Faktencheck

Nein, dieses Bilderbuch mit Abbildungen homosexueller Paare steht nicht auf Lehrplänen an Grundschulen

Ein Bilderbuch mit Zeichnungen zu Homosexualität soll angeblich ein Schulbuch für Grundschüler sein. Das stimmt jedoch nicht: In keinem einzigen Bundesland steht das Buch auf dem Lehrplan.

von Steffen Kutzner

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Dieses Bilderbuch für Kinder gibt es zwar, aber es gehört nicht zur Pflichtlektüre an Grundschulen (Quelle: Telegram; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Ein Foto zeige ein neues Schulbuch für Grundschüler, das auch Homosexualität abbilde.
Bewertung
Größtenteils falsch
Über diese Bewertung
Größtenteils falsch. Das Bilderbuch für Kinder gibt es zwar, aber es ist kein Schulbuch und steht auch nicht auf den Lehrplänen oder Empfehlungslisten der Ministerien.

„Lasst so was Perverses an unseren Kindern nicht zu“, so die homophobe Äußerung eines Telegram-Nutzers, der das Foto eines angeblichen Schulbuchs verbreitet, das Homosexualität abbildet. Es handele sich um ein „neues Schulbuch für Grundschüler“. Die Behauptung kursiert auch in Griechenland, doch sie stimmt nicht.

Zwar gibt es das Bilderbuch tatsächlich, es heißt „Von wegen Bienchen und Blümchen!“ und wird vom EMF Verlag vertrieben, der es für Kinder ab fünf Jahren empfiehlt. Aber in keinem Bundesland ist es als Grundschulbuch zugelassen oder wird von den Ministerien empfohlen. Laut Verlag enthält das Buch „spielerische und moderne Auseinandersetzung mit Themen rund um Aufklärung, Gefühle und Körperwissen“. Anfang 2022 stand es auf der Spiegel-Bestsellerliste. 

Dieses Foto wird in Beiträgen in Sozialen Netzwerken mit Beleidigungen gegen homosexuelle Personen verbreitet, zudem ist die Behauptung, es sei ein neues Grundschulbuch, falsch (Quelle: Telegram; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Bilderbuch steht in keinem einzigen Bundesland auf dem Lehrplan

Wir haben die zuständigen Behörden in allen 16 Bundesländern angefragt, ob es sich um ein Grundschulbuch handelt, sprich, ob das Buch als Schulbuch zugelassen ist oder den Lehrkräften als Lehrmittel empfohlen wird. Von den 16 Bundesländern antworteten uns alle, außer Mecklenburg-Vorpommern; keines davon bestätigte die Behauptung. Das Buch ist weder ein Schulbuch, noch wird es bislang für den Aufklärungsunterricht empfohlen. Das gilt auch für Mecklenburg-Vorpommern. Das Land hat den früheren Schulbuchkatalog abgeschafft; die Schulen entscheiden eigenständig, auf welche Unterrichtsmaterialien zurückgegriffen wird.

Lehrkräfte können also selbst entscheiden, mit welchen Mitteln sie den Lehrplan umsetzen und müssen dafür nicht zwingend auf entsprechend zugelassene Lehrbücher zurückgreifen. So schrieb uns beispielsweise Philipp Bender, stellvertretender Pressesprecher beim Kultusministerium Hessen: „Darüber hinaus können die Schulen ‚sonstige Lehrwerke‘ nutzen, deren Zulassung nicht erforderlich ist. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das vorgenannte Buch auf diesem Weg eingesetzt wird.“ Beschwerden dazu seien jedoch nicht bekannt.  

Schulen und Lehrkräfte entscheiden selbst, wie sie den Lehrplan erfüllen, müssen sich aber an Richtlinien halten

In anderen Bundesländern wiederum, wie etwa in Schleswig-Holstein, gibt es überhaupt keine Schulbuchlisten mehr, auf die die Lehrkräfte primär zurückgreifen müssten. Beate Hinse, stellvertretende Sprecherin des zuständigen Ministeriums in Schleswig-Holstein schrieb uns: „Über die Anschaffung von Lehrbüchern entscheiden die Fachkonferenz der Schule und/oder die Schulkonferenz. Das bedeutet: Den Eltern werden entsprechende Vorschläge gemacht. In der Regel werden die im Rahmen der sexuellen Bildung verwendeten Materialien und Medien vorab auf dem Elternabend vorgestellt.“ 

Dass den Eltern die konkreten Lehrmittel, mit denen der Aufklärungsunterricht stattfindet, präsentiert würden, schreiben uns auch andere Bundesländer, etwa Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.

Obwohl jede Schule und jede Lehrkraft selbst entscheidet, mit welchen Lehrmitteln sie den Aufklärungsunterricht durchführt, gibt es dafür konkrete Richtlinien. So schrieb man uns aus Rheinland-Pfalz, die Lernmittel „müssen einseitige ideologische Festlegungen vermeiden, Multiperspektivität wahren, eine gleichwertige und partnerschaftliche Lebensgestaltung der Geschlechter unter Berücksichtigung der Vielfalt geschlechtlicher und sexueller Identitäten zum Ziel haben“. Der Aufklärungsunterricht soll laut den Richtlinien zum Aufklärungsunterricht der meisten Länder ohnehin Themenschwerpunkte zu Homosexualität enthalten. 

Redigatur: Matthias Bau, Kimberly Nicolaus