Mehr als die Hälfte aller Beschäftigten in Restaurants und Cafes sind Minijobber. Wem nützt das eigentlich?
Minijobs sind ein Geschenk für Arbeitgeber: Sie führen dazu, dass sie stets auf ein flexibles Heer von Arbeitnehmern zurückgreifen können. Kein Wunder, dass Branchenvertreter dafür kämpfen, dass Minijobs weiterhin existieren. Wie zeigen die Branchen, in denen die meisten Minijobber arbeiten.
Das Stichwort, das die Branchenverbände gern verwenden, lautet: „Auftragsspitzen“. Eine Auftragsspitze liegt zum Beispiel vor, wenn nachts am Wochenende Würstchen gebraten werden müssen. Wenn die Biergärten plötzlich voll sind. Wenn ein Rockfestival stattfindet. Wenn Menschen in der Adventszeit in die Läden strömen.
Der Bundesverband der Arbeitgeber mag deshalb Minijobs. Sie seien unerlässlich für Betriebe, bei denen Nachfrage und Öffnungszeiten stark schwanken. Und ohne den Brutto-gleich-Netto-Anreiz hätten es viele Betriebe schwer, überhaupt Arbeitskräfte zu finden.
Minijobber und sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in den größten Branchen
Allergisch gegen Minijob-Kritik
Auf Kritik am Minijob reagiere man „sehr allergisch“, sagt Ingrid Hartges, Geschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga. 1999 entzog die rot-grüne Bundesregierung einem Teil der Minijobs die Steuerfreiheit. Wer einen Minijob als Nebenjob machte, musste diesen Lohn von nun an versteuern. Das führte zu Aufruhr. Über Nacht, so eine Dehoga-Sprecherin, seien in ihrer Branche 100.000 Stellen verloren gegangen.
Auch der Bundesverband deutscher Zeitungsverleger startete eine Kampagne gegen das Gesetz von Rot-Grün – kein Wunder, beschäftigen die Verlage doch rund 150.000 Minijobber als Zeitungsausträger.
Die Arbeitgeber setzten sich durch: Im Zuge der Agenda 2010 wurde die alte Regelung wieder eingeführt. Bereits 2004 überstieg die Anzahl der Minijobber die Marke von sieben Millionen. Dort ist sie seither geblieben.
Verstöße gegen Arbeitsrecht
Die Unternehmen profitieren nicht nur von dem Riesenheer stets verfügbarer Arbeitnehmer. Manche profitieren auch auf illegale Weise. Etwa, indem sie Minijobbern bezahlten Urlaub, Lohn an Feiertagen, Lohn im Krankheitsfall oder die Teilnahme an Weiterbildungen verweigern. An die 40 Prozent der Minijobber erhalten keinen Lohn, wenn sie krank sind, und kein Geld, wenn sie mal Urlaub haben, fand das Leibniz-Institut in Nordrhein-Westfalen heraus. Ganz zu schweigen davon, dass rund 15 Prozent der Minijobber dort keinen Mindestlohn erhalten.
Die Bundesregierung hat erkannt, dass sie etwas gegen die Rechtsverstöße tun muss. Im Koalitionsvertrag von 2013 steht, dass Minijobber stärker über ihre Rechte aufgeklärt werden sollen.
Thorsten Vennebusch von der Minijobzentrale zeigt das Ergebnis: einen Flyer, der allen Minijobbern zugeschickt wird, wenn sie eine Stelle antreten. Darin steht, dass Minijobber die gleichen Rechte wie andere Arbeitnehmer haben. Dass sie bezahlten Urlaub bekommen sollen und ihren Lohn auch dann, wenn sie krank sind.
Aber: So, wie die Bundesregierung es formuliert hat, ist es die Verantwortung der Minijobber, ihre Rechte einzufordern. Claudia Weinkopf, die an der Universität Duisburg-Essen zu Arbeitsthemen forscht, findet das „ziemlich schräg“. Sie fragt: „Warum werden denn nicht die Arbeitgeber stärker über ihre Pflichten informiert?“
Kein Wunder, dass die Praxis anders aussieht. Dass viele Minijobber nicht das bekommen, was ihnen zusteht.
Natasza O., 40 Jahre alt, arbeitet seit zwei Jahren als Minijobberin in der Nähe von Berlin in einem Mode-Outlet. Sie erfuhr in einer Beratungsstelle, dass ihr Urlaubs- und Krankengeld zusteht. Mit einem Zettel, der die Rechtslage erklärt, traute sie sich zu ihrem Chef. Der telefonierte erstmal herum, um herauszufinden, wie andere Läden das mit den Minijobbern machen. Nach einigem Hin und Her habe er ihr schließlich das Urlaubsgeld zugesichert. Er gab ihr das Gefühl: Es geschehe aus gutem Willen. Ihrem Kollegen, ebenfalls Minijobber, habe der Chef gesagt, es gebe keinen bezahlten Urlaub.