Auskunftsrechte

Was Behörden für Anwälte ausgeben, um Auskunft zu verweigern: die genauen Zahlen in unserer Tabelle

Über die Jahre hinweg zahlten deutsche Behörden mehr als 600.000 Euro an Anwälte, um Auskünfte zu verweigern. Das zeigten wir im März 2016. Jetzt veröffentlichen wir die Zahlen: Welche Kanzlei erhielt wie viel – von welchem Ministerium?

von Tania Röttger

© Ivo Mayr

Behörden bezahlen Anwälte mit Steuergeld, um Bürgern Informationen zu verschweigen. Wollen die Beamten eine Auskunft nicht geben, engagieren sie häufig Top-Anwälte, um die berechtigten Anfragen von Journalisten, Aktivisten oder Anwohnern vor Gericht abzuschmettern. Doch kaum eine Behörde führt darüber Buch, wie viel sie an welche Kanzlei überweist. Entsprechend mühsam war es, die Zahlen zusammen zu tragen.

Die meisten Behörden antworteten nur zögerlich auf unsere Anfrage. Die Begründung: Es gebe keine rechtliche Pflicht, über diese Art von Ausgaben eine Statistik zu führen. Das schreibt etwa eine Sprecherin des Bundesverkehrsministeriums. Und „dies wird auch tatsächlich nicht getan.“

Dabei gibt es vom Bundesrechnungshof die Vorgabe, Ausgaben für Beratungen transparent zu machen, damit diese ausgewertet werden können. Zum Beispiel Rechtsberatungen.

Andere Behörden gaben einen Teil der Informationen heraus, schlüsselten die Ausgaben aber nicht detailliert auf. So blieb etwa offen, welche Summe eine bestimmte Kanzlei erhielt, oder in welchem Jahr ein Verfahren stattfand. Erst nach langem Drängen und wiederholten Nachfragen gaben manche Behörden nach.

Darunter das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Das gab zwischen 2012 und 2014 genau 96.736,97 Euro für Beratungs- und Gerichtskosten aus. Zunächst hieß es: „Eine exakte Aufschlüsselung der Kosten liegt uns nicht vor.“ Doch dann stimmten die Kanzleien White and Case LLP und Redeker Sellner Dahs zu, die genauen Beträge zu veröffentlichen. Prompt schlüsselte die Behörde die Zahlungen auf.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ließ sich nicht umstimmen. Die Ausgaben nach Jahren zu sortieren sei nicht möglich. „Das geht aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht“, war die knappe Antwort. Die Begründung: So könnten die Personen identifiziert werden, die an dem Verfahren beteiligt waren.

In anderen Fällen führte das Fehlen einer Statistik nachweislich dazu, dass Kosten vergessen wurden. So hatte CORRECTIV-Reporter Daniel Drepper eine Auskunftsklage geführt, die nicht in der Aufstellung des Bundesministeriums des Innern auftauchte. Darauf hingewiesen, entschuldigte sich die Behörde: Weil es keine passende Statistik gibt, müsse „auf das Erfahrungswissen der Mitarbeiter“ zurückgegriffen werden.

Noch schwerer war es, Auskünfte von den Bundesländern zu erhalten. Denn Landesministerien arbeiten in der Regel unabhängig voneinander. Es gibt auch dort keine zentrale Übersicht über die Ausgaben. Manche Staatsministerien wollten unsere Anfrage noch nicht einmal an andere Behörden weiterleiten.

Aus Baden-Württemberg hieß es zum Beispiel, dass „der Rechercheaufwand zur Beantwortung der Anfrage unverhältnismäßig hoch wäre.“ Kurz: Baden-Württemberg sagte nichts.

Daran änderte sich auch nichts, als wir dem Land Aktenzeichen von Gerichtsurteilen schickten von Verfahren, in denen es um Auskunftsrechte ging. 

In Bayern antworteten fünf von zehn Ämtern unisono: Sie hätten null Euro an Anwälte überwiesen. Doch dann stellte ein Abgeordneter im bayerischen Landtag eine Anfrage nach unserem Vorbild und bekam als Antwort vom Staatsministerium: In einem Ministerium habe es Kosten von rund 1.700 Euro gegeben. Um welches Ministerium es sich handelte, um welches Jahr, an wen die Zahlung ging, all das teilte der Staatssekretär auch dem Abgeordneten nicht mit. 

Der Berliner Senat machte sich noch nicht einmal die Mühe, eine Antwort auszuarbeiten, sondern schickte lediglich einen Link zu einer anderen Anfrage. Darin stand: Über die Kosten werde keine Statistik geführt.

Aus Brandenburg hieß es: Es gebe keine Statistik.

In Bremen kam nach wiederholten Anfragen heraus, dass Kosten von „mehr als 10.000“ Euro angefallen waren – wobei die Summe nicht aufgeschlüsselt wurde.

Hamburg schrieb: „Leider können wir Ihnen nicht helfen. Die von Ihnen gewünschten Daten werden statistisch nicht erfasst oder sind mit zumutbarem Aufwand nicht zu ermitteln.“

Hessen: Auch hier waren mehrere Nachfragen, der Verweis auf ein Gerichtsverfahren und viel Geduld nötig, ehe das Honorar eines Anwalts offen gelegt wurde: 5.100 Euro. 

In Mecklenburg-Vorpommern wurde unsere Anfrage hin und hergeschickt, kein Ministerium fühlte sich zuständig. Erst nachdem wir einen konkreten Fall an die Staatskanzlei schickten, bekamen wir dazu Auskünfte.

In Niedersachsen meldete nur das Finanzministerium, dass sie einen Anwalt bei einer Auskunftsklage beauftragt hatten. Kosten seien aber nicht entstanden.

Die Staatskanzlei in Nordrhein-Westfalen antwortete auch für andere Landesministerien. Doch nur die eigenen Kosten von knapp 30.000 Euro wurden erklärt: Sie gingen an die Kanzlei Redeker Sellner Dahs. Zu den anderen Ministerien kam keine weitere Information. Andere Behörden, der Landesrechnungshof etwa, waren in der Antwort nicht berücksichtigt worden.

In Rheinland-Pfalz stellte die Staatskanzlei eine Übersicht zusammen, in der die Anwaltskosten der anderen Ministerien aufgelistet waren. Das dauerte zwar lange, war aber sorgfältig. Über 55.000,00 Euro hatte das Land bezahlt. Doch am Ende wollten oder durften die Pressesprecher die Namen der Kanzleien nicht nennen.

In Sachsen äußerte sich die Staatskanzlei ausführlich zu einem Verfahren.

Sachsen-Anhalt erklärte, dass sie die Anfrage nur beantworten könnten, wenn sie alle Akten durchsuchen würden, die jemals zu Auskunftsanfragen erstellt wurden. Als wir dem Land die Aktenzeichen von Gerichtsverfahren schickten, kam nach mehrmaligen Nachfragen eine Antwort: „Wir führen keine Listen über die Gerichtskosten.“

In Schleswig-Holstein leitete man unsere Anfrage an die verschiedenen Ministerien weiter. Deren Antworten trudelten dann nach und nach ein. Nur in einem Fall mussten wir mehrmals um Aufschlüsselung bitten. Die erfolgte dann aber auch.

Insgesamt schickten wir drei Anfragen an Thüringen. Zweimal kam eine Eingangsbestätigungen. Aber kein Mal kam Antwort.

All das führt zu unvollständigen Zahlen. Und das heißt, dass die Ausgaben wahrscheinlich noch viel höher sind.

Dies muss beim Lesen der Tabelle beachtet werden.

Trotzdem ist sie wertvoll. Es ist eine Auflistung, die Deutschlands Behörden selbst nicht besitzen.

Zur Tabelle

Unter Prozesskosten sind Gerichtskosten und Ausgaben für gegnerische Anwälte aufgeführt.

„N/A“ bedeutet, dass es laut der jeweiligen Behörde keine Verfahren gab.

„Keine Angabe“ bedeutet, dass die Behörde keine Details bekannt gegeben hat.

In den Fällen, in denen Behörden die Anwaltskosten offen gelegt haben, und wo nicht geklärt werden konnte, wie viel davon für Gerichte oder gegnerische Anwälte ausgegeben wurden, laufen sie in der Tabelle unter „Anwaltskosten“, bei „Prozesskosten“ steht dann: „inkl.“.

Schließlich werden alle Verfahren nach einem Auskunftsanspruch der Presse „LPG“ genannt. Und „IFG“ steht für alle vergleichbaren Gesetze. Die Zugangsgesetze zu Umweltinformationen heißen alle UIG. Und VIG steht für Verbraucherinformationsgesetz.



Gerichts- und Anwaltskosten: Tabelle herunterladen (8,2 KB)