AfD unter sich
Weder Bergmann Guido Reil, noch die AfD-Bundesvorsitzenden Frauke Petry oder Jörg Meuthen zogen die Menschen an. Der Marktplatz in Altenessen blieb halb leer. Die AfD ist angeschlagen. Schulzeffekt und interne Machtkämpfe setzen der AfD zu.
Am Samstag eröffnete die AfD auf dem Markt in Altenessen den Wahlkampf für die NRW Landtagswahl. Doch der groß angekündigte Auftakt verpuffte. Die AfD-Mitglieder waren unter sich, die Bewohner aus dem Essener Norden blieben der Veranstaltung fern.
Der Platz, großräumig von der Polizei abgeschirmt, war nur halb gefüllt. Trotz guten Wetters hatten sich nicht mehr als 400 Menschen vor der Bühne versammelt. 70 Gegendemonstranten pfiffen auf Trillerpfeifen und skandierten Spottverse. Polizei schützte die überschaubare Zahl von AfD-Anhängern, die meisten von ihnen Funktionsträger der rechtsvölkischen Partei sowie Skin-Heads und Rechtsradikale.
Leere Bude
„Wir hatten gedacht, wegen Reil rennen die uns die Bude ein“, sagte ein Parteifunktionär enttäuscht. Die Veranstaltung war als Heimspiel des Bergmannes aus dem Ruhrpott geplant. Der Gewerkschafter war 2016 von der SPD zur AfD gewechselt und will nun für die rechtspopulistische Partei in den Landtag. Er kündigt seine Auftritte zünftig mit dem Slogan, „der Steiger kommt“ an, und soll der SPD im Ruhrgebiet die Kernwählerschaft abjagen.
Reil hat einen sicheren Listenplatz, zudem kämpft er im Essener Norden um ein Direktmandat gegen den Justizminister Thomas Kutschaty.
Reils Revier
Der Essener Norden ist Reils Revier, und daher hatte sich die AfD entschieden, den Wahlkampfauftakt nach Essen zu legen. Ursprünglich war auf dem Kennedyplatz in Essen die Grosskundgebung geplant, doch der war am 8. April belegt. Damit hatte die Partei allerdings Glück, denn auf dem großräumigen Kennedyplatz hätte sich das spärliche Häufchen der AfDler verloren.
Der Bergmann Reil zeigte sich wegen der geringen Besucherzahl enttäuscht und sagte, dass die Menschen Angst hätten und sich von den Gegendemonstrationen abhalten ließen.
Doch die Luft ist raus. Die AfD sei wie ein angeschlagener Boxer, sagt ein Parteimitglied, die ständigen Machtkämpfe und völkischen Aussetzer von Höcke und Konsorten hätten selbst treue Mitglieder müde gemacht. Trotzdem sei der Auftakt eine Enttäuschung gewesen, sagt der AfDler.
Meuthen und Petry
Neben Reil war auch die Parteiprominenz nach Essen gekommen. Trotz der persönlichen Feindschaft traten beide AfD-Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen und die hochschwangere Frauke Petry als Redner auf, zudem Petrys Ehemann, der AfD-Spitzenkandidat in NRW, Marcus Pretzell.
Die jüngste Initiative von Petry, die AfD beim Bundesparteitag in Köln im April auf einen realpolitischen Kurs festzulegen, stößt in der AfD auf Widerstand. Meuthen hält von dem Antrag nichts. In Altenessen ist die Spannung zwischen beiden Parteivorsitzenden mit Händen zu greifen. Petry strebe auf dem Parteitag im April die alleinige Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl an, sagt ein Parteifunktionär.
Die Reden der AfD-Politiker blieben lau. Besonders fahrig wirkte Marcus Pretzell, seine Pointen zündeten nicht, er machte lange Kunstpausen und arbeite sich mühsam an dem SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz ab. Der EU-Abgeordnete der AfD Pretzell warf Schulz vor, sich im EU-Parlament bereichert zu haben. Pretzell sei überlastet, der arbeite am Limit, sagt ein AfDler aus der Umgebung des Spitzenkandidaten. Die Themen wurden abgehakt: Flüchtlinge, Terror, Renten, Stau und Bildung.
Völkischer Meuthen
Meuthen lieferte den völkischen Teil, warnte vor ausländischen Mördern und Vergewaltigern und warf der Bundeskanzlerin Angela Merkel vor, Deutschland zu verraten. Der gestrige Terroranschlag in Stockholm nahm breiten Raum ein. In einer Schweigeminute wurde der Opfern gedacht und Pretzell macht die Flüchtlingspolitik von Merkel für die Terroranschläge verantwortlich.
Aber der Funke sprang nicht über. Nach der Veranstaltung sitzt ein Ehepaar in einer Eisdiele. Beide sind 56, er ist LKW-Fahrer, sie arbeitet in einer Spielbank. Sie wohnen in Altenessen. Mit der AfD wollen sie nichts zu tun haben. Es gebe schlechte und gute Ausländer, sagt der Mann, und es gebe schlechte und gute Deutsche. Der Mann arbeitet bei einem Libanesen und Libanesen würden in ihrem Haus wohnen, und die seien sehr nett. Den Schulz fänden sie gut, der würde wieder die SPD zu dem machen, was sie mal gewesen sei, sagt der Mann, und so würden viele ihrer Bekannten denken.