Ehemaliges NS-Gebäude „Kehlsteinhaus“ gehört nicht Selenskyj, sondern dem Freistaat Bayern
In einem viralen Video auf X heißt es, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj habe für Millionen Euro das Kehlsteinhaus in Bayern gekauft. Das wurde einst von Adolf Hitler und der NSDAP für diplomatische Treffen und private Feiern genutzt. Das Video ist eine Fälschung, die angeblichen Beweise sind erfunden.
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Im Kehlsteinhaus – einem Panoramabau der NSDAP in den Berchtesgadener Alpen in Bayern – verkehrten ab 1938 Adolf Hitler, Diplomaten und führende Nationalsozialisten. Seit 1949 ist es in Besitz des Freistaats Bayern. Nun, so heißt es seit dem 5. Februar auf X, Telegram, Facebook und auf Whatsapp, hat das Gebäude einen neuen Besitzer: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj soll es im Dezember 2024 über ein Offshore-Unternehmen für mehr als 14 Millionen Euro gekauft haben. Ein Kaufvertrag, der in dem Video zu sehen ist, soll das belegen. So berichten es auch eine Propagandaseite des russischen Pravda-Netzwerks und die tschechische Verschwörungswebseite CZ24 News. Beiträge mit dem Video wurden teils millionenfach aufgerufen.
Doch die Geschichte, die Selenskyj – wie schon häufiger – eine Nähe zum Nationalsozialismus unterstellt, ist frei erfunden. Das Kehlsteinhaus gehört nach wie vor dem Freistaat Bayern, einen Verkauf gab es nie. Warum hinter der Falschmeldung eine russische Desinformationskampagne steckt, erklären wir im Faktencheck.
![Post von X](https://correctiv.org/wp-content/uploads/2025/02/kehlsteinhaus-eagles-nest-selenskyj-faktencheck.png)
Kehlsteinhaus laut Immobilien Freistaat Bayern nicht an Selenskyj verkauft
In dem etwa zweiminütigen Video geht es zunächst um die Geschichte des Kehlsteinhauses, das auch als „Adlernest“ oder „Eagle’s Nest“ bekannt ist und seit der Nachkriegszeit als touristisches Ausflugsziel und Erinnerungsort dient. Angeblich habe die touristische Sehenswürdigkeit jedoch Schwierigkeiten, Einnahmen zu generieren, heißt es im Video. Das Gebäude sei daher laut Vertretern des staatseigenen Unternehmens „Immobilien Freistaat Bayern“ (IMBY) am 22. Dezember 2024 an eine italienische Firma verkauft worden, die Selenskyj gehöre. Für die Öffentlichkeit sei das Kehlsteinhaus ab 2025 nicht mehr zugänglich. Im Video sind Dokumente des angeblichen Kaufes eingeblendet, auch ein angebliches Zitat des Geschäftsführers der IMBY, Gerhard Reichel, über den Verkauf ist zu hören.
![X-Post](https://correctiv.org/wp-content/uploads/2025/02/selenskyj-kehlsteinhaus-faktencheck.jpg)
Einiges an der Geschichte mutet jedoch seltsam an: Auf der Webseite des Kehlsteinhauses steht, dass es nach der Winterpause im Mai 2025 normal wieder eröffnet. Gegen die angeblich fehlenden Einnahmen sprechen Medienberichte, denen zufolge das Kehlsteinhaus ein Besuchermagnet mit jährlich rund 300.000 Gästen ist – 2024 waren es 220.000. Es ist keine Rede davon, dass das Haus geschlossen werden soll.
In dem teilweise geschwärzten Kaufvertrag im Video steht zudem kein Hinweis auf Selenskyj und auch keine Unterschrift, die auf eine Verbindung hindeutet. Zu lesen sind unter dem angeblichen Vertrag zwei weit verbreitete deutsche Namen sowie der kaum lesbare Name eines Notars.
Eine Stichwortsuche nach Selenskyj und „Immobilien Freistaat Bayern“ führt zudem zu einer Pressemitteilung des Unternehmens vom 7. Februar 2025. Darin ist von „gezielten Falschinformationen“ die Rede: „Das Kehlsteinhaus befindet sich weiterhin im Eigentum des Freistaats Bayern. Ein Verkauf hat nicht stattgefunden und ist auch nicht geplant. Der im Video gezeigte angebliche Kaufvertrag ist eine Fälschung, gleiches gilt für das angebliche Zitat der IMBY-Geschäftsführung.“ Das Unternehmen werde gegen die Urheber dieser Falschinformationen rechtliche Schritte einleiten.
Auch Bartl Wimmer, Verbandsvorsitzender des Zweckverbands Bergerlebnis Berchtesgaden, sprach auf einer Veranstaltung von einer „Desinformationskampagne der Sonderklasse“, wie die Abendzeitung München am 10. Februar 2025 berichtete. „Dieses Video und seine Aussagen sind frei erfunden“, sagte Wimmer.
Ursprung ist eine Fake-Nachrichtenseite, die Teil einer pro-russischen Desinformationskampagne ist
Unseren Recherchen nach veröffentlichte zuerst eine Webseite namens „Aktuelle Nachrichten in Deutschland“ das Video mit der Falschmeldung. Von dort aus fand es seinen Weg in die Sozialen Netzwerke. Die Webseite hat ein Impressum, doch das dahinter stehende Unternehmen gibt es nicht. Auch die angegebene Adresse („Schlossallee Dresden“) existiert nicht. Laut der Domainabfrage auf denic.de ist die Webseite „Aktuelle Nachrichten“ zudem erst am 14. Dezember 2024 erstellt worden.
Die Webseite gehört zu rund hundert solchen gefälschten Nachrichtenseiten, wie wir kürzlich hier berichteten. Sie alle gehören zu der russischen Desinformationskampagne „Storm-1516“.
Das Prinzip „Storm-1516“
Mit der Diskreditierung einzelner Politiker und dem Verbreiten falscher Informationen versuchen pro-russische Akteure die Bundestagswahl zu beeinflussen. Fakes, die der Desinformationskampagne „Storm-1516“ zugeordnet werden können, erreichen in der Regel mehr Nutzer als bisher in Deutschland beobachtete ähnliche pro-russische Kampagnen, wie Doppelgänger oder Matroschka. Das Prinzip dahinter: Falschbehauptungen werden unter dem Deckmantel vermeintlicher Nachrichtenartikel in die Welt gesetzt, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen und dann von Profilen mit teils hoher Reichweite verbreitet. Konkret sieht das bei „Storm-1516“ wie folgt aus:
- Schritt 1: Website mit normalen und erfundenen Inhalten erstellen, dabei kommt auch KI zum Einsatz.
- Schritt 2: Dazu passende gefälschte Beweise bringen Glaubwürdigkeit (zum Beispiel künstlich erstellte Deepfake-Videos oder bezahlte Artikel).
- Schritt 3: Influencer und Bots mit Reichweite unterstützen bei der Verbreitung.
Hinter den Fake-Webseiten steckt der US-Amerikaner John Marc Dougan, der seit Jahren in Moskau lebt. Er hatte schon bei den US-Wahlen 2024 versucht, den Wahlkampf zu beeinflussen – mit gefälschten lokalen Nachrichtenseiten, die den Anschein von Seriosität erwecken sollten, inszenierten Aussagen von „Whistleblowern“ und künstlich erstellten Artikeln und Videos.
Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.
Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier.
Redigatur: Sarah Thust, Matthias Bau
Die wichtigste, öffentliche Quelle für diesen Faktencheck:
- Pressemitteilung des Unternehmens „Immobilien Freistaat Bayern“ (IMBY), 7. Februar 2024: Link (archiviert)