sich mit kriminellen Methoden bereichert zu haben: 1961 standen sie vor Gericht wegen Bestechung und Betrugs. 1967, nach dem Tod von Kurt, endete der Prozess mit einem Freispruch für Heinz Conle, weil die Vorwürfe nicht bewiesen werden konnten.
Henning Conle lebt nicht mehr in Duisburg, sondern pendelt zwischen der Schweiz und London. Nach Medienberichten aus dem Jahr 2014 sollen ihm in Deutschland geschätzt mehr als 10.000 Wohnungen gehören. Ob diese Zahl realistisch war oder noch ist, lässt sich aber nicht prüfen. Vor einigen Jahren kursierten Berichte von Leerstand, Verwahrlosung und Mieter-Schikanen in Conle-Häusern. Zwischenzeitlich machte der Milliardär eher mit Investitionen im jeweils mehrstelligen Millionenbereich in der Londoner Innenstadt von sich reden: Insgesamt haben Conle und seine Familie zum Teil Wahrzeichen und historische Prachtbauten im Wert von rund zwei Milliarden Pfund gekauft – womit er laut britischen Medien zu einem der größten Investoren auf dem Londoner Immobilienmarkt aufstieg.
Tarnfirmen, Strohleute, Mittelsmänner
Wenn es stimmt, was Frauke Petry behauptet, wollte Conle als mutmaßlicher Spender der AfD im Dunkeln bleiben. Auffällig bei den bisherigen Spendenskandalen der AfD sind Strukturen, die dazu dienen, die Herkunft der Gelder zu verschleiern: Tarnfirmen, Strohleute, Mittelsmänner. Conle hat dazu bislang nie etwas gesagt. Im Fall Weidel hat die Bundestagsverwaltung ausdrücklich bestätigt, dass Conle hinter den anonymen Spendenzahlungen steht.
Aber das ist nicht alles. Nun zeichnen sich weitere Linien ab, die Conle mit der AfD-Spendenaffäre zu verbinden scheinen: Als die ominöse Spende an Weidel Ende 2018 aufflog, reichte die AfD eine Liste mit 14 Spenderinnen und Spendern von einer Schweizer Pharmafirma an die Bundestagsverwaltung weiter. Auf der Liste fanden sich später Strohleute. Die AfD sagt, dass ihr das nicht bekannt gewesen sei. Einer der Spender, ein Belgier, ist als Manager für eine in Antwerpen registrierte Immobilienfirma tätig, die Henning Conle gemeinsam mit seinem Sohn führte oder noch führt. Das kann Zufall sein. Conle hat es bislang immer abgelehnt, zu den Vorwürfen öffentlich Stellung zu nehmen. Aber es gibt mehr Hinweise.
Viele der Namen auf der Weidel-Liste tauchen auch auf einer Liste mit angeblichen Spendern auf, die den Wahlkampf des AfD-Europaabgeordneten Guido Reil mitfinanziert haben sollen – ebenso auf der Liste von Parteichef Meuthen. Drei AfD-Politiker, drei Listen. Die Namen auf den Listen wiederholen sich. Der belgische Manager aus Conles Firma ist sogar in allen drei Fällen vertreten.
Ein mysteriöser Verein und eine millionenschwere Kampagne
Bei Meuthen und Reil flossen die Spenden über eine ebenfalls in der Schweiz ansässige Werbeagentur namens Goal AG. Das hatten CORRECTIV und Frontal 21 2017 aufgedeckt und damit die Spendenaffäre ins Rollen gebracht. Die Goal AG hatte zumindest früher geschäftliche Beziehungen zu dem „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“, der mehrere Wahlkämpfe der AfD 2016 und 2017 unterstützend flankierte, Werbeflächen für Plakate mietete, Großplakate drucken ließ und Zeitungen in Millionenauflage verteilte. Das Volumen der Hilfen wird auf einen zweistelligen Millionenbetrag geschätzt. Welche Geldgeber diese substanzielle Unterstützung im Wahlkampf möglich machten, ist bis heute unklar. Die AfD hält an der Behauptung fest, mit dem Verein und seinen Aktionen nichts zu tun zu haben.
DIE AFD-Spendenaffäre
Es ist wohl die gefährlichste Spendenaffäre in unserer Republik. Seit 2015 gewinnt die AfD Wahlen in Deutschland. Von Beginn an wird der Siegeszug der AfD von einer millionenschweren Unterstützerkampagne begleitet. Unsere Recherchen haben gezeigt, dass das deutsche Parteiengesetz dringend reformiert werden muss.
Aber auch hier gibt es eine personelle Überschneidung, die in die Nähe Conles zu führen scheint: Hans S., ein pensionierter Notar aus Sonthofen im Allgäu, ist als Gründungsmitglied des Unterstützer-Vereins eingetragen. Auch auf Meuthens Liste mit angeblichen Spendern steht der Name des Notars. Gut möglich, dass er tatsächlich für Meuthens Wahlkampf gespendet hat. Allerdings soll auch der Rentner im Allgäu eine Verbindung zu Conle haben. Aus Handelsregister-Auszügen geht hervor, dass Henning Conle in den 1970er Jahren mit seinem Wohnsitz in der Nachbargemeinde Fischen gemeldet war. Eine Notarin, die dessen Amt in Sonthofen übernahm, führte für die Familie Conle Beurkundungen durch. S. hat sich auf Anfrage nicht geäußert.
Wer persönlich korrupt ist, wird für den Wähler wertlos
Die Recherchen von CORRECTIV und Frontal 21 zeigen, dass sich die geheimen Absprachen zwischen Mitgliedern der Partei und ominösen Geldgebern bis ins Jahr 2015 zurückverfolgen lassen. Frauke Petrys Aussagen machen – sofern sie zutreffen – öffentlich, wie der Milliardär Henning Conle auf höchster Ebene nach Zugängen zu der Partei gesucht hat, über die er den Aufstieg der Partei finanziell befördern könnte, ohne selbst in Erscheinung zu treten.
„Damals hatte ich das Gefühl, dass mir bei dem Vorgehen oder bei den offensichtlichen Ideen Conles nicht wohl war“, sagt Petry, „aber für mich war immer klar und das habe ich auch deutlich gemacht: Legale Unterstützung ist in Ordnung, denn das Parteienrecht bietet dafür genug Möglichkeiten. Illegale kamen überhaupt gar nicht in Frage.“ Henning Conle äußert sich hierzu nicht. Vorstellbar ist zugleich auch, dass es noch andere Schattenmänner gab.
Anonymer briefkasten
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Den Machtkampf gegen Jörg Meuthen, damals ihr Co-Vorsitzender, hat Petry verloren; aus der AfD ist sie längst ausgetreten. Die Partei ist jetzt eine andere, das bekommt nun auch Meuthen zu spüren, der derzeit unter Beschuss steht. Inzwischen ist die AfD in weiten Teilen in den Rechtsextremismus abgedriftet und ins Visier des Verfassungsschutzes gerückt. Wie Petry es sieht, hat das eine mit dem anderen zu tun. Denn es gab AfD-Politiker, die verdeckte Spenden erhielten. Damit hätten sie der Partei schwer geschadet: „Wer persönlich korrupt ist, ist für den Wähler wertlos geworden, weil er selbst politisch manövrierunfähig wird“, sagt die Ex-AfD-Bundessprecherin, „weil er immer in der Schuld eines Dritten steht, der von außen für den Wähler gar nicht sichtbar ist.“
Meuthen klagt über Geldnot
Wenn die Berichte über die Treffen mit Conle zutreffen, könnte es für Meuthen heikel werden. Der AfD-Vorsitzende brauchte in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 offenbar Geld für seinen Wahlkampf, wie Chatprotokolle von Textnachrichten nachweisen, die CORRECTIV und Frontal 21 vorliegen: „Ich kann mich erinnern, dass er irgendwann im Herbst in großer Sorge darüber war, ob er tatsächlich als Spitzenkandidat in Baden-Württemberg würde antreten können, weil ihm dazu die nötigen Finanzen fehlen“, sagt Frauke Petry.
Meuthen selbst antwortet nicht auf die Fragen von CORRECTIV und Frontal21. Doch es liegen eine Reihe von Textnachrichten von Meuthen an seine Amtskollegin vor, die seine damalige Zwangslage illustrieren:
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schreibt er am 11. November, einige Stunden später drängt er:
und weiter:
Am Folgetag textet Meuthen wieder.
Ein spendabler Arzt in Karlsruhe?
Auch ein weiterer ehemaliger Parteikollege bestätigt, dass Meuthen im Vorfeld der Landtagswahl in Baden-Württemberg, öfter über Geldprobleme sprach: „Das Interessante an diesem Wahlkampf, im Dezember 2015, war es, dass Jörg Meuthen im Vorfeld immer wieder geklagt hat über seine finanzielle Situation“, sagt Ralf Özkara, Ex-Landessprecher der AfD in Baden-Württemberg und zeitweilig Meuthens Büroleiter: „Er hatte also finanzielle Sorgen. Und es war immer ein Thema der Wahlkampffinanzierung.“
Wie es scheint, waren Geldprobleme plötzlich im Dezember kein großes Thema mehr. Am Rande einer Wahlkampfveranstaltung sei Meuthen zu ihm gekommen, sagt Özkara, und habe ihm einen Scheck über 5.000 Euro überreicht. Das war nach dem laut Petry im Dezember angegebenen angeblichen Treffen zwischen Meuthen und ihr mit Conle in Küsnacht. Und inzwischen war auch die millionenschwere Kampagne der Goal AG und des „Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“ angelaufen.
„Er hat mir damals gesagt, er hätte das Geld von seinem Arzt aus Karlsruhe“, sagt Özkara. Der Betrag sei für seinen Wahlkampf gedacht gewesen, Özkara sollte ihn bei seinem Kreisverbandskonto einreichen. Wer war dieser Arzt? Ist er wirklich der Gönner? Warum hat er nicht unter seinem Namen gespendet? Könnten die Gelder womöglich aus einer anderen Quelle stammen? Meuthen äußert sich auf Anfrage von CORRECTIV und Frontal 21 nicht dazu. Özkara hat CORRECTIV und Frontal 21 über diesen Vorfall eine eidesstattliche Versicherung abgegeben.
Fest steht, dass so eine Spende rechtswidrig wäre, sagt die Parteienrechts-Expertin Sophie Schönberger: „Selbst wenn die Geschichte so tatsächlich stimmt, wäre das eine illegale Parteispende.“ Es sei unerheblich, ob der Arzt oder ein anderer Gönner das Geld an Meuthen gegeben hat. Sofern es nicht sein eigenes Geld war, wäre es „eine illegale Parteispende“. Meuthen hat auf Anfragen dazu nicht geantwortet und in Telefonaten eine Stellungnahme dazu verweigert.
Was hat sich zwischen November 2015 und dem Frühjahr 2016 verändert? Meuthen lässt die Fragen unbeantwortet. Aber vieles scheint gegen Ende des Jahres in Bewegung gekommen zu sein. Meuthen war in der Lage, einen aufwendigen Wahlkampf zu führen. Über die Goal AG soll Unterstützung im Wert von rund 90.000 Euro geflossen sein. Woher das Geld tatsächlich stammte, weiß die Öffentlichkeit bisher nicht; vieles ist noch unklar.
Angst, so soll es Henning Conle beim Kennenlerntreffen im Oktober 2015 zu Frauke Petry gesagt haben, sei der stärkste Antrieb des Menschen, so erinnert sie sich zumindest.
Angst war auch das Leitmotiv der Plakatkampagne des „Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“, die Anfang 2016 vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zum ersten Mal auffiel: Die Plakate zeigten Frauen in Angst, dazu lauernde Einbrecher und Schemen anonymer Männergruppen in einer nächtlichen Stadt.
»Hochgefährlich«
Zwischen Frauke Petry und Henning Conle kam es wenig später offenbar zum Bruch. Am Ende wurde der Ton schärfer. Petry will dem Milliardär vorgeworfen haben, das fragile Kräfteverhältnis in der Partei aus dem Gleichgewicht zu bringen: „Beim letzten Treffen im Mai 2016 habe ich ihm davon berichtet, dass eine illegale Unterstützung der Partei oder eine Finanzierung an den offiziellen Wegen vorbei, schädlich für die Partei wäre, weil sie am Ende dazu beiträgt, das Machtgefüge zu stören“, sagt sie. „Und das hielt ich für hochgefährlich.“
In der Zeit, über die sie spricht, war sie Parteivorsitzende der AfD und damit auch für die Vorgänge in der Partei mitverantwortlich. Sie selbst ist inzwischen ausgestiegen und hat nicht mehr viel zu verlieren. Ihr geht es jetzt um ihren Ruf. Sie sagt, viele Zusammenhänge seien ihr erst später klar geworden: „Ich muss im Nachhinein feststellen: Das, was für mich ein Tabu war, illegale Spenden anzunehmen, war für andere offenbar kein solches“, sagt sie. „Und wie wir heute wissen, haben Jörg Meuthen und Alice Weidel Spenden angenommen und haben sich dadurch nicht nur persönlich erpressbar gemacht.“ Aus Petrys Sicht hatte das fatale Folgen für die Partei: Meuthen und Weidel hätten, sagt sie, „ob bewusst oder unbewusst durch ihre persönliche Korruptheit am Ende auch dem Flügel an die Macht verholfen.“
Die AfD-Spendenaffäre setzt sich aus vielen Puzzleteilen zusammen. Ob die einzelnen Stücke ein Ganzes ergeben, ist nach wie vor nicht klar. Ein Zusammenhang zwischen den einzelnen anonymen Zahlungen lässt sich nicht belegen. Für Verbindungen von Conle zur Goal AG und dem „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“ gibt es Hinweise und auffällige Parallelen, aber keine Beweise. Weder der Verein noch die Werbeagentur haben sich auf Anfrage geäußert.
Henning Conle lässt alle Fragen dazu unbeantwortet. Der verschwiegene Milliardär bleibt im Schatten.
Die gemeinsame Recherche „Der AfD-Schattenmann“ wird am 9. März 2021, 21 Uhr bei Frontal 21 im ZDF ausgestrahlt. Zur Sendung
Update vom 12.04.22. Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 07.04.22 im Berufungsverfahren mussten wir einen Aspekt zu den Spenderlisten verändern, die die AfD aus der Schweiz erhalten und an die Bundestagsverwaltung weitergeleitet hatte, und auf denen sich später Strohleute fanden. Die AfD sagt, dass ihr das nicht bekannt gewesen sei.
Der Milliardär Henning Conle bot nach Recherchen von CORRECTIV und Frontal 21 der AfD-Spitze im Jahr 2015 bei gemeinsamen Treffen anonyme finanzielle Unterstützung an. Die damalige Parteivorsitzende Frauke Petry äußert sich exklusiv im Interview mit CORRECTIV und dem ZDF-Magazin Frontal21 über mehrere Treffen in Leipzig und Zürich mit dem Immobilienunternehmer. „Mein Eindruck war, dass Henning Conle die AfD unterstützen wollte, dass er letztlich dabei nicht persönlich in Erscheinung treten wollte“, sagt Petry gegenüber CORRECTIV und Frontal21.
Henning Conle ließ den Fragenkatalog von CORRECTIV und Frontal21 dazu unbeantwortet.
Wie Dokumente der Bundestagsverwaltung zeigen, hat Conle anderthalb Jahre nach dem Treffen mit Frauke Petry im Jahr 2017 über verdeckte Wege dem Kreisverband der AfD-Politikerin Alice Weidel 132.000 Euro gespendet. Mehrere Medien hatten bereits über Spuren der AfD zu Conle berichtet. Personen aus seinem Umfeld tauchen auch bei einer weiteren aufgedeckten illegalen Spende an Jörg Meuthen auf. Die Aussagen Petrys zeigen nun, dass der Milliardär anscheinend schon früh intensiv Kontakt zur Parteispitze suchte und anonyme Spendenwege sondierte. Bislang hat Henning Conle zu den Vorgängen nie öffentlich Stellung genommen.
Bei einem der Treffen im Dezember 2015 in Küsnacht bei Zürich mit Conle sei neben Petry auch der jetzige Parteichef Jörg Meuthen dabei gewesen, sagt Petry. Das legt auch eine Kurznachricht nahe, die den Redaktionen vorliegt. „Montag Zürich klappt bei mir, LG Jörg“, hatte ihr AfD-Vizechef Jörg Meuthen vor dem Treffen per SMS mitgeteilt. Bei diesem und weiteren Treffen zwischen Oktober 2015 und Mai 2016 sei es laut Petry um Angebote für verdeckte Unterstützungsleistungen Conles für die AfD gegangen.
Wenn die Aussagen von Frauke Petry zutreffen, könnte das Angebot von Conle brisant sein. Die Parteienrechtlerin der Universität Düsseldorf, Sophie Schönberger, sagt dazu: „Wenn jemand an eine Partei herantritt, so wie Herr Conle es offensichtlich gemacht hat und sagt, er möchte spenden, aber nur anonym, dann ist das auf eine illegale Handlung gerichtet. Denn Parteispenden dürfen nicht anonym erfolgen.“
Frauke Petry war als damalige Parteivorsitzende mitverantwortlich für die Entscheidungen der Partei. Nun äußert sie sich erstmals öffentlich über den Anfang des Spendenskandals. Für sie sei es ein Tabu gewesen, illegale Spenden anzunehmen, sagt Petry, „Wie wir heute wissen, haben Jörg Meuthen und Alice Weidel Spenden angenommen und haben sich dadurch nicht nur persönlich erpressbar gemacht.“
Ab Anfang des Jahres 2016 kamen die millionenschweren Kampagnen des „Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“ und der Schweizer Werbeagentur Goal AG für Jörg Meuthen und den AfD-Politiker aus Essen, Guido Reil, in Gang. Sowohl bei dem Verein als auch bei der Spende der Schweizer Agentur tauchen Personen aus dem Umfeld Conles auf.
„Im Moment mehren sich die Indizien, dass es möglicherweise keine verschiedenen Spenden sind, sondern eine einzige große Spendenaffäre ist, hinter der Conle steckt“, sagt Schönberger. Sollte sich das bewahrheiten, könnten weitere Strafzahlungen auf die AfD zukommen, sagt die Parteienrechtlerin.
Wenn die Treffen zwischen Petry, Meuthen und Conle zutreffen, könnte das für den heutigen AfD-Sprecher Jörg Meuthen aus einem anderen Grund heikel werden. Er hatte bislang die Auskunft verweigert, ob er von Conle Geld bekommen hat und schweigt auch zu der Anfrage von CORRECTIV und Frontal21.
Sein früherer Büroleiter Ralf Özkara sagte im Interview, dass der AfD-Chef ihm im Dezember 2015, also kurz nach der Reise nach Zürich, Geld für den Landtagswahlkampf übergeben habe. „Ich habe von Professor Meuthen einen Scheck über 5000 Euro erhalten“, bestätigt Özkara gegenüber Frontal21 und CORRECTIV, „obwohl er im Vorfeld eigentlich immer über finanzielle Nöte für den Wahlkampf klagte.“ Özkara habe dann den Scheck auf das Konto des Kreisverbandes der AfD eingezahlt, schreibt der ehemalige Vertraute Meuthens in einer eidesstattlichen Versicherung.
Tatsächlich hatte Meuthen auch in Textnachrichten an Petry, die Frontal21 und CORRECTIV vorliegen, auf seine Geldnot hingewiesen: „Ich kann ohne eigenes eingebrachtes Geld im Wahlkampf nicht gewinnen“, schrieb Meuthen im November 2015.
Bei der baden-württembergischen Landtagswahl im März 2016 bekam Meuthen Wahlkampfunterstützung im Wert von rund 90.000 Euro aus zunächst unbekannter Quelle. Auf Nachfrage der Bundestagsverwaltung gab die AfD erst an, die Spende stamme von der Schweizer Goal AG, dann legte die Partei eine Liste von angeblichen Spendern vor. Die Spender erwiesen sich überwiegend als Strohleute. Darunter befand sich auch ein belgischer Mitarbeiter einer Firma von Henning Conle. Auf Nachfrage, ob das Geld von Conle stamme, gab Meuthen keine Auskunft. Die AfD muss wegen dieser Spende eine Strafe von 269.400 Euro zahlen.
Auch die AfD-Fraktionschefin im Bundestag, Alice Weidel, bekam illegale Unterstützungsgelder in Höhe von 132.000 Euro. Eine Liste von angeblichen Spendern, die die AfD bei der Bundestagsverwaltung einreichte, stellte sich ebenfalls als überwiegend falsch heraus. Wie im Fall Meuthen befand sich unter den angegebenen Personen wieder der Conle-Mitarbeiter aus Belgien. Aus Sicht der Bundestagsverwaltung stand Henning Conle hinter den Spenden. Das gehe aus Schweizer Bankunterlagen hervor. Die AfD muss für die Annahme dieser illegalen Spende rund 400.000 Euro Strafe zahlen. Die AfD hat gegen den Bescheid geklagt. „Hier haben wir tatsächlich genau den Fall, dass die Ankündigung, die da offensichtlich stattgefunden hat, in die Tat umgesetzt wurde. Conle hat versucht, an die AfD zu spenden und dabei aber seinen Namen rauszuhalten“, sagt die Parteienrechtlerin Sophie Schönberger gegenüber CORRECTIV und Frontal 21.
Frauke Petry wirft ihren früheren Parteifreunden nun vor, illegale Spenden angenommen zu haben: „Was Alice Weidel und aber auch zahlreiche andere ganz offensichtlich nach Recherchen dann nach meinem Treffen mit Herrn Conle getan haben, das war eben genau die Bereitschaft, illegale Spenden anzunehmen und sich dadurch persönlich einen Vorteil zu verschaffen“, so Petry gegenüber Frontal 21 und CORRECTIV.
Die gemeinsame Recherche „Der AfD-Schattenmann“ wird am 9. März 2021, 21 Uhr bei Frontal 21 im ZDF ausgestrahlt. Zur Sendung
Recherche: Gabriela Keller, Justus von Daniels, Marcus Bensmann, Ulrich Stoll
Text: Gabriela Keller, Justus von Daniels, Marcus Bensmann
Faktencheck: Frederik Richter
Design: Benjamin Schubert
Animation: Ali Soozandeh / ZDF