Fußballdoping

Sind Schmerzmittel Doping?

Wie hoch ist der Schmerzmittelmissbrauch im Fußball, Herr Geyer?

von Daniel Drepper

Den Suendern auf der Spur

Wie hoch ist der Schmerzmittelmissbrauch im Fußball?
Geyer:
Wir haben festgestellt, dass etwa 33 Prozent der Fußballer im Wettkampf Schmerzmittel einnehmen. Das Eklatante ist aber, dass diese Mittel auch im Training eingenommen werden. Da haben wir zwar nicht so viele Daten, aber der Anteil liegt auch hier bei mehr als 20 Prozent. Diese Werte liegen allerdings weit unterhalb der Werte beim Kraftsport, da nehmen etwa 50 Prozent der Athleten Schmerzmittel.

Sie forschen am Dopinglabor in Köln seit Jahren zu Schmerzmitteln im Fußball. Was untersuchen sie?
Hans Geyer:
Wir sind über die Anmerkungen auf den Dopingkontrollformularen auf das Thema gestoßen. Athleten geben verwendete Medikamente auf dem Formular an, wenn sie Dopingkontrollen abgeben. Das haben wir ausgewertet und festgestellt, dass in einzelnen Sportarten fast alle Athleten sowohl im Training, als auch im Wettkampf Schmerzmittel nehmen. Im Gewichtheben war das besonders auffällig. Auch bei manchen Fußballspielen haben fast alle kontrollierten Athleten Schmerzmittel angegeben. Das hat uns bewogen, den Schmerzmittelkonsum genauer zu überprüfen.

Wie haben Sie das gemacht?
Geyer:
Wir haben die Angaben der Fußballer auf den Dopingkontrollformularen ausgewertet und gleichzeitig in den Dopingtests der Fußballer nach Schmerzmitteln geschaut. Die Schmerzmittel werden erfasst, obwohl sie keine Dopingsubstanzen sind. Für uns sind das so genannte Störsubstanzen. Wir haben also die Angaben der Athleten plus die analytischen Ergebnisse ausgewertet. Daher kommen wir zu etwas höheren Werten als wenn man nur Befragungen von Athleten gemacht hätte.

Die FIFA hat auch die Verbreitung von Schmerzmitteln bei den Weltmeisterschaften untersuchen lassen.
Geyer:
Ja, grob wurde dort festgestellt, dass jeder zweite Spieler einmal während des Turniers Schmerzmittel eingenommen hat und – was besonders interessant war – zehn Prozent der Spieler haben vor jedem Spiel Schmerzmittel genommen. Wahrscheinlich prophylaktisch, um aufkommende Schmerzen sofort zu bekämpfen. (Neue Zahlen gibt es im gestern veröffentlichen Interview mit Jiri Dvorak, das Gespräch mit Geyer wurde im Vorfeld geführt)

Wo bekommen die Spieler die Schmerzmittel her? Kommen die von den Mannschaftsärzten?
Geyer:
Das wissen wir leider nicht. Wir wundern uns auch. Wir haben die Untersuchungen in den Jahren 2000, 2003 und 2005 gemacht und das am häufigsten genommene Schmerzmittel Diclofenac, Handelsname Voltaren, war zu dieser Zeit rezeptpflichtig. Wir wundern uns wirklich, wie die Spieler an diese Dinge gekommen sind. Möglicherweise haben sie überdimensionierte Packungen bekommen oder es wurden sehr schnell Gefälligkeitsrezepte ausgeschrieben. Keine Ahnung. Ich glaube nicht, dass bei jedem dieser Spieler jedesmal eine Diagnose gestellt und eine saubere Untersuchung durchgeführt wurde. Das ist schon sehr merkwürdig.

Was macht das denn mit Spielern, wenn die so viele Schmerzmittel nehmen?
Geyer:
Schmerzmittel schalten Alarmsignale des Körper aus und es kann zu irreversiblen Schäden kommen zum Beispiel von Knorpelgeweben, von Gelenken, von Bändern, weil das Alarmsignal fehlt und somit die Strukturen überlastet werden.

Haben Sie Kontakt zu Spielern? Zu Vereinen? Zum Verband?
Geyer:
Wir geben unsere Daten natürlich weiter. Die Daten zu den Schmerzmitteln haben wir dem DFB gegeben und auch die FIFA ist sehr daran interessiert. Die FIFA beschäftigt sich sehr stark mit diesem Problem, weil es einfach Überhand genommen hat. In anderen Spielsportarten allerdings auch, zum Beispiel nehmen im Handball bis zu 50 Prozent der Spieler während des Spiels Schmerzmittel.

Teilweise geben Spieler zu, dass sie ohne Schmerzmittel nicht hätten spielen können. Die Substanzen machen also eine bestimmte Leistung erst möglich. Müssten Schmerzmittel verboten werden?
Geyer:
Schmerzmittel erfüllen meiner Meinung nach alle Bedingungen einer Dopingsubstanz. Sie schalten den Schutzmechanismus des Körpers aus. So kann eine deutlich höhere Leistung gebracht werden, die mit Schmerzen nicht möglich wäre. Schmerzmittel werden schon im Training genommen, dadurch sind höhere Trainingsumfänge und -intensitäten möglich. Schmerzmittel würde ich in der Grauzone des Dopings ansiedeln.. Sie sind nicht verboten. Aber man muss schon darüber diskutieren, wie man in Zukunft mit dem Schmerzmittelmissbrauch umgehen will.

Mit Hans Geyer gesprochen hat auch Matt McGrath von der BBC. Sein Stück zu Schmerzmitteln im Fußball findet sich hier. Er hat zudem mit Jiri Dvorak gseprochen. McGraths zweites Stück inklusive Video ist hier.