Faktencheck

Weibliche Genitalverstümmelung für Justizministerin nicht „theoretisch möglich“

„Journalistenwatch” schreibt, für die Justizministerin Katarina Barley sei Genitalverstümmelung an Mädchen „theoretisch möglich", wenn diese durch die Religionsfreiheit gerechtfertigt sei. Das stimmt aber nicht.

von Caroline Schmüser

Die zerschnittene Rose gilt mittlerweile als Symbol für weibliche Genitalverstümmelung. Die deutsche Gesetzlage will Mädchen und Frauen schützen.© Unsplash / Matthew Henry

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„Journalistenwatch” hat die Aussagen der Justizministerin aus dem Kontext gerissen. Selbst wenn weibliche Genitalverstümmelung eine religiöse Praxis wäre, wäre sie aufgrund ihrer schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen in Deutschland nicht erlaubt.

Am 23. März 2018 veröffentlichte die Website „Journalistenwatch“ einen Artikel, in dem der Justizministerin Katarina Barley vorgeworfen wird, für sie sei „Genitalverstümmelung von Mädchen theoretisch möglich“.

Grundlage für den Artikel war ein Interview der „Zeit“ mit der Justizministerin Katarina Barley. In diesem wurde Barley auf eine Debatte angesprochen, die derzeit in in vielen europäischen Ländern geführt wird: Kann man Beschneidungen bei Jungen rechtfertigen, wenn man sie bei Mädchen verbietet?

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Der relevante Abschnitt aus dem „Zeit“-Interview mit Justizministerin Katarina Barley vom 21. März 2018.

Screenshot

Unter Berücksichtigung der Gesetzeslage und durch Rücksprache mit dem Justizministerium ordnet CORRECTIV Barleys Aussagen im „Zeit“-Interview ein.

Eindeutige Gesetzeslage zur weiblichen Genitalverstümmelung

Die Justizministerin grenzte im „Zeit“-Interview die weiblichen Genitalverstümmelung ganz klar von der Beschneidung von Jungen ab. Die Genitalverstümmelung an Frauen und Mädchen sei „immer ein massiver Eingriff, der nicht selten den Tod und häufig lebenslange Schmerzen und psychologische Traumata nach sich zieht.“

Zur weiblichen Genitalverstümmelung gibt es in Deutschland deshalb eine eindeutige Gesetzeslage: Diese ist in allen Fällen illegal. Wer die äußeren Genitalien einer weiblichen Person verstümmelt, wird mit Freiheitsentzug bestraft.

Kindeswohlgefährdung nicht durch Religionsfreiheit gedeckt

Die Beschneidung von Jungen ist dagegen erlaubt, solange diese „nach den Regeln der ärztlichen Kunst“ durchgeführt wird. Das Gesetz wurde unter Berücksichtigung der Religionsfreiheit und des Rechts der Eltern auf Erziehung beschlossen. Voraussetzung ist außerdem, dass durch die Praxis der Beschneidung nicht das Wohl des Kindes gefährdet wird.

Das bedeutet im Umkehrschluss: Die „Kindeswohlgefährdung“ ist, wie die Gesetzeslage zur männlichen Beschneidung zeigt, nicht durch die Religionsfreiheit gedeckt. Die Gefahren und schwerwiegenden Folgen der weiblichen Genitalverstümmelung würden eine solche Gefährdung des Kindeswohls darstellen.

Katarina Barley nannte die Frage, ob man die weibliche Genitalverstümmelung erlauben würde, wäre sie religiös bedingt, ohnehin eine „theoretische Frage“. Diese ist in den meisten Fällen kulturell begründet.