Faktencheck

30.000 Euro Sozialhilfe? Alte Falschmeldung über syrische Familie verbreitet sich erneut

Online wird mit einer alten Falschmeldung gegen Geflüchtete gehetzt. Obwohl sie seit 2017 widerlegt ist, verbreitet sich die Behauptung, ein Syrer mit vier Frauen und 23 Kindern erhalte 30.000 Euro Sozialhilfe im Monat, immer wieder. Sie ist damals wie heute falsch.

von Matthias Bau

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Seit Jahren wird online mit einer falschen Rechnung zur Sozialhilfe gegen Geflüchtete gehetzt (Symbolbild: Robert Michael / DPA / Picture Alliance)
Behauptung
Ein syrischer Mann mit vier Frauen und 23 Kindern erhalte monatlich 30.000 Euro Sozialhilfe.
Bewertung
Falsch. Laut dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales sei eine monatliche Zahlung von 30.000 Euro weder in Form von Sozialhilfe noch durch Leistungen über das Asylbewerberleistungsgesetz bei den aktuellen Regelsätzen realistisch.

Seit Jahren kursiert im Netz die Behauptung, ein nach Deutschland geflüchteter Syrer mit vier Frauen und 23 Kindern bekomme monatlich 30.000 Euro Sozialhilfe. Nachdem wir in den Jahren 2017 und 2019 darüber berichteten, taucht die Behauptung erneut auf. Damals wie heute ist sie falsch.

Die Geschichte hat ihren Ursprung im Jahr 2016, als erstmals Medien wie Bild und die Rhein-Zeitung über eine syrische Großfamilie berichteten, die 2015 nach Montabaur in Rheinland-Pfalz kam – allerdings ohne die angebliche Sozialhilfe zu thematisieren. Die Rechnung erstellte ein Autor auf der Website des „Deutschen Arbeitgeberverbands“ – ein Verein, der nichts mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände zu tun hat – weiter verbreitet wurde sie 2016 auch vom Wetzlar-Kurier.

Im Juli 2023 tauchten erneut Falschmeldungen auf Facebook und Tiktok über die angebliche Sozialhilfe auf. Teils ist darin der Zeitungsartikel des Wetzlar-Kuriers mit der Überschrift „30.000 Euro monatlich für syrische Großfamilie“ zu sehen.

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Auf Tiktok verbreitet sich eine alte Falschmeldung über eine syrische Großfamilie (Quelle: Tiktok; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Arbeitsagentur berechnete schon 2019 die Höhe möglicher Sozialhilfe für die Familie – sie lag weit unter 30.000 Euro 

Bereits im Jahr 2019 teilte uns die Bundesagentur für Arbeit mit, sie habe die Höhe der möglichen Sozialhilfe schon 2017 detailliert berechnet. Bei ihrer Berechnung kam sie auf einen Betrag von 10.062,82 Euro. Dafür seien überall die maximal möglichen Bedarfe angenommen worden. Die Rechnung wurde mit 23 Kindern gemacht, obwohl laut den Medienberichten von 2016 ein Kind gar nicht in Deutschland lebte. Alle Details sind hier nachzulesen.

Auch Hilfen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hätten sich im Jahr 2019 nicht auf 30.000 Euro belaufen. Auf eine damalige Presseanfrage von uns teilte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) mit, dass die Bezüge der höchsten Bedarfsstufe 354 Euro pro Person betragen. Das Landesministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Rheinland-Pfalz habe mitgeteilt, es könne „auch ohne die genauen Ansprüche der Familie zu kennen […] eine solche Summe ausschließen.“

Laut Bundesministerium für Arbeit stimmen die Zahlen auch heute nicht

Wir haben das BMAS um eine aktuelle Einordnung der Behauptung gebeten, da sich die Höhe der Sozialleistungen – Bürgergeld (ehemals Hartz IV) und Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – seither geändert hat.

Bei 30.000 Euro auf 28 Familienmitglieder (ein Mann, vier Frauen und 23 Kinder) müsste im Durchschnitt jede Person Leistungen von rund 1.070 Euro monatlich bekommen. Eine Sprecherin des BMAS teilte uns dazu mit: Eine alleinstehende und alleinlebende erwachsene Person könne mit „besonderen Bedarfslagen“ diesen Wert zwar erreichen, als „altersunabhängiger Durchschnittsbetrag je Person in einer ‚Großfamilie‘“ könne eine solche Größenordnung jedoch ausgeschlossen werden. Eine Zahlung in Höhe von 30.000 Euro ist für die Familie demnach nicht möglich.

Die aktuellen Regelbedarfe für alleinstehende Erwachsene im Jahr 2023 im Rahmen des Bürgergeldes betragen monatlich 502 Euro, für zusammenlebende Partner beziehungsweise Partnerinnen je 451 Euro und für Kinder unter 18 Jahre zwischen 318 Euro (unter 6 Jahre) und 420 Euro (14 bis unter 18 Jahre), teilte das BMAS weiter mit. Hinzu kämen die Bedarfe für die Wohnung (Unterkunft und Heizung), die nur in Höhe angemessener Aufwendungen berücksichtigt werden könnten.

Und: Sollten die Familienmitglieder Asylbewerbende sein und dadurch in das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, würden die Geldbeträge in den ersten 18 Monaten des Aufenthalts noch niedriger liegen. Danach gelten die Regelsätze des Bürgergeldes. So oder so geht die Rechnung, die in Sozialen Netzwerken geteilt wird, nicht auf.

Die Beiträge des „Deutschen Arbeitgeberverbands“ und des Wetzler-Kuriers mit der Falschinformation sind bis heute online. Auf unsere Anfrage reagierten beide bis zum Erscheinen dieses Faktenchecks nicht. 

Redigatur: Gabriele Scherndl, Sophie Timmermann