Auch EU-Ausländer müssen Anspruch auf Kindergeld nachweisen
Angeblich erhalten EU-Ausländer Kindergeld, ohne dass die Familienkasse den Anspruch darauf prüft. Werden Deutsche beim Kindergeld wirklich benachteiligt? Wir haben herausgefunden: Diese Behauptungen sind falsch.
Watergate.tv hat einen vermeintlichen „Kindergeldskandal“ aufgedeckt. So heißt es im Titel einer Meldung des Blogs vom 22. August 2018. Deutsche müssen demnach ihren Anspruch auf Kindergeld nachweisen, EU-Ausländer aber nicht. CORRECTIV ist den Behauptungen aus dem Artikel von Watergate.tv nachgegangen. Das Ergebnis unserer Recherche: Der Skandal existiert nicht.
Der Meldung zufolge konnte die Familienkasse Zahlungen an EU-Ausländer bis vor kurzem noch einstellen, sobald es Zweifel am Aufenthaltsstatus der Person gab. Aktuell sei dies nicht mehr erlaubt, die Behörde könne Zahlungen nicht „eigenmächtig einstellen“. Die Ausländerbehörde müsse den Status einer „illegalen Aufenthalt“ einer Person erst bestätigen, bevor die Familienkasse kein Kindergeld mehr auszahlt. Dazu behauptet Watergate.tv, EU-Ausländer müssten überhaupt keinen Anspruch auf Kindergeld nachweisen.
Sind diese Behauptungen korrekt? CORRECTIV hat bei der Bundesagentur für Arbeit angefragt, die für die Verwaltung des Kindergeldes in Deutschland zuständig ist. Per E-Mail teilte Aneta Schikora, Sprecherin der Arbeitsagentur, mit, dass die Familienkasse „in jedem Einzelfall die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Kindergeld prüft“. Schikora zufolge müssen alle Antragsteller, egal welcher Staatsangehörigkeit ihren Anspruch nachweisen.
Sobald der Anspruch nicht mehr besteht, werde die Zahlung eingestellt. Der Kindergeldanspruch hänge vom Aufenthaltsstatus der jeweiligen Person ab. EU-Bürgern stehe das Kindergeld aufgrund des Freizügigkeitsrechtes in der EU zu. Dieses Recht können EU-Bürger auch verlieren, etwa wenn sie falsche Angaben zu ihrem Arbeitsverhältnis machen. Das schreibt das Bundesinnenministerium auf seiner Internetseite. „In solchen Fällen muss sich die Familienkasse vor der Einstellung der Kindergeldzahlung bei der Ausländerbehörde vergewissern“, erklärte Aneta Schikora. Diese Regelung ist nicht neu.
Es ist aber korrekt, dass es eine Gesetzesänderung gab. Schikora zufolge wird die Familienkasse seitdem automatisch über ein Ausländerzentralregister informiert, wenn einem EU-Bürger das Freizügigkeitsrecht aberkannt wird. Dadurch könne die Familienkasse früher als bisher eine Bestätigung bei der zuständigen Ausländerbehörde einholen und die Zahlungen einstellen.
Es stimmt nicht, dass EU-Bürger beim Kindergeld begünstigt werden, wie es Watergate.tv behauptet. EU-Bürger und Deutsche müssen ihren Anspruch auf Kindergeld gleichermaßen nachweisen. Die Familienkasse kann durch die automatische Benachrichtigung per Ausländerregister schneller auf Änderungen des Aufenthaltsstatus reagieren.