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Die EU und das Massaker von Andischan

Auch zehn Jahre nach dem Massaker mit hunderten Toten im usbekischen Andischan verzichtet die Europäische Union auf eine weitere Aufklärung des Verbrechens. Zunächst hatte sie noch Sanktionen verhängt, um Usbekistan zu zwingen, die Verantwortlichen zu benennen. Das gemeinnützige Recherchebüro CORRECT!V zeichnet nun den Weg nach, wie die Diplomaten der EU bereits ein Jahr nach dem Massaker unbemerkt von der Öffentlichkeit den Weg bereiteten, die Sanktionen gegen Usbekistan auszuhebeln.

von Marcus Bensmann

Beim Massaker von Andischan wurden hunderte Menschen getötet. Es gab nie eine internationale Aufklärung des Massenmordes.© Vincent Burmeister

Langfassung

Unser Reporter Marcus Bensmann und seine Frau waren beim Massaker dabei, wurden selbst von usbekischen Soldaten beschossen. In der hier verlinkten Langfassung erzählt Marcus, wie er überlebte und was das alles mit uns in Deutschland zu tun hat.

Das Massaker von Andischan liegt zehn Jahre zurück — eine unabhängige Aufklärung hat es nie gegeben. Ein hochrangiger Diplomat der EU sagte CORRECTIV, „ewige Sanktionen“ habe niemand in Europa gewollt – Usbekistan sei als Luftwaffenstützpunkt für den Krieg in Afghanistan zu wichtig. Aus diesem Grund wären die europäischen Diplomaten bereits nach wenigen Monaten auf das Angebot der usbekischen Regierung eingegangen, „Expertengespräche“ über die Ursachen des Massakers zu führen. Diese „Gespräche“ sollten die ursprünglich in den Sanktionen geforderte „unabhängige und internationale Untersuchung“ ersetzen. Der damalige Außenminister der Bundesrepublik Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat diese „Exitstrategie“ der EU unterstützt, wie mehrere Diplomaten berichten. Die Aussagen der Diplomaten werden durch offizielle Dokumente der EU bestätigt.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagt: „Die Expertengruppe der EU kam nach ihren Gesprächen im Frühjahr 2007 zu der Schlussfolgerung, dass usbekische Sicherheitskräfte in Andischan auf bewaffnete Überfälle auf staatliche Einrichtungen sowie die sich im Anschluss bildenden Demonstrationen mit einem unangemessenen Gewalteinsatz reagiert haben.“

Das Auswärtige Amt gibt als Grund für die spätere Aufhebung der Sanktionen im Jahr 2009 an, damals sei die Todesstrafe abgeschafft worden – zudem gebe es bessere „Monitoring-Möglichkeiten im Strafvollzug“.

Aus den EU-Papieren geht hervor, dass auf eine unabhängige Untersuchung des Massakers zu Gunsten der genannten „Gespräche der Expertengruppe der EU“ verzichtet worden ist. Die Ergebnisse der „Experten-Gespräche“ werden auch auf Anfrage sowohl von der EU als auch dem Auswärtigen Amt unter Verschluss gehalten.

Die Bundesregierung unterhält in der usbekischen Stadt Termes an der Grenze zu Afghanistan einen Luftwaffenstützpunkt, der für den Krieg gegen den Terror lebenswichtig ist. Über diesen Stützpunkt werden Bundeswehr-Soldaten und militärischer Nachschub nach Afghanistan eingeflogen. Der Rückzug der Truppen läuft ebenfalls über diesen Stützpunkt.

Bei dem Massaker in der usbekischen Provinzstadt Andischan hatten am 13. Mai 2005 Truppen der usbekischen Sicherheitskräfte einen Volksaufstand niedergeschossen, hunderte Menschen starben. Ihre genaue Zahl ist unbekannt, genauso wer den Auftrag zum Massenmord gegeben hat. Die EU hob ihre Sanktionen nach vier Jahren auf, mit deren Hilfe sie zuvor auf Aufklärung gedrängt hatte.

Andrew Stoehlein, Sprecher der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sagt, die EU müsse ihre eigenen Sanktionen Ernst nehmen, wenn Sie Wirkung entfalten sollen. Dies sei im Fall des Massakers von Andischan genauso wichtig, wie heute im Fall der Anektion der Krim durch Russland.

In Usbekistan unterdrücken Polizei und Geheimdienste nach wie vor Menschenrechte und Medien, und foltern nach UN-Erkenntnissen „systematisch“.

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