Niedrigwasser am Rhein im Jahr 1921: Warum dieses historische Foto nichts über den Klimawandel aussagt
Trockenheit und hohe Temperaturen hat es in der Geschichte des Rheins immer wieder gegeben, zum Beispiel im Sommer 1921. Im Netz wird suggeriert, das widerlege den menschengemachten Klimawandel. Tatsache ist aber: Mit der Erwärmung der Erde werden auch Trockenperioden wahrscheinlicher.
Im Juni 2024 taucht auf Facebook ein Schwarzweiß-Foto eines anscheinend ausgetrockneten Flussbetts von 1921 auf, das die Loreley am Rhein zeigt. Dass es schon damals so heiß gewesen sei, beweist angeblich, dass der menschengemachte Klimawandel „eine Mär“ sei. Mehr als 4.800 Nutzerinnen und Nutzer teilten den Beitrag mit dem Bild, das später auch auf Telegram und X verbreitet wurde.
Die Beiträge nennen konkrete Zahlen und eine Quelle: die Informationsplattform Undine von der Bundesanstalt für Gewässerkunde und dem Bundesumweltministerium. Demnach war das Jahr 1921 relativ warm. Im Sommer seien Höchsttemperaturen bis zu 39,4 Grad Celsius aufgetreten, in Trier seien 81 Sommertage mit mindestens 25 Grad und 21 Heiße Tage mit mindestens 30 Grad registriert worden.
Am Rhein herrschte Niedrigwasser – dazu ist auch das Bild des trockenen Flussbetts zu sehen, laut Beschreibung an der Loreley. Es stammt aus einem Jahrbuch des Nassauischen Vereins für Naturkunde von 1925.
Extreme Einzelereignisse, wie das Niedrigwasser 1921, hat es immer gegeben
Ein Sprecher der Bundesanstalt für Gewässerkunde hat die Echtheit der Daten gegenüber AFP Faktencheck bestätigt. Er betonte, dass es extreme Einzelereignisse, wie das Niedrigwasser 1921, immer gegeben habe und immer geben werde. Von einem systematischen Wandel spreche man erst, „wenn Niedrigwasserereignisse über einen Zeitraum von 30 Jahren belegbar gehäuft auftreten, länger dauern, intensiver werden oder sich neue Entstehungsmechanismen abzeichnen“.
Was früher ein extrem heißer Sommer war, ist heute ein durchschnittlicher Sommer, schrieb 2020 der Deutsche Wetterdienst (DWD). Ein Indikator für die Zunahme von Hitze sei die Zahl der Tage mit mindestens 30 Grad Celsius („Heiße Tage“ oder „Hitzetage“). Über ganz Deutschland gemittelt, hat sich seit den 1950er-Jahren die Anzahl solcher Tage von etwa drei auf derzeit durchschnittlich neun Tage pro Jahr verdreifacht. Deutlich zugenommen haben dem DWD zufolge auch Hitzewellen in Deutschland.
Zum Verständnis: Während das Wetter kurzfristige und punktuelle Ereignisse beschreibt, befassen sich Klimamessungen mit Tendenzen. Entscheidend bei der Frage, ob sich das Klima erwärmt oder abkühlt, sind daher langjährige Trends. Laut der Weltorganisation für Meteorologie ist es für Temperaturvergleiche aufgrund der natürlichen Klimaschwankungen wichtig, einen Langzeit-Durchschnitt zu verwenden. Die Organisation empfiehlt ebenfalls einen Zeitraum von 30 Jahren.
Klimawandel verursacht Extremwetter nicht direkt, macht sie aber wahrscheinlicher
Immer wieder werden Extremwetterereignisse aus der Vergangenheit herangezogen, um den menschengemachten Klimawandel anzuzweifeln. Sie suggerieren zum Beispiel, der aktuelle Klimawandel basiere hauptsächlich auf natürlichen Einflüssen und würde sich von allein regulieren.
Das Foto des trockenen Rhein-Flussbetts wurde dafür 2022 schon einmal genutzt: Der Deutschland-Kurier verbreitete es auf Facebook mit dem Titel: „Schlechte Nachricht für Klima-Hysteriker: Hitzewellen gibt es seit vielen Jahrhunderten“.
Solche Ereignisse stellen den Klimawandel laut Experten jedoch nicht in Frage. Laut Deutschem Klima-Konsortium sind die globalen mittleren Temperaturen in den vergangenen 150 Jahren rasant angestiegen. Dies sei beispiellos in der menschlichen Zivilisationsgeschichte. Und der Klimawandel hat Folgen weltweit.
CORRECTIV.Faktencheck hat bereits im Juni 2022 eingeordnet: Die langfristige Erwärmung des Klimas verursacht solche Ereignisse nicht direkt – Hitze- und Dürreperioden treten unabhängig vom Klima immer mal wieder auf. Extremwetter kommen aber aufgrund des Klimawandels häufiger und intensiver vor – dazu zählen auch Starkregen und Überschwemmungen.
Hitzephasen aus der Vergangenheit unterscheiden sich von aktueller globaler Erwärmung
Laut dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), auch Weltklimarat genannt, betrafen warme Phasen während der letzten 2.000 Jahre häufig nur bestimmte Regionen (PDF, Seite 3). Bei der aktuellen Erwärmung handele es sich dagegen um ein zeitgleich stattfindendes globales Phänomen. Der aktuelle Anstieg der globalen Temperaturen vollziehe sich zudem viel schneller als bei vergangenen natürlichen Klimaveränderungen.
Eine Arbeitsgruppe des IPCC kam für den sechsten Sachstandsbericht von 2021 zu dem Schluss: „Es ist eindeutig, dass der Einfluss des Menschen die Atmosphäre, den Ozean und die Landflächen erwärmt hat. Es haben weitverbreitete und schnelle Veränderungen in der Atmosphäre, dem Ozean, der Kryosphäre und der Biosphäre stattgefunden.“ Das zeigt auch diese Grafik aus dem IPCC-Bericht:
Redigatur: Viktor Marinov, Steffen Kutzner