Australische Arzneimittelbehörde erklärte PCR-Tests nicht für sinnlos
In Sozialen Netzwerken verbreitet sich ein Blog-Artikel, in dem behauptet wird, die australische Arzneimittelbehörde habe „zwei Jahre Betrug am Volk“ zugegeben und verkündet, dass PCR-Tests nicht aussagekräftig seien. Aber eine derartige Äußerung der Behörde existiert nicht.
Die australische Arzneimittelbehörde TGA (Therapeutic Goods Administration) habe „zwei Jahre Betrug am Volk“ zugegeben, heißt es in der Überschrift eines Artikels der Seite Report24. Die Behörde habe in ihrer Antwort auf die Anfrage eines Senators eingestanden, dass „die Aussagekraft des PCR-Tests in Wahrheit gegen null tendiert“. Denn ein PCR-Test prüfe auf das Vorhandensein von Erbmaterial eines Virus in einer Probe – und nicht darauf, ob tatsächlich eine Infektion vorliege.
Die Behauptung verbreitet sich tausendfach auf Telegram und Facebook, auch als Video. Als Beleg soll ein Schreiben des Gesundheitsministeriums dienen – darin steht aber nicht, dass PCR-Tests keine Aussagekraft hätten.
Dass PCR-Tests das Vorhandensein von Erbgut untersuchen, wird im Artikel als vermeintliche Enthüllung dargestellt. Dieser Fakt ist jedoch seit langer Zeit bekannt und bedeutet nicht, dass der Test „sinnlos“ wäre, wie Report24 behauptet. Darüber haben wir bereits in mehreren Faktenchecks (etwa hier und hier) berichtet.
Australische Gesundheitsbehörde bezeichnete PCR-Tests nicht als aussagelos
Als Belege für die Behauptung werden im Artikel von Report24 eine parlamentarische Anfrage des Senators Gerard Rennick und die schriftliche Antwort des australischen Gesundheitsministeriums zitiert.
Rennick, Senator der Liberalen Partei Australiens, hat die Antwort auf seine Anfrage selbst auf Facebook veröffentlicht. Die Anfrage vom 5. November 2021 und die Antwort vom 31. Januar 2022 sind auf der Webseite des australischen Parlaments zu finden. Rennick fragte, ob PCR-Tests den Unterschied zwischen „lebenden und toten Viren“ feststellen können.
Das Gesundheitsministerium, dem die TGA untersteht, antwortete: „PCR-Tests sind zwar hochsensitiv und weisen das genetische Material des SARS-CoV-2-Virus nach, sie können aber nicht zwischen dem lebenden und toten Virus unterscheiden. (…) Manchmal, wenn das Virus nicht mehr aktiv ist und nicht mehr lebt und sich nicht mehr vermehrt, können virale genetische Fragmente durch PCR nachgewiesen werden und schwach positive Ergebnisse liefern.“
In der Antwort steht nicht, dass PCR-Tests sinnlos seien. Im Gegenteil: Das Gesundheitsministerium betont, dass PCR nach wie vor der Standardtest für die Diagnose einer Covid-19-Infektion sei.
Was bedeutet es, dass PCR-Tests keine „lebenden“ von „toten“ Viren unterscheiden können?
PCR steht für Polymerase-Ketten-Reaktion, einem Standardverfahren zur Untersuchung der Erbsubstanz von Viren. Hierbei werden im Labor spezifische Sequenzen des Erbguts (RNA) eines Virus in einer Probe isoliert und über mehrere Zyklen vervielfältigt, um nachweisen zu können, ob Erreger vorhanden sind. Im Fall von SARS-CoV-2 handelt es sich bei der Probe in der Regel um einen Abstrich aus der Nase oder dem Rachen.
Wenn von „lebenden“ Viren die Rede ist, dann ist gemeint, dass das Virus sich vermehren kann.
Friedemann Weber, Direktor am Institut für Virologie der Justus-Liebig-Universität in Gießen, schrieb uns dazu auf Anfrage: „PCR kann tatsächlich nicht erkennen, ob ein Genmaterial von einem sich vermehrenden Virus stammt oder nicht. Allerdings muss das Genmaterial ja irgendwie mal produziert worden sein. Und das kann eigentlich nur von einer Infektion stammen.“ Beim Ausklingen einer Infektion könne das PCR-Signal tatsächlich auf Partikel zurückgehen, die zum Beispiel vom Immunsystem inaktiviert worden seien. „Aber auch da muss man zuvor eben infiziert gewesen sein“, schrieb uns Weber.
Ein positiver PCR-Test zeigt mit 98-prozentiger Wahrscheinlichkeit eine Infektion
Wird über das PCR-Verfahren das Erbgut des Virus in einer Probe nachgewiesen, liegt laut Bundesministerium für Gesundheit mit 98-prozentiger Wahrscheinlichkeit eine Infektion mit dem Virus vor. Wie wir bereits in früheren Faktenchecks erklärt haben, bedeutet dies nicht, dass die betreffende Person zwangsläufig zum Zeitpunkt des Tests krank oder ansteckend (infektiös) sein muss.
Aufgrund der Tatsache, dass sie das Genmaterial des Virus nachweisen, können PCR-Tests in manchen Fällen noch mehrere Wochen nach Symptombeginn positive Ergebnisse liefern. Das RKI schreibt hierzu: „In Einzelfällen konnte virales Erbmaterial bis zum Tag 42 nach Symptombeginn nachgewiesen werden.“
Wenn der Test positiv ausfällt, ist es aber wahrscheinlich, dass die Person entweder ansteckend ist, es in der Vergangenheit war oder noch werden wird. In der Praxis werden aktuell meistens Personen mit dem PCR-Verfahren getestet, die bereits vorher einen positiven Antigen-Schnelltest hatten.
Gesundheitsministerium in Australien wies schon im März 2020 auf Eigenschaften des PCR-Tests hin
Dass PCR-Tests eine Infektion mit einem Virus und nicht dessen Vermehrungsfähigkeit und somit die Infektiosität des Patienten nachweisen, wurde von den australischen Behörden zuvor auch nicht verheimlicht, wie der Artikel von Report24 suggeriert. Bereits im März 2020 hatte das australische Gesundheitsministerium darauf hingewiesen, dass die Testform nicht zwischen „lebenden“ und „nicht-infektiösen“ Viren unterscheiden kann.
Der Unterschied zwischen Infektion und Infektiosität hat seit Pandemiebeginn schon häufig zu Missverständnissen und Falschinterpretationen geführt. Im November 2020 kursierte beispielsweise eine ganz ähnliche Behauptung: Der Berliner Senat habe angeblich bestätigt, dass PCR-Tests „Betrug“ seien, da die Tests nicht zwischen einem vermehrungsfähigen Virus und einem nicht-vermehrungsfähigen Virus unterscheiden können.
Die Eigenschaften von PCR-Tests werden zum Beispiel in Deutschland von Behörden bei der Entscheidung, ob eine positiv getestete Person sich in Quarantäne begeben muss, auch berücksichtigt. PCR-Testergebnisse müssen immer von Fachleuten interpretiert werden. Das ist kein Beleg dafür, dass PCR-Tests sinnlos seien.
Redigatur: Viktor Marinov, Alice Echtermann
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- Antwort des australischen Gesundheitsministeriums auf die Anfrage von Senator Gerard Rennick, 31. Januar 2022: Link
- Information for Clinicians: Frequently Asked Questions, Australisches Gesundheitsministerium, März 2020: Link