Faktencheck

Mitglieder der „Pathologie-Konferenz“ verbreiten unbelegte Behauptungen über Covid-19-Impfungen und Todesfälle

In einem Video behaupten zwei Pathologen im Ruhestand: Eine Analyse von zehn Obduktionen zeige, dass die untersuchten Menschen aufgrund von Impfungen gegen Covid-19 gestorben seien. Ihre Aussagen werden von Fachverbänden und Fachkollegen jedoch als „wissenschaftlich nicht fundiert“ zurückgewiesen.

von Matthias Bau

Titelbild_Pathologiekonferenz
In Deutschland wurden bisher nur wenige Obduktionen an Covid-19-Toten durchgeführt (Quelle: Picture Alliance / DPA / Bernd Wüstneck)
Behauptung
Obduktionen von zehn Menschen hätten ergeben, dass bei den meisten wahrscheinlich die Covid-19-Impfung für den Tod verantwortlich war. Impfstoffe gegen Covid-19 enthielten „undeklarierte metallhaltige Bestandteile“.
Bewertung
Unbelegt. Fachverbände distanzieren sich von den Aussagen und bezweifeln deren Wissenschaftlichkeit. Die gezeigten Befunde seien teils falsch interpretiert worden, die Untersuchungsmethoden unklar. Für Verunreinigungen von in Deutschland eingesetzten Covid-19-Impfstoffen mit metallischen Stoffen gibt es ebenfalls keine Belege.

Im Netz verbreitet sich das Video einer Art Pressekonferenz, auf der zwei Pathologen im Ruhestand, Arne Burkhardt und Walter Lang, behaupten, zehn Obduktionen hätten ergeben, dass Menschen an Covid-19-Impfungen sterben. Außerdem seien die Impfstoffe gegen Covid-19 angeblich durch Metalle verunreinigt. Sie nennen sich „Pathologie-Konferenz“ und haben auch eine eigene Webseite dafür geschaffen. Dort steht, es seien die Ergebnisse der Obduktionen von acht Menschen vorgestellt worden – im Video geht es dann jedoch um zehn Personen. 

Wir haben unter anderem den Bundesverband Deutscher Pathologen (BDP) und die Deutsche Gesellschaft für Pathologie (DGP) um eine Einschätzung der Aussagen gebeten. Das Ergebnis: Beide Verbände bezeichneten die präsentierten Daten „als wissenschaftliche nicht fundiert“. 

Auch das Team des „Deutschen Registers Covid-19 Obduktionen“ (DeRegCOVID), das während der Pandemie am Universitätsklinikum Aachen aufgebaut wurde, um ein zentrales Register für Covid-19-Obduktionen zu schaffen, schrieb uns, aus den Daten lasse sich kein Zusammenhang der Todesfälle mit der Impfung herleiten.    

Zwei Sprecher der „Pathologie-Konferenz“ sind Mitglieder in einem Verein, der Kontakte für unseriöse Maskenatteste vermittelte

Auf der Konferenz heißt es, Arne Burkhardt habe 18 Jahre lang das Pathologische Institut Reutlingen geleitet und Walter Lang habe 25 Jahre ein von ihm gegründetes Privatinstitut für Pathologie in Hannover geleitet. 

Sowohl Burkhard als auch Lang sind Mitglieder des Vereins „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie“ (MWGFD), der Kontakte für unseriöse Maskenatteste vermittelte, wie CORRECTIV.Faktencheck 2020 berichtete. Mitglieder des Vereins, wie der ehemalige Professor für Mikrobiologie Sucharit Bhakdi, verbreiteten wiederholt falsche und unbelegte Behauptungen über die Corona-Pandemie, Masken und die Covid-19-Impfstoffe

Burkhardt und Lang sind Mitglieder in der Deutschen Gesellschaft für Pathologie (DGP), wie uns deren Generalsekretär, Jörg Maas, auf Anfrage per E-Mail bestätigte. Burkhardt habe dort bis 2019 eine Position inne gehabt. Sowohl Burkhardt als auch Lang übten „aktuell aber keine Funktion aus“. 

Die DGP distanziert sich scharf von den Aussagen der Beteiligten der „Pathologie-Konferenz“. Es handele sich „um persönliche Meinungsäußerungen und nicht um die Position unserer Fachgesellschaft“, wie die Gesellschaft auch in einer öffentlichen Mitteilung schrieb. 

Bei der Konferenz war unter anderem Viviane Fischer von der sogenannten „Stiftung Corona-Ausschuss“ anwesend. Diese Initiative wird unter anderem von dem Rechtsanwalt Reiner Fuellmich geleitet und hat bereits mehrfach irreführende und falsche Behauptungen über die Corona-Pandemie verbreitet (zum Beispiel hier, hier und hier). Fischer ist außerdem in der Partei „Die Basis“ aktiv.  

Herkunft der Proben und Organe der „Pathologie-Konferenz“ und Untersuchungsmethoden sind unklar

Auf der Pressekonferenz präsentiert Burkhardt die Ergebnisse von angeblich an zehn Menschen durchgeführten Obduktionen, die nach einer Impfung gegen Covid-19 verstorben seien. Wie im Laufe der Präsentation deutlich wird, waren die Menschen zwischen 54 und 95 Jahren alt und der Abstand zwischen dem Tod und der Impfung betrug zwischen 31 Tagen und sechs Monaten. Bei zwei war offenbar der Todeszeitpunkt beziehungsweise der Impfstatus unbekannt. 

Mutmaßlich haben aber weder Burkhardt noch Lang diese Menschen selbst obduziert, sondern sich Proben und Organe aus Deutschland und Österreich zuschicken lassen. In seinem Vortrag erklärt Burkhardt (im Video 18:19 bis 18:38): „Die Österreicher waren noch die, die die besten Präparate und Angaben geliefert haben.“ Eine seiner Haupttätigkeiten sei es gewesen, die Daten zusammenzustellen: „Weil irgendwann lagen da die Organe bei mir und ich wusste gar nicht, wozu das gehört.“ 

Woher die Proben und Organe stammen, bleibt ebenso unklar wie die angewandten Untersuchungsmethoden. 

Das Team des Deutschen Obduktionsregisters für Covid-19 Infektionen bemängelt gegenüber CORRECTIV.Faktencheck, die Kriterien für die Auswahl der Fälle seien „unklar“. Die gesamte „Methode der Auswertung“ sei nicht nachvollziehbar, es fehle an Angaben zu Vorerkrankungen und anderen relevanten klinischen Angaben. 

Fachverbände bezeichnen die Ergebnisse der „Pathologie-Konferenz“ als „wissenschaftlich nicht fundiert“

Das Ergebnis ihrer Untersuchungen sei, sagt Burkhardt in dem Video, dass in fünf von zehn der untersuchten Todesfälle ein Zusammenhang mit einer Impfung gegen Covid-19 „sehr wahrscheinlich“ und in zwei Fällen „wahrscheinlich“ sei. 

Auch diese Einordnung sieht das Team des Obduktionsregisters kritisch. Es sei nicht begründet worden, welche Fälle warum in welche der Kategorien eingeordnet worden seien. Es seien keine „Entscheidungskriterien“ für diese Zuordnungen genannt worden, „eine Kausalkette der Todesursache“ sei nicht hergestellt worden. Es werde also nicht belegt, dass eine Impfung gegen Covid-19 in den untersuchten Fällen wirklich zum Tod geführt habe. 

Wir haben auch zwei Pathologen-Verbände um eine Einschätzung der Ergebnisse gebeten. Der Bundesverband Deutscher Pathologen (BDP) schrieb uns: „Die in dem Video vorgetragenen Meinungsäußerungen von Herrn Professor Burkhardt und Herrn Professor Lang sind unseres Wissens derzeit weder ausreichend wissenschaftlich untermauert noch liegen sie in einem kommentierungswürdigen Format vor.“ Bevor sie einer Öffentlichkeit bekannt gegeben würden, so der BDP, sollten die Ergebnisse in Fachkreisen auf dem Boden einer ausreichenden Datenlage vorgestellt und diskutiert werden. 

Auch die Deutsche Gesellschaft für Pathologie (DGP) schreibt uns, „die präsentierten Daten“ im Video seien „nicht wissenschaftlich fundiert“. 

Bislang liefern Obduktionen nur selten Hinweise auf Zusammenhänge zwischen Todesfällen und Covid-19-Impfungen

Beide Verbände verweisen außerdem auf einen Artikel der Welt (bezahlpflichtig) über die Pressekonferenz. Darin wird Benjamin Ondruschka, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, zitiert. Er kritisiert ebenfalls, dass nicht klar wurde, woher die gezeigten Proben stammen und „wovon konkret die beiden eigentlich sprechen“. Die Pressekonferenz sei „weit von einem wissenschaftlichen Anspruch entfernt“ gewesen. Ursächliche Zusammenhänge seien nicht belegt worden. „Nicht klar belegte Vermutungen wie diese sollten nicht einfach auf die Öffentlichkeit losgelassen werden, die das vielleicht gar nicht einordnen kann“, so Ondruschka.  

Weiter erklärt er, dass am UKE in Hamburg bislang knapp 60 Obduktionen durchgeführt worden seien, die in zeitlichem Zusammenhang zu Corona-Impfungen standen. „Tatsächlich haben wir nur bei einem Fall einen ursächlichen Zusammenhang sicher feststellen können, in wenigen anderen Fällen kritisch diskutiert.“ Die allermeisten Fälle hätten klar fassbare, von der Impfung unabhängige Todesursachen gezeigt.  

Diese Aussage unterstützt auch Jörg Maas von der Deutschen Gesellschaft für Pathologie: „Uns ist, wie den Kollegen von der Rechtsmedizin Hamburg, bislang keine auffällige Korrelation von Todesfällen im Zusammenhang mit der Impfung bekannt“. Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Impfung auch Komplikationen verursache. Wie Nebenwirkungen im Zusammenhang mit Covid-19-Impfungen dokumentiert werden, haben wir hier erklärt.

Wir haben uns noch etwas konkreter angeschaut, welche Behauptungen in der „Pathologie-Konferenz“ aufgestellt wurden wurden. 

Experten erklären, dass Befunde der „Pathologie-Konferenz“ nichts Ungewöhnliches zeigen

Das Hauptergebnis der Obduktionen sei, sagt Arne Burkhardt in seiner Präsentation, dass es in allen Organen zu Entzündungsreaktionen durch die Impfstoffe gekommen sei. Dafür seien ungewöhnliche Ansammlungen von weißen Blutkörperchen verantwortlich, er nennt dieses Phänomen „Lymphozyten-Amok“. Um seine These zu untermauern, zeigt er Bilder, die zum Beispiel belegen sollen, dass es zu solchen ungewöhnlichen Ansammlungen von Lymphozyten in den Nieren oder der Leber gekommen sei.

Arne Burkhardt will herausgefunden haben, dass Impfungen eine Überreaktion des Immunsystems auslösen würden, welche er als „Lymphozyten-Amok“ bezeichnet
Arne Burkhardt will herausgefunden haben, dass Impfungen eine Überreaktion des Immunsystems auslösen würden, welche er als „Lymphozyten-Amok“ bezeichnet (Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Gegenüber CORRECTIV.Faktencheck teilte jedoch das Team des Deutschen Obduktionsregisters für Covid-19 Infektionen mit, dass die Bilder falsch interpretiert würden. Der Befund in der Niere sei „gar nichts Ungewöhnliches“. Eine Diagnose oder einen Prozess mit dem Namen „Lymphozyten-Amok“ gebe es nicht. Viele der gezeigten Bilder zeigten Ansammlungen von Lymphozyten, „wie sie in vielen Obduktionsfällen gefunden“ würden.

Ähnlich äußerte sich Benjamin Ondruschka gegenüber der Welt mit Blick auf Aufnahmen des Herzens, die in der Präsentation im Video gezeigt werden. Auf einem Bild seien vereinzelte Entzündungszellen im Herzmuskel zu sehen gewesen. Allerdings: „Bei so einem geringen Befund stirbt man aber noch nicht daran. Solche Einzelzellen gibt es immer mal in Gewebeschnitten. Auch wenn Sie mir jetzt Blut entnehmen würden, wären weiße Blutkörperchen (Lymphozyten) darin enthalten. Die gehören ins Blut.“ 

Auch der Leiter des Instituts für Pathologie des Bundeswehrkrankenhauses Ulm, Konrad Steinestel, teilte uns auf Anfrage mit, die gezeigten Befunde erschienen ihm „für eine Obduktionskohorte dieser Altersgruppe“ nicht untypisch. „Ein einheitliches und/oder spezifisches Befundbild liegt an den gezeigten Präparaten insgesamt nicht vor. Zudem wurden keine Untersuchungen auf Impfstoffbestandteile durchgeführt, die einen Zusammenhang zur Impfung nahelegen würden“, schreibt Steinestel. 

Unbelegte Spekulationen über „metallische“ Verunreinigung der Impfstoffe

Am Ende der Präsentation kommt Burkhardt auf angebliche Verunreinigungen der Impfstoffe zu sprechen. Zu diesem Thema gebe es „im Internet die wildesten“ Spekulationen. CORRECTIV.Faktencheck hat mehrere solcher irreführender Behauptungen bereits überprüft, zum Beispiel dass in den Impfungen Graphenoxid enthalten sei oder dass die Impfung zu einer magnetischen Haftung von Gegenständen am Arm führen würde. 

Burkhardt sagt, dass in Japan verunreinigte Dosen des Impfstoffes von Moderna gefunden worden seien. Das ist richtig, verschiedene Medien berichteten über den Vorfall Ende August. In einem Werk in Spanien war es zu den Verunreinigungen gekommen. Weiter sagt Burkhardt, er sei sich sicher, dass diese Impfstoffdosen auch nach Deutschland geliefert worden seien. Doch das ist laut den Recherchen der Welt falsch. 

Gegenüber der Zeitung sagte das zustände Paul-Ehrlich-Institut: „Alle Impfstoffe, die in Deutschland verabreicht werden, unterliegen der staatlichen Chargenprüfung. Bislang gab es keine Beanstandungen.“ Von den verunreinigten Chargen sei keine in der EU auf den Markt gekommen. 

In seiner Präsentation zeigt Burkhardt außerdem Bilder, die seine These von Fremdkörpern in den Impfstoffen angeblich belegen sollen. Man habe „kastenförmige Elemente“, „fadenförmige“ und „nadelförmige Dinge“ in den Impfstoffen gefunden.

Fotos angeblicher Verunreinigungen in den Impfstoffen
Fotos angeblicher Verunreinigungen in den Impfstoffen (Quelle: Odysee / Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Konrad Steinestel vom Bundeswehrkrankenhaus in Ulm kommentierte diese Aufnahmen auf Twitter mit den Worten, es handele sich dabei schlicht um „Dreck“, in einem Fall sei vermutlich eine Textilfaser zu sehen. Seine Aussage belegte er mit dem Bild eines „x-beliebigen staubigen Präparats“, welches er selbst aufgenommen habe. 

Diese Aufnahme teilte der Pathologe Konrad Steinestel auf Twitter, um zu zeigen, dass die auf der „Pathologiekonferenz“ gezeigten Aufnahmen keine Verunreinigungen von Covid-19-Impfstoffen belegen
Diese Aufnahme teilte der Pathologe Konrad Steinestel auf Twitter, um zu zeigen, dass die auf der „Pathologie-Konferenz“ gezeigten Aufnahmen keine Verunreinigungen von Covid-19-Impfstoffen belegen (Quelle: Twitter/ Konrad Steinestel / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Es gibt bekanntlich Fälle, in denen Nebenwirkungen von Corona-Impfungen zu Todesfällen geführt haben – zum Beispiel aufgrund von Hirnvenenthrombosen. Solche Fälle sind jedoch selten und werden vom Paul-Ehrlich-Institut dokumentiert. Kürzlich forderte der Heidelberger Pathologen Peter Schirmacher, mehr Obduktionen an Menschen durchzuführen, die nach Impfungen gegen Covid-19 sterben. Er wurde für die Aussage, er befürchte eine hohe Dunkelziffer, aber auch kritisiert, zum Beispiel vom Chef der Ständigen Impfkommission (Stiko).

Fazit: Auf der sogenannten „Pathologie-Konferenz“ werden unbelegte Behauptungen über Corona-Impfungen verbreitet. Fachverbände für Pathologie distanzieren sich von den Aussagen und weisen sie als „wissenschaftlich nicht fundiert“ zurück. Teils seien Befunde falsch interpretiert worden.

Redigatur: Uschi Jonas, Alice Echtermann