Nein, dieses Video beweist nicht, dass in Covid-19-Impfstoffen metallische Bestandteile enthalten sind
In Sozialen Netzwerken verbreitet sich ein Video, in dem angeblich mikroskopische Aufnahmen von Blut und Impfstoffen gezeigt werden. Die Aufnahmen zeigten angeblich, dass Covid-19-Impfstoffe metallische Bestandteile enthielten. Das belegen die Aufnahmen laut Aussagen von Experten jedoch nicht.
Auf Facebook (hier und hier) verbreitet sich ein Video, das angeblich mikroskopische Aufnahmen von Covid-19-Impfstoffen und dem Blut von Geimpften zeigt. Die Aufnahmen würden angeblich zeigen, dass die Impfstoffe mit metallischen Bestandteilen verunreinigt seien und sich im Blut von Geimpften seltsame Formen bilden würden, die es normalerweise nicht gebe.
Wir haben die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) um eine Einschätzung des Videos gebeten. Für die DGHO antwortet uns Andreas Tiede von der Medizinischen Hochschule Hannover, dass das Video „eine Atmosphäre der Verunsicherung“ schaffe, „in die dann eindeutig falsche und beängstigende Aussagen eingestreut“ würden.
Veit Bücklein vom Klinikum der Universität München betont zudem, dass, anders als im Video behauptet, keine Hinweise darauf gebe, „dass Nebenwirkungen der Covid-Impfstoffe versteckt oder vertuscht“ würden.
Was für Proben in dem Video zu sehen sind, ist laut Experten unklar
In dem Video sind die Heilpraktikerin Bärbel Ghitalla und der Facharzt für Allgemeinmedizin Axel Bolland zu sehen, wie aus einer Nachricht auf Telegram hervorgeht. Außerdem sind die Rechtsanwälte Holger Fischer und Elmar Becker zu sehen, die der Organisation „Anwälte für Aufklärung“ angehören. Die Organisation gehört bereits seit Mitte 2020 zum Umfeld der Querdenken-Bewegung. Laut des Telegram-Beitrags ist Dominik Stapf redaktionell verantwortlich für das Video. Stapf ist ebenfalls der Querdenker-Szene zuzuordnen.
Ghitalla und Bolland kommentieren in dem Video verschieden Bilder, die angeblich mikroskopische Aufnahmen von Covid-19-Impfstoffen oder dem Blut von Geimpften sein sollen.
Die Aufnahme auf der linken Seite wird im Video mit den Worten kommentiert: „Solche Formen habe ich noch nie gesehen. Es ist jetzt auch die erste extreme Form, weil ich ja so nah, einen Tag nach der Impfung, diese Leute gar nicht habe“. Damit ist wohl gemeint, dass die Aufnahme das Blut einer geimpften Person zeige, das ihr einen Tag nach einer Impfung gegen Covid-19 abgenommen worden sei.
Die Aufnahme auf der rechten Seite wird mit den Worten kommentiert: „Jetzt haben wir wieder so ein Dreieck. So ein Dreieck, was offensichtlich bei Johnson und Johnson immer drin ist.“
Andreas Tiede von der Medizinischen Hochschule Hannover schreibt uns per E-Mail, es sei „nicht beurteilbar, welche Relevanz und Aussagekraft die gezeigten mikroskopischen Bilder“ hätten, da im Video lediglich angedeutet werde, was überhaupt zu sehen sei. Angedeutet wird darin, dass ein Impfstoff oder das Blut von Geimpften untersucht würden.
Thorsten Kaiser, leitender Oberarzt am Institut für Labormedizin am Universitätsklinikum Leipzig, erklärt uns auf Nachfragen, möglicherweise sei „eine Art von geronnenem Blut“ zu sehen. „Teilweise sah es für mich aber auch so aus, als wenn da ein Haar mit dabei gewesen wäre“, so Kaiser weiter. Wie die Bilder zustande gekommen seien, könne er nicht sagen. Das Blut sei offensichtlich nicht so verarbeitet worden, wie das in einem medizinischen Labor üblich sei. Auf die gezeigte Art bewerte man „auf jeden Fall kein Blutbild“. Solche Blutbilduntersuchungen seien außerdem nicht geeignet, um metallische Inhaltsstoffe zu beschreiben, erklärt Kaiser.
Verwendete Bildgebung nicht geeignet für Blutanalyse
Dem stimmt auch Veit Bücklein vom Klinikum der Universität München zu. Der Hämatologe sagt, dass Blut üblicherweise nach der sogenannten Pappenheim-Methode gefärbt werde. „Durch diese Färbung werden die unterschiedlichen zellulären Bestandteile des Bluts unterscheidbar, charakterisierbar und quantifizierbar“, erklärt er uns per E-Mail. Für die Methode gebe es klare Qualitätsmerkmale, sodass man zwischen Strukturen, die durch eine fehlerhaft durchgeführte Untersuchung zustande kommen, und „realen krankheitsbedingten Veränderungen“ unterscheiden könne.
Diese Methode käme in dem Video aber nicht zum Einsatz. Die Bilder im Video seien mittels Dunkelfeld-Mikroskopie erstellt worden. „Hierbei handelt es sich um eine Methode zur Blutanalyse, deren Stellenwert in der Diagnostik von Erkrankungen nicht als erwiesen angesehen werden kann“, so Bücklein. Die Methode sei „in der Vergangenheit wiederholt zum Beispiel zur Krebs-Früherkennung oder zur Erkennung von Fehlernährung“ vorgeschlagen worden. Die Methode sei jedoch nicht geeignet, um „Krebs- und andere Erkrankungen zuverlässig zu erkennen“.
Wassermangel und „Geldrollenbildung“ haben laut Experten nichts miteinander zu tun
Über die angeblichen Aufnahmen von Blutproben wird im Video behauptet, dass sie „ungewöhnlich“ seien. Es seien sogenannte „Geldrollen“ zu sehen. Meistens sei dafür ein „Wassermangel“ verantwortlich.
Eine sogenannte Geldrollenbildung entstehe dann, erklärt Thorsten Kaiser, wenn sich rote Blutkörperchen aneinanderlagerten. Es sehe in der gezeigten Form allerdings so aus, als sei das erst außerhalb des menschlichen Körpers passiert. Die Untersuchung einer Blutprobe per Mikroskop eigne sich zudem kaum dafür, um festzustellen, ob jemand einen Wassermangel hätte.
Andreas Tiede schreibt uns per E-Mail, es werde „nicht schlüssig beschrieben, ob die Bilder von Patientinnen oder Patienten stammen, die klinisch festgestellte Gesundheitsbeeinträchtigungen nach Impfung hatten, oder ob es sich um Material von komplikationslos Geimpften“ handele.
Veit Bücklein erklärt, die „Geldrollenbildung“ könne auch dann beobachtet werden, wenn Blut mit der Pappenheim-Methode untersucht werde. Das geschehe zum Beispiel dann, wenn „zu viele rote Blutkörperchen pro Fläche aufgetragen sind“. Dass sich das Phänomen durch das Trinken von Wasser verändere sei „nicht zu erwarten“, solange der Patient oder die Patientin bei der ursprünglichen Blutentnahme nicht „massiv dehydriert“ sei.
Weiter sagt Veit, dass sich die im Video gezeigten Veränderungen des Blutes möglicherweise dadurch erklären ließen, dass das Blut bei der Untersuchung bereits teilweise geronnen sei. „Bei entsprechend unsachgemäßer Blutentnahme kann das Blut bereits im Auffanggefäß gerinnen und könnte somit auch bei ‚sofortiger‘ Untersuchung in der Dunkelfeld-Mikroskopie entsprechende Veränderungen aufweisen.“
Experten widersprechen Aussagen zu Kristallstrukturen und metallischen Teilchen
Über einen leuchten Faden wird im Video gesagt, er habe unter dem Mikroskop „richtig metallisch geglänzt“. Es heißt, die „Strukturen sind ja irgendwie eckig und das ist unnormal“. Außerdem zeigten die „Reflektionen“, dass es sich um ein Material handeln müsse, dass kein Licht absorbiere. Deswegen müsse man davon ausgehen, „dass das was Metallisches ist.“
Dem widerspricht Thorsten Kaiser. Ein Leuchten sei kein Hinweis darauf, dass es sich um etwas Metallisches handele. Die gezeigten Bilder seien offenbar mit einem Lichtmikroskop gemacht worden, welches von unten einen Objektträger beleuchtet, etwa ein Glasplättchen, auf das eine Probe aufgebracht wird. Metall ließe aber „üblicherweise keinerlei Licht durch“, sei also nicht durchsichtig. Auf einer mikroskopischen Aufnahme würde man daher lediglich etwas Schwarzes sehen, „aber nichts, was glänzt oder leuchtet.“
Weiter gibt Kaiser zu bedenken, dass Blut durch sehr feine Verästelungen im Körper, die sogenannten Kapillare, transportiert werde. Bevor das Blut in diese Kappilare gelange, würde es mehrfach gefiltert, sodass metallische Bestandteile, die vermeintlich bei einer Injektion hineingelangen könnten, gar nicht mehr enthalten seien und man diese mittels einer Blutuntersuchung gar nicht finden würde.
Gerüchte über metallische Teile in Impfungen kursieren immer wieder. Zuletzt wurden sie bei der sogenannten Pathologie-Konferenz verbreitet. Wir haben zu diesem Thema bereits mehrere irreführende Behauptungen überprüft, zum Beispiel dass die Impfungen gegen Covid-19 zu einer magnetischen Haftung von Gegenständen am Arm führen würde.
In dem Video wird weiter gemutmaßt, dass auf den Bildern „kristalline Strukturen“ zu sehen seien. Thorsten Kaiser von der Uniklinik Leipzig sagt uns, dass er nicht sagen könne, ob es sich tatsächlich um einen Impfstoff handele. Die Bilder seien vermutlich dadurch zustande gekommen, dass sich eine Flüssigkeit auf dem Objektträger erwärmt habe und dann teilweise oder ganz angetrocknet sei. Befänden sich in der Flüssigkeit Salze, die in jedem Wassertropfen vorkommen können, dann würden diese „auskristallisieren“. Das habe aber mit Vorgängen im menschlichen Körper nichts zu tun, weil „da ja Flüssigkeit ist“. In Kristallform lägen die Impfstoffe somit nicht im Körper vor.
Die Faktenchecker der AFP haben bereits ähnliche Bilder in Zusammenhang mit der Behauptung geprüft, dass die Impfstoffe sogenanntes „Graphen“, also ein Material aus Kohlenstoff, enthielten. Auch gegenüber der AFP betonten Expertinnen und Experten jedoch, dass es sich dabei lediglich um Salzkristalle handele.
Impfnebenwirkungen werden offiziell dokumentiert
Zu Beginn des Videos wird behauptet, dass Impfnebenwirkungen nicht dokumentiert und heruntergespielt würden. Dem widerspricht Andreas Tiede von der Medizinischen Hochschule Hannover: Unter „den vielen unsachlichen Behauptungen“ steche heraus, „dass Impfnebenwirkungen nicht registriert und ausgewertet würden“. Das ist jedoch falsch, wie Tiede mit Verweis auf den sechsten Paragraphen des Infektionsschutzes erklärt Alle Ärzte, die Nebenwirkungen oder Komplikationen feststellen, seien zur Meldung sogar verpflichtet.
Wie wir bereits in einem Hintergrundbericht erklärt haben, werden Impfnebenwirkungen von Covid-19-Impfstoffen durch Ärztinnen und Ärzte an die zuständigen Gesundheitsämter gemeldet. Diese leiten die Meldungen wiederum an das Paul-Ehrlich-Institut weiter, das Sicherheitsberichte zu den Impfstoffen veröffentlicht.
Hersteller von pharmazeutischen Produkten müssen Nebenwirkungen zudem bei der Europäischen Arzneimittelagentur melden – auch diese Daten fließen in die Sicherheitsberichte des Paul-Ehrlich-Instituts ein. Über eine deutsche Online-Plattform können auch Privatpersonen Verdachtsfallmeldungen einreichen. Für Covid-19-Impfungen gibt es dort ein spezielles Meldeformular.
Andreas Tiede betont zudem, dass seltene aber schwerwiegende Nebenwirkungen von deutschen Ärzten weltweit zuerst festgestellt und dazu publiziert worden sei. Beispielsweise zu Gerinnungsstörungen (hier und hier). Deutsche Fachgesellschaften hätten außerdem international zuerst „Algorithmen zur Diagnostik und Therapie der Sinusvenenthrombosen nach AstraZeneca Impfung publiziert“ (hier).
Richtig sei laut Tiede zwar, dass es bisher keine Langzeiterfahrungen mit den Impfstoffen gebe. Solche Erfahrungen erst abzuwarten, habe die „dramatische Situation“ nicht erlaubt. „Sehr viel mehr Menschen als ohnehin schon wären an Covid-19 verstorben.“
Fazit: Was auf den Bildern im Video zu sehen ist, ist laut Experten unklar. Möglicherweise handele es sich um Blut, das unsachgemäß entnommen und aufbereitet worden sei. Das Blut mit Hilfe eines Lichtmikroskops zu untersuchen, sei laut den Experten aber keine geeignete Methode, um einen Wassermangel festzustellen oder um metallische Teilchen zu entdecken.
Ob im Video wirklich Impfstoffe gezeigt wurden, ist ebenfalls unklar. Dass eine Flüssigkeit trocknet und Kristalle bildet, ist weder ungewöhnlich, noch besorgniserregend, denn Impfstoffe trocknen im Körper oder im Blut nicht aus. Anders als im Video behauptet werden Impfnebenwirkungen in Deutschland genau dokumentiert, das Infektionsschutzgesetz verpflichtet Ärztinnen und Ärzte dazu.
Redigatur: Steffen Kutzner, Till Eckert