Der Prozess, Tag 30
Kuverts voller Geld habe seine Ex-Frau in der Alten Apotheke bekommen, behauptet Ralf U.. Von der Unterdosierung und dem Verkauf abgelaufener Zytostatika habe sie gewusst. Derweil ermittelt die Staatsanwaltschaft Essen nun gegen Stadtmanns Eltern.
Welchen Eindruck macht Peter Stadtmann?
Als er den Raum betritt, wirkt Stadtmann fast fröhlich. Er unterhält sich ein paar Minuten mit der Protokollantin, lacht. Sobald er sich jedoch zu seinen Anwälten setzt, blickt er missmutig vor sich hin, flüstert ab und zu mit seinen Verteidigern und macht sich Notizen.
Welchen Eindruck machen die Betroffenen?
Sieben Betroffene sitzen heute in den Reihen der Nebenklage. Der Zuschauerraum ist gut gefüllt. Etwa 20 Personen sehen sich die Verhandlung an. Nach einer kurzen Mittagspause sind es schon weniger. Sechs Journalisten verfolgen den Prozess.
Die wichtigsten Ereignisse des Tages
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Rückläufer-Umetikettierung und Unregelmäßigkeiten im Bestand. Ralf U. sagt aus, was er von seiner Frau Sonja C. erfahren hat. Es sind also nicht seine eigenen Beobachtungen, sondern die Wiedergabe dessen, was ihm seine Frau erzählt haben soll. Es geht um die Zeit, als die beiden noch verheiratet waren und Sonja C. im Zyto-Labor der Alten Apotheke arbeitete. Sonja C. war auch vor Gericht geladen, hatte die Aussage jedoch verweigert. Peter Stadtmann habe Zytostatika-Rückläufer umetikettiert und die abgelaufenen Medikamente dann wieder weiterverkauft, sagt Ralf U.. Sonja C. habe gesehen, wie Kisten mit Zytostatika-Rückläufern, also Therapien, die doch nicht an dem Tag verwendet werden konnten, abends in die Apotheke gekommen seien. Am nächsten Morgen seien sie von Stadtmann neu etikettiert worden. Außerdem habe es Unregelmäßigkeiten im Bestand und den Bestellungen gegeben, sagt Ralf U. So, dass gewissen Mengen verkauft worden wären, aber der Bestand im Lager nicht geringer würde. Nach Aussage Ralf U.s hätte seine Frau dies bemerkt, da sie für Bestellungen zuständig gewesen sei. Sonja C. selbst habe immer sauber gearbeitet, sagt Ralf U.
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Telefonische Beschwerde des Arztes. Ralf U. sagt aus, einer der Ärzte, die von Stadtmann Zytostatika geliefert bekamen, soll die Qualität von Krebszubereitungen bemängelt haben. Seine Ex-Frau Sonja C. habe ein Telefonat im Labor mitgehört. Der Arzt habe angerufen und gefragt, was Stadtmann ihm denn da geliefert habe. Der Arzt soll mehrmals die optische Beschaffenheit der Krebstherapien bemängelt haben. Stadtmann habe das heruntergeredet, das könne schon mal anders aussehen. Der Sachverständige der Landeszentrale für Gesundheit (LZG), Christopher Luchte hatte bereits ausgesagt, ihm sei ein optischer Unterschied bei zwei Proben mit unterschiedlichem Wirkstoffgehalt aufgefallen.
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Bis zu 6000 Euro im Monat. Bereits vor der Übernahme der Apotheke durch Peter Stadtmann seien Überstunden schwarz abgerechnet worden, erzählt Ralf U.. Sonja C. habe zusätzliches Geld, 300 bis 400 Euro, für ihre gute Arbeit bekommen. Doch als Peter Stadtmann Inhaber wurde, sei es deutlich mehr geworden: „Sie ist dann mit 4000 bis 6000 Euro netto nach Hause gekommen.“ Diese hätten sich aus dem offiziellen Gehalt von 1900 Euro, schwarz bezahlten Überstunden in Höhe von 1000 Euro und zusätzlichen Zahlungen zwischen 1000 und 3000 Euro pro Monat zusammengesetzt. Das Geld habe sie von der Mutter des Angeklagten geholt oder direkt von Stadtmann bekommen. Für den Zeugen ging das weit über eine Bezahlung für gute Arbeit hinaus. Ralf U. sagt, er habe zu seiner Frau gesagt, sie würde für etwas bezahlt, das nicht richtig sei.
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Die Mutter, das Geld und die Ermittlungen. Die erwähnten Extrazahlungen habe Sonja C. in Kuverts aus der Privatwohnung von Stadtmanns Eltern geholt, so der Zeuge. Sie sei hoch gegangen, habe sich mit der Mutter des Angeklagten unterhalten und habe das Geld von ihr bekommen. Am Ende der Verhandlung verzichten Stadtmanns Anwälte darauf, den Zeugen zu befragen. Der erneute Hinweis auf die Mutter Stadtmanns durch den Zeugen Ralf U. ist interessant. Auch andere Zeugen, unter anderem Birgit K., hatten immer wieder die Rolle der Mutter in der Apotheke betont. Seit Kurzem ermittelt nun auch die Staatsanwaltschaft Essen gegen sie. Gegen beide Elternteile laufen Ermittlungen wegen eines ungenehmigten Medikamentengroßhandels, gegen die Mutter Stadtmanns wird wegen Beihilfe zu seinen Taten ermittelt. Oberstaatsanwältin Anette Milk teilt gegenüber CORRECTIV mit, dass es noch kein Ergebnis gebe, da die Ermittlungen noch andauern. Die Stadt Bottrop prüft momentan die Betriebserlaubnis der Alten Apotheke und hat Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft beantragt. Allein die Aufnahme der Ermittlungen gegen die Apothekeninhaberin ist für die Stadt noch nicht Anhaltspunkt genug. „Erkenntnisse aus der neuen staatsanwaltlichen Ermittlung werden natürlich — sofern die Stadt Bottrop Akteneinsicht bekommt — auch in der apothekenrechtlichen Prüfung berücksichtigt werden“, so ein Sprecher der Stadt.
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Motive für die Anzeige. Ralf U., der zu diesem Zeitpunkt in Haft saß, wollte irgendwann mit der Vergangenheit abschließen. Er begann, teilweise selbst, teilweise durch seine Mutter, Briefe an die Finanzbehörden und Staatsanwaltschaften zu schicken, in denen er zunächst von den Schwarzgeldzahlungen in der Alten Apotheke, später auch von Unterdosierungen schrieb. 2013 kam es dann zur Strafanzeige und zwei Beamte vernahmen Ralf U. zu den Vorwürfen gegen Stadtmann. Sie hätten ihn ungewöhnlich lange, eine halbe Stunde, darüber aufgeklärt, was ihm im Falle einer Falschaussage passieren würde. Einer der Beamten habe dann erzählt, dass er ein Freund von Stadtmann im Schützenverein sei und das gar nicht sein könnte. Ralf U. sagt, er habe sich unter Druck gesetzt gefühlt, seine Aussage so nicht zu machen. Dennoch habe er sich nicht abbringen lassen. Auf die Frage der Nebenklage, warum er nicht früher Anzeige erstattet habe, sagt Ralf U. mit erstickter Stimme: „Das tut mir aufrichtig leid, dass ich das nicht schon vorher zur Anzeige gebracht habe.“ Trotz Ralf U.s Aussage wurden Teile der Ermittlungen damals nach zwei Wochen eingestellt.
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Nebenklage will Sörgel weiter ausschließen. Die Nebenklage beharrt weiter darauf den Sachverständigen Fritz Sörgel auszuschließen. Sörgel vom Pharmazeutischen Institut in Nürnberg hatte die Gutachten des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) und des LZG bewertet. Am 27. Verhandlungstag hatte ihn die Nebenklage als Sachverständigen abgelehnt. Sie wirft ihm Unaufmerksamkeit vor Gericht und Kontakte zu Journalisten vor. Nun wollen die Nebenkläger ihn zu einer chronischen Krankheit befragen und dazu, ob er am Tag seiner Aussage Schmerzmittel nahm. Ein Wahrnehmungsdefizit Sörgels schlössen sie nicht aus. Die Verteidigung stellt sich dagegen, Sörgel sei nicht befangen.
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Neuer Verhandlungstag für Ex-Freundinnen und besten Freund. Der Richter setzt zusätzlich zu den zwei Verhandlungstagen nächste Woche, noch einen weiteren an. Er will am Donnerstag, den 17. Mai, einige Zeugen zu Stadtmanns Wesen befragen. Schon am 29. Verhandlungstag hatte das Gericht mit Hilfe des psychologischen Sachverständigen Boris Schiffer Zeugen zu Peter Stadtmann befragt. Auch bei dem neuen Termin am Donnerstag geht es darum, zu klären, ob sich der Angeklagte nach einer Kopfverletzung 2008 verändert habe. Geladen sind Georg K., der von Zeugen als der beste Freund Stadtmanns benannt wurde, Barbara K., die mit dem Angeklagten zusammen gewesen sein soll, seine Ex-Frau Simone B. und eine weitere Bekannte.
Ausblick auf den nächsten Verhandlungstag
Am 16. Mai sind erneut Sachverständige geladen. Henning Blume als Sachverständiger der Verteidigung, Martina Kinzig, die Mitarbeiterin Fritz Sörgels für das Pharmazeutische Institut in Nürnberg und Christoph Luchte vom Landeszentrum Gesundheit sollen erneut aussagen.
Die nächsten Verhandlungstage im Überblick (Beginn jeweils 09:30 Uhr): 16.05., 17.05., 18.05., 23.05., 24.05., 11.06., 13.06., 14.06., 18.06., 19.06., 20.06., 22.06., 25.06., 27.06. und 29.06.