Faktencheck

Nein, die Bundesregierung will Kinder aus armen Familien nicht in die Prostitution treiben

Angeblich will die Regierung mittels eines Kinderbuchs Kinder aus armen Familien animieren, eine Karriere in der Prostitution anzustreben. Das ist Unsinn. Das Buch war eine Handreichung für Eltern in Berlin, deren Kinder Fragen zu Straßensexarbeit haben. Inzwischen ist es nicht mehr erhältlich.

von Steffen Kutzner

Straßenprostitution
Straßenprostitution ist kein Karriereziel, das die Regierung einkommensschwachen Kindern nahelegt. Ein Kinderbuch, das dafür angeblich Hilfsmittel sein sollte, war lediglich eine Handreichung für Eltern. (Symbolbild: Yui Mok / Empics / Picture Alliance)
Behauptung
Ein Bilderbuch der Regierung, das an Kinder in Berlin verteilt werde, soll Kinder aus einkommensschwachen Familien eine Karriere in der Prostitution nahelegen.
Bewertung
Fehlender Kontext
Über diese Bewertung
Fehlender Kontext. Das Buch existierte schon seit 2013 und war als Handreichung für Eltern gedacht, die ihren Kindern Prostitution erklären wollen. Später wurde es zurückgezogen, weil es in die Kritik geriet und von Eltern kaum genutzt wurde. Laut Bezirksamt Berlin-Mitte wurde es nur an Erwachsene ausgegeben.

Ein „von der Regierung genehmigtes Kinderbuch“ mit dem Titel „Rosie sucht Geld“ soll angeblich Kinder aus armen Familien dazu bringen, eine Karriere in der Prostitution anzustreben. Das behaupten mehrere Menschen auf Telegram und Tiktok und einige Artikel auf dubiosen Webseiten. Angeblich werde das Buch in Berlin an Kinder verteilt, um ihnen die Vorteile der Prostitution aufzuzeigen. Das ist jedoch falsch.

Das Buch wurde weder an Kinder verteilt, noch soll es Kindern die Prostitution schmackhaft machen. Das Buch war als Handreichung für Eltern gedacht, deren Kinder Fragen zu Straßenprostituierten auf der Berliner Kurfürstenstraße und an anderen Orten in Berlin haben. Entwickelt wurde es 2012 von einer Berliner Arbeitsgruppe, in der unter anderem Sozialpädagogen mitarbeiteten. 2013 erschien es, sei aber trotz intensiver Werbung von Eltern kaum genutzt worden, heißt es in einer Pressemitteilung des zuständigen Bezirksamts Berlin.

„Rosie sucht Geld“ wurde der Pressemitteilung zufolge „mit Mitteln aus dem Programm Soziale Stadt der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung“ finanziert.

Bezirksbürgermeisterin betrachtet Buch als „romantisierend“ und will neues Aufklärungskonzept

Aus der Pressemitteilung geht auch hervor, dass das Buch inzwischen zurückgezogen wurde. Es sei „zum Ziel heftiger Angriffe auf Inhalt und Form geworden“. Dass Prostitution darin verharmlost und romantisiert werde, räumte auch die Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Mitte, Stefanie Remlinger im Nachhinein ein. 

Die Geschichte um Kinder, die entgegen der Bitte ihrer Eltern mit der titelgebenden Sexarbeiterin Rosie sprechen, wird aus Sicht der Kinder erzählt, die von Rosie lernen, was beispielsweise Sex ist und was Kondome sind. Das Buch spielt an der Kurfürstenstraße in Berlin-Mitte, der für seinen Straßenstrich bekannt ist.

Auszug aus dem Buch Rosie sucht Geld (Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Am 26. September 2023 veröffentlichte das Bezirksamt Berlin-Mitte die Pressemitteilung, wonach das Buch zurückgezogen werde. Auch die entsprechende Webseite des Bezirksamts soll überarbeitet und „an heutigen Bedarfen ausgerichtet“ werden, heißt es darin. Konkrete Pläne, wie Eltern bei der Aufklärung zum Thema unterstützt werden könnten, gibt es bislang jedoch nicht. Eine Sprecherin des Amts schrieb uns: „Was für eine Form der Auseinandersetzung mit dem Thema in Zukunft stattfinden soll, ist aktuell offen.“

Redigatur: Gabriele Scherndl, Matthias Bau

Korrektur, 17. Oktober 2023: Wir haben die Aussage korrigiert, das Buch „Rosie sucht Geld“ spiele am Kurfürstendamm. Das war falsch – es geht um Prostitution an der Kurfürstenstraße.