Wirtschaft

Eine Villa für den Herrn

Karl Behle hat das Diakoniewerk Bethel im Lauf der Jahre unter seine Kontrolle gebracht. Jetzt zeigen Recherchen, dass er sich zudem eine Villa aus dem Besitz des Diakoniewerkes zugeschanzt hat – zu einem erstaunlich günstigen Preis.

von Jonathan Sachse , David Wünschel , Frederik Richter

Blick auf die Villa in Berlin-Lichterfelde, die das Ehepaar Behle im Jahr 2010 vom Diakoniewerk gekauft hat.© David Wünschel / Correctiv

Drei Stockwerke aus rotem Backstein, zwei Sonnenterrassen nach Süden, die auf einen großzügigen Garten blicken. In die idyllische Villa in Berlin-Lichterfelde mit einem 1500 Quadratmeter großen Grundstück würde jeder gern einziehen. Tatsächlich wohnt hier aber Karl Behle, Vorstand des Diakoniewerkes Bethel. Behle hat die Villa, die vor ein paar Jahren noch dem Diakoniewerk gehörte, elegant in seinen Besitz gebracht.

Vergangene Woche deckte CORRECTIV auf, dass Behle sich das Diakoniewerk Bethel einverleibt hat. Das Unternehmen betreibt bundesweit 13 Kliniken und Pflegeeinrichtungen und beschäftigt 1700 Mitarbeiter. Eigentümer des Diakoniewerkes (75 Millionen Euro Jahresumsatz) sind inzwischen zwei Stiftungen – die Behle gehören.

Bis 2011 war das Diakoniewerk noch ein eingetragener Verein. Dann wurden zwei Stiftungen als Gesellschafter eingetragen. Erst im Mai 2017 gab Behle zu, dass er selbst hinter den beiden Stiftungen steckt. Nach Recherchen von CORRECTIV könnte Behle vom Diakoniewerk ein Jahresgehalt von etwa 700.000 Euro beziehen. Zudem soll er sich Pensionsansprüche in Höhe von 5,6 Millionen Euro ausgezahlt haben.

Auch die hochherrschaftliche Villa des Diakoniewerkes am Marienplatz in Berlin-Lichterfelde hat sich Karl Behle geschickt angeeignet. Einen Tag nach Weihnachten 1995 – er war seit neun Jahren beim Diakoniewerk tätig – ließen sich Behle und seine Frau ein lebenslanges Wohnrecht in dem Prachtbau zusichern, ein „Nießbrauchrecht“. Das belegen die Grundbuchakten.

Aus den Akten geht auch hervor, dass die Villa danach zwei Mal verkauft wurde: Zuerst am 16. Dezember 2008 für 510.000 Euro an eine Tochterfirma des Diakoniewerkes namens Zentraler Service Bethel Berlin GmbH. Und auf den Tag genau zwei Jahre später direkt an Karl Behle und seine Ehefrau, für 530.000 Euro.

Auf beiden Seiten des Deals: Karl Behle. Als Vorstand des Diakoniewerkes verkaufte er die Villa an die Tochterfirma. Als Privatperson kaufte er sie der Tochterfirma wieder ab.

Diesen Vertrag unterzeichnete im Namen des Diakoniewerkes Behles Vorstandskollegin Katja Lehmann-Giannotti. Die Fachärztin für Chirurgie war zwei Monate vor dem Verkauf in den Vorstand gekommen und sitzt dort sowie in weiteren zentralen Gremien des Unternehmens bis heute zusammen mit Behle.

Private versus geschäftliche Interessen

Kauft ein Manager seinem Unternehmen etwas ab, stehen sich zwei unvereinbare Interessen gegenüber: Als Manager muss er einen guten Preis für das Unternehmen erzielen. Als Privatperson will er möglichst wenig zahlen. Ein unauflösbarer Widerspruch.

Hat Karl Behle das Haus zu einem angemessenen Preis erworben? Das Diakoniewerk kaufte die Immobilie im Jahr 1988 für umgerechnet etwa 700.000 Euro. Und 20 Jahre später soll sie knapp 200.000 Euro weniger wert sein? Seitdem sind in Berlin die Immobilienpreise nur gestiegen. Behle selbst beantwortete Fragen von CORRECTIV zu dem Fall nicht.  

Zwei Immobilienexperten aus Berlin gehen davon aus, dass Behle die Immobilie für einen Preis weit unter dem Marktpreis erwarb. Eine ortskundige Immobilienmaklerin schätzt, dass das Grundstück inklusive der Villa im Verkaufsjahr 2010 zwischen 1,3 bis 1,5 Millionen Euro wert gewesen sein müsste. Also knapp dreimal so viel wie Behle zahlte.

Blick auf die Front der Villa. Drei Gärtner arbeiten auf dem Grundstück.

Blick auf die Sonnenterassen der Villa am Marienplatz. Auf dem Grundstück sind mehrere Gärtner beschäftigt.

Jonathan Sachse (correctiv.org)

Für eine genaue Einschätzung fehlen Informationen über den Zustand des Gebäudes und die Größe der Wohnfläche. Entscheidend für die Einschätzung des Kaufpreises ist vor allem das lebenslange Wohnrecht, das Behle mit seiner Frau schon seit den 1990er Jahren genießt. Es ist unklar, warum Behle und seine Frau dieses Recht damals erhielten. Fragen dazu beantwortete das Diakoniewerk Bethel nicht.

In regelmäßigen Abständen ermittelt ein Gutachterausschuss in Berlin die Bodenrichtwerte für alle Berliner Bezirke. Kostete ein Quadratmeter am Marienplatz 2010 noch 320 Euro, sind es heute 610 Euro. Allein der Wert des 1500 Quadratmeter großen Grundstücks ist demnach von 480.000 Euro auf 915.000 Euro gestiegen.

Weder das Diakoniewerk Bethel noch Karl Behle, noch seine Vorstandskollegin Lehmann-Giannotti reagierten auf schriftliche Anfragen. Bei einem Ortsbesuch hieß es sowohl bei seiner Villa als auch am Geschäftssitz, es sei niemand zu sprechen.

CORRECTIV hat ein zweites Grundstücksgeschäft des Diakoniewerkes unter der Ägide von Karl Behle überprüft. 2015 verkaufte das Diakoniewerk sein Mutterhaus, den damaligen Wohnort der Diakonissen in Berlin, für 7,5 Millionen Euro. Aus den Unterlagen ergeben sich keine Hinweise, dass das Werk das Haus unter Wert verkauft haben könnte.

Ein Weg für Behles Auto

Als Behle die Villa am Marienplatz gekauft hatte, gab es noch ein Problem: Dem Grundstück fehlt eine Garage. Also ließ er sich und seiner Frau die Nutzung einer Garage auf dem Nachbargrundstück, auf dem sich der Verwaltungssitz des Diakoniewerkes befindet, vertraglich zusichern.

Auf einer Skizze ist ein Weg eingezeichnet.

Links die Geschäftsstelle des Diakoniewerkes (P5a). Rechts die Villa der Behles (M7). Der Weg führt um die Geschäftstelle zur Garage und von dort zum privaten Grundstück.

Foto aus der Grundbuchakte

Darüber hinaus ließ er sich ein genau markiertes „Geh- und Fahrrecht“ in den Kaufverträgen zusichern. Damit er und seine Frau über das Grundstück zu ihrer Garage gehen dürfen.

Das Problem: Sollte das Diakoniewerk dieses Grundstück einmal verkaufen wollen, mindern die Rechte von Behle seinen Wert. Denn welcher Käufer will schon einen derart gerissenen Manager täglich bei sich über das Grundstück laufen lassen.


Haben Sie Hinweise zum Diakoniewerk Bethel oder zu anderen Einrichtungen, die wir uns genauer anschauen sollten? Schreiben Sie uns gerne. Die CORRECTIV-Reporter Frederik Richter und Jonathan Sachse können Sie über verschiedene Wege für einen vertraulichen Austausch erreichen, die Sie auf dieser Seite finden. 

Mitarbeit: Florian Farken