Im Namen der deutschen Entwicklungspolitik: Investitionen in fossile Energien
Die deutsche Entwicklungsbank DEG vergibt Milliarden an Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländern. Eine Auswertung zeigt nun erstmals, wie von dieser Entwicklungshilfe – unterstützt von der Bundesregierung – die klimaschädliche fossile Industrie profitiert. Und wie oft Geld in Steueroasen fließt.
26 Millionen Dollar für den Ausbau einer der größten Erdölraffinerien Ägyptens. Investitionen in Banken, die an Kohle- und Gaskraftwerken mitverdienen. Beteiligungen an Fonds und Unternehmen, die jährlich Hunderte Millionen Euro in Steueroasen lenken: Verantwortlich für diese fragwürdigen Investitionen ist die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH, kurz DEG genannt. Im Auftrag der Bundesregierung vergibt die DEG jährlich Kredite und investiert in Milliardenhöhe in Entwicklungs- und Schwellenländern.
Laut dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, das für die DEG zuständig ist, engagiert sich die Bank dabei ausschließlich in Projekten, die „entwicklungspolitisch sinnvoll sowie umwelt- und sozialverträglich sind“. Das Geld erhalten Unternehmen, Banken und Fonds. Doch wie sozial- und umweltverträglich die DEG tatsächlich im Alltagsgeschäft agiert, ist fraglich.
Die DEG wurde 1962 als bundeseigene Gesellschaft gegründet. Seit 2001 ist die DEG eine hundertprozentige Tochter der staatlichen KfW-Gruppe. Die KfW ist eine Förderbank und eine der führenden Entwicklungsbanken der Welt. Laut Satzung verfolgt die DEG ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Die Bank ist somit steuerbegünstigt. Im Jahr 2022 investiert die DEG nach eigenen Angaben rund 9,9 Milliarden Euro in 80 Ländern. 2021 lag der Gewinn bei 216 Millionen Euro.
Denn neben erneuerbaren Energien oder landwirtschaftlichen Projekten fördert die DEG auch den Ausbau fossiler Energien. Im Portfolio der Entwicklungsbank finden sich Unternehmen, Fonds sowie Banken, die in den Ausbau von Kohle, Öl und Gas investiert haben und nach wie vor investieren. Das zeigt eine Recherche von CORRECTIV zu den Beteiligungen und Investitionen der DEG in den Jahren 2014 bis 2021. Dafür stellte das Netzwerk Steuergerechtigkeit vorab Ergebnisse aus einer neuen Studie bereit.
Diese Ergebnisse stehen im Widerspruch zu bestehenden Klimaabkommen. Trotzdem wird die Entwicklungsbank dabei weiterhin von der Bundesregierung unterstützt. Auch hier gibt es Krach in der Ampel zwischen FDP, Grünen und SPD. Denn die Koalitionspartner sind sich offensichtlich nicht einig über die Frage, wie die deutsche Klimaaußenpolitik künftig aussehen soll.
DEG finanziert Ausbau von fossilen Energien
Die DEG ist eine Tochter der deutschen KfW-Förderbank. Aktuell verwaltet die DEG ein Portfolio von knapp zehn Milliarden Euro, davon 750 Millionen Euro aus der Staatskasse. Den Rest erwirtschaftet die Bank selbstständig am Kapitalmarkt. Unklar ist, wie viel Geld in den vergangenen Jahren bereits in die fossile Industrie geflossen ist.
Die DEG teilt dazu auf CORRECTIV-Anfrage mit, zwischen 2014 und 2021 für vier Gaskraftwerke Darlehen in Höhe von 119 Millionen Euro bereitgestellt zu haben. Neue Investitionen in Kohle und Öl seien nicht zugesagt worden. Doch ein Blick ins Portfolio zeigt, dass die DEG in den vergangenen Jahren indirekt Mittel zur Verfügung gestellt hat, mit denen auch der Ausbau fossiler Energien vorangetrieben wurde – und an denen die DEG bis heute mitverdient.
Wie diese indirekten Investitionen aussehen können, zeigt ein Geschäft der DEG aus dem Jahre 2010. Damals kaufte die Bank für rund 20 Millionen Dollar Anteile an dem indonesischen Fonds „Indonesia Infrastructure Finance“. Neben dem Bau von Straßen, Flughäfen und Wasserkraftwerken finanziert der Fonds auch den Ausbau von Offshore-Plattformen für die Erdgasförderung sowie die Produktion von Diesel und Benzin. Für 2021 liegt der Gewinnanteil der DEG bei rund 400.000 Dollar.
Ein weiteres Beispiel: Die DEG hält seit 2005 für rund zwei Millionen Euro Anteile an der chinesischen Sichuan Tianfu Bank. Die Sichuan Tianfu Bank wird in der Datenbank Coal Exit List der deutschen Umweltorganisation Urgewald genannt. So hält die Bank unter anderem geschäftliche Beziehungen zu einem Unternehmen, zu dessen Portfolio auch der Kohlebergbau gehört. Das geht aus einer Analyse von Urgewald hervor. Für das Jahr 2021 liegt der Gewinnanteil der DEG bei rund 13,5 Millionen Euro.
Gaskraftwerk mit DEG-Beteiligung: Drei Millionen Tonnen CO2
Auch aktuell investiert die DEG Geld in die fossile Industrie; das zeigt ein Blick an die Elfenbeinküste: Dort baut der französische Energiekonzern Eranove ein Erdgaskraftwerk, das voraussichtlich 2024 seinen Betrieb aufnehmen soll. Seit 2021 ist auch die DEG indirekt beteiligt an dem Konzern, der neben dem Gaswerk an der Elfenbeinküste noch eine Reihe weiterer Gaskraftwerke betreibt und im vergangenen Jahr über drei Millionen Tonnen C02 produzierte. Davon 67 Prozent für den Erdgaskonsum.
Das Geschäft macht deutlich, wie schwierig es ist, die Geldströme der DEG nachzuvollziehen: Wie viel Geld die DEG in das Projekt gesteckt hat, ist weder im Geschäftsbericht noch auf der Website aufgeführt. Auf Anfrage teilt die DEG mit, das Projekt mit einem Darlehensbetrag in Höhe von 24 Millionen Euro unterstützt zu haben.
Trotz Klimaabkommen: Investitionen in fossile Energien gehen weiter
Zwar will die deutsche Entwicklungsbank bis 2040 klimaneutral werden und hat sich dazu verpflichtet, keine neuen Kohlekraftwerke und Ölförderungen mehr finanzieren zu wollen. Doch die KfW-Gruppe, zu der auch die DEG gehört, gibt noch einen anderen Weg vor: Der Bau neuer Diesel- und Ölkraftwerke soll bis 2024 unter bestimmten Bedingungen vorangetrieben werden. Das Gleiche gilt für Gaskraftwerke. Und die Bankengruppe plant offenbar, Finanzierungen im Öl- und Erdgasbereich fortzusetzen, die „nicht kompatibel mit dem 1,5-Grad-Pfad“ sind. So sollen Pipelines ausgebaut werden und Infrastruktur für Flüssiggas. Als Beitrag zur „Energieunabhängigkeit“ und als Ersatz russischer Energieträger, wie es in einem internen KfW-Dokument heißt, in dem die Investitionspläne der KfW vorgestellt werden und das die Deutsche Umwelthilfe veröffentlicht hat.
Diese Pläne stehen den UN-Klimarahmenkonventionen aus dem Jahr 2021 entgegen. Demnach sollte Deutschland eigentlich schon bis Ende 2022 nicht mehr in fossile Brennstoffe im Ausland investieren.
Trotzdem will die KfW offenbar an ihren Plänen zum weiteren Ausbau der fossilen Industrie festhalten. Die Bank teilt auf CORRECTIV-Anfrage mit, dass die Sektorleitlinien für Öl und Gas noch in Abstimmung seien, „auch vor dem Hintergrund des völkerrechtswidrigen Krieges in der Ukraine.“
Claudia Kemfert, Wirtschaftswissenschaftlerin und Energie-Expertin, kritisiert das Vorhaben der KfW-Gruppe. „Das geht in die falsche Richtung. Wir sehen im aktuellen IPCC-Bericht, dass wir keine fossilen Investitionen mehr zulassen dürfen.” Das gelte auch für den Ausbau von Gaskraftwerken. „Da werden große Infrastrukturen gebaut für den Import auf den europäischen Markt. Dass diese Abhängigkeit nicht sinnvoll ist, haben wir gerade erst gesehen.“
Auch Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, sieht die KfW-Pläne kritisch. „Die Pläne der KfW öffnen Tür und Tor für fossile Investitionen.“ Sollten Finanzierungen im Öl- und Gasbereich bis Ende 2024 finanziert werden, könnte dies dazu führten, das „alle fossilen Projekte in die kommenden zwei Jahre gepackt werden, um noch in das Finanzierungsfenster zu kommen“, befürchtet Müller-Kraenner.
KfW will an Plänen trotz Einwänden festhalten
Wie die KfW intern zur weiteren Förderung von fossilen Energien steht, lässt sich auch über die Plattform LinkedIn nachvollziehen. Dort teilte Christiane Laibach, Mitglied im Vorstand der KfW, ihre Zustimmung für die Erschließung eines neuen Gasfeldes im Senegal, mit deutscher Unterstützung: „Senegal kann mit der Erschließung seiner Gasvorkommen ein Baustein unserer Energiesicherheit werden.“
Rückendeckung für die Pläne der KfW kommt auch von der Bundesregierung. Oder zumindest von Teilen der Ampel-Regierung. Denn über die Frage, wie künftig mit klimaschädlichen Investitionen umgegangen werden soll, gibt es Streit in der Koalition, wie es aus Kreisen der Grünen im Bundestag heißt. Im Zentrum der Meinungsverschiedenheit steht die Frage, wie die Klimaaußenpolitik der Bundesregierung künftig aussehen soll und ob fossile Brennstoffe auch langfristig gefördert werden sollen oder nicht.
Während das Bundeswirtschaftsministerium auf CORRECTIV-Anfrage mitteilt, an einem Ausstieg aus der Finanzierung fossiler Energien bis Januar 2023 festhalten zu wollen, stellt sich das Bundesfinanzministerium hinter die Pläne der KfW: Erdgas bleibe beim Erreichen von Treibhausgasneutralität bis 2045 unverzichtbar, heißt es auf CORRECTIV-Anfrage. Die Sicherung der Energieversorgung „infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine“ müsse neu bewertet werden. „Aspekte der Energieversorgungssicherheit und Klimaschutz sind dabei abzuwägen und müssen sinnvoll in Einklang gebracht werden.“
Zu einem möglichen Zeitplan für einen Ausstieg aus Öl und Gas äußerte sich das Ministerium nicht. Wie der Machtkampf in der Koalition entschieden wird, bleibt daher offen und damit auch die Frage, wer sich am Ende durchsetzt: Die deutsche Energiesicherheit oder der Klimaschutz.
Experte kritisiert Investitionen in Steueroasen
Nicht nur die fossilen Industrien profitieren von den Investitionen der DEG. Eine Auswertung durch das Netzwerk Steuergerechtigkeit zeigt weiter, wie schwierig es ist, die Geldströme der DEG zu verfolgen. Allein im Jahr 2021 flossen mehr als die Hälfte der DEG-Beteiligungen in Fonds und Unternehmen und in Steueroasen. In beiden sind Geldflüsse besonders intransparent. Netzwerk Steuergerechtigkeit beziffert den Eigenanteil der DEG an Fonds und Beteiligungen mit Sitz in Steueroasen mit rund 1,1 Milliarden Euro.
So landet das Geld der DEG auf den Kaimaninseln, Mauritius oder in Singapur. Offizielle Zahlen gibt es bisher nicht. Die Bank gibt sich zugeknöpft: Erst seit vergangenem Jahr veröffentlicht die DEG, wo einzelne Fonds ihren Sitz haben.
Wie problematisch diese Anlagestrategie ist, zeigt ein Blick zurück ins Jahr 2021. Damals machte unter anderem die Süddeutsche Zeitung öffentlich, dass die DEG eine Reihe von dubiosen Banken im Steuerparadies Panama finanzierte. Geschäfte, an denen auch ein mittlerweile straffällig gewordener Milliardär und fragwürdige Unternehmen verdienen.
„Am Ende profitieren die DEG und private Investoren von den Steueroasen“, sagt Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. Grund dafür ist, dass in Steueroasen Regelungen und Abkommen gelten, von denen Anleger profitieren. Davon macht auch die DEG Gebrauch. Zum Nachteil der Länder, in die investiert wird, denn dort wiederum fehlen diese Einnahmen. Der DEG diene diese Steuervermeidung, „wenn auch nur im überschaubaren Umfang als Wachstumsbeschleuniger“ auf Kosten des globalen Südens, kritisiert Trautvetter.
Die DEG teilt dazu auf Anfrage mit, die Bank tätige „keine intransparenten Finanzierungen und nutzt keine Strukturen, die auf Steuervermeidung angelegt sind.“ Dabei halte sich die DEG „strikt an alle Gesetze und relevanten Richtlinien.“ Weiter weist die DEG darauf hin, dass bei jeder Transaktion bereits „vor Zusage, das mitzufinanzierende Unternehmen sowie relevante Partner wie Abnehmer oder Lieferanten mit Blick auf mögliche Anhaltspunkte für Compliance-relevante Handlungen geprüft“ würden.