Faktencheck

Dieses Video beweist nicht, dass in Covid-19-Impfstoffen Würmer sind oder das Blut von Geimpften „zusammenklebt“

In einem viralen Video werden Blutproben unter einem Mikroskop untersucht. Dazu wird behauptet, dass sich das Blut von Geimpften verändert habe und Corona-Impfstoffe schädlich seien. Laut Experten zeigen die Aufnahmen aber keine Blutuntersuchung nach wissenschaftlichen Standards. Auch über Impfstoffe sagen die Bilder demnach nichts aus.

von Matthias Bau

Tommy Döring_Collage
Tommy Döring verbreitete auf Telegram ein Video, das angeblich beweise, dass Impfstoffe Parasiten enthalten und das Blut bei Geimpften verklumpe. Das stimmt nicht. (Quelle: Odysee / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Impfstoffe gegen Covid-19 enthielten Parasiten und sorgten dafür, dass sich im Blut von Geimpften sogenannte „Geldrollen“ bilden.
Bewertung
Unbelegt. Experten widersprechen den Behauptungen in dem Video. Es sei unklar, was die gezeigten Aufnahmen überhaupt zeigen und wie die Bilder zustande kamen.

Über Whatsapp verbreitet sich ein Video, das angeblich die Ergebnisse einer Blutuntersuchung bei Geimpften und Ungeimpften zeigt. Es soll beweisen, dass sich das Blut von Geimpften verändert, das von Ungeimpften hingegen „normal“ aussieht. Außerdem wird angeblich ein Impfstoff gegen Covid-19 unter einem Mikroskop untersucht. 

Das aktuelle Video haben wir zwei Experten vorgelegt. Sie erklärten übereinstimmend gegenüber CORRECTIV.Faktencheck, dass die Blutuntersuchung im Video keinen wissenschaftlichen Standards entspricht und die Ergebnisse nicht aussagekräftig seien. 

Was die Aufnahmen genau zeigen und ob die getesteten Personen wirklich geimpft oder ungeimpft waren, ist unklar. Bereits in der Vergangenheit wurden Mikroskopaufnahmen genutzt, um beispielsweise über angebliche Verunreinigungen in Covid-19-Impfstoffen zu spekulieren, wie wir in mehreren Faktenchecks berichteten (hier und hier).

Das rund 50 Minuten langen Video, das sich auf den Videoplattformen Youtube (dort mittlerweile gelöscht) und Odysee verbreitete, zeigt einen Mann, der sich auf Telegram „Tommy Selbstdenker“ und auf Instagram „Tommy Positiv“ nennt. Nicht zu sehen sind die Probandinnen und Probanden oder die Person, die die Blutuntersuchungen durchführt. Laut eines Eintrags im Business-Netzwerk Linkedin handelt es sich bei dem Mann um Tommy Döring.

Auf dem Telegram-Kanal des Mannes werden unter anderem Beiträge der Partei „Freie Sachsen“ geteilt (hier oder hier), die das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz am 17. Juni als „erwiesene rechtsextremistische Bestrebung“ einstufte

Blutuntersuchung laut Experten nicht nach üblichen Standards durchgeführt

In dem Video wird angeblich das Blut von insgesamt acht Menschen untersucht – vier seien geimpft, vier seien ungeimpft. Ihnen wird in den Finger gestochen, der Tropfen Blut auf einen Objektträger aufgebracht und anschließend wird etwas unter einem Mikroskop untersucht. Dabei entstehen Bilder wie die folgenden: 

Mikroskopaufnahmen, die zeigen sollen, dass das Blut von Ungeimpften „fließt“, das von Geimpften jedoch „verklumpt“ sei
Mikroskopaufnahmen, die zeigen sollen, dass das Blut von Ungeimpften „fließt“, das von Geimpften jedoch „verklumpt“ sei (Quelle: Odysee / Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

In dem Video werden die Aufnahmen mit den Worten kommentiert, dass Blut von Ungeimpften fließe, wohingegen das Blut von Geimpften verklumpt sei und „zusammenklebe“. Es seien sogenannte „Geldrollen“ zu sehen, also rote Blutkörperchen dicht aneinander. Diese seien durch drei Gründe erklärbar: Wassermangel, Elektrosmog oder eine Impfung gegen Covid-19.  

Gezeigt wird das Blut von acht Probanden. Geldrollen bilden sich bei allen angeblich geimpften Probanden, aber auch bei zwei ungeimpften Probanden. Bei ihnen sei die Geldrollenbildung „nicht so krass wie bei den Geimpften“, heißt es im Video (ab 31:30).

Die sogenannte Geldrollenbildung entsteht dann, wenn sich rote Blutkörperchen aneinanderlagern oder wenn zu viel Blut auf einen Objektträger aufgetragen wird. Das erklärten uns Experten bereits für einen Faktencheck vom 30. September. Weiter sagten sie uns, dass ein Wassermangel üblicherweise nicht durch mikroskopische Untersuchungen diagnostiziert werde und sich unter einem Mikroskop nur dann ein Unterschied durch Wassertrinken feststellen lasse, wenn ein Mensch zuvor „massiv dehydriert“ gewesen sei.

Das Video ordnete Thorsten Kaiser, leitender Oberarzt am Institut für Labormedizin am Universitätsklinikum Leipzig, per E-Mail für uns ein: „Eine Blutbilduntersuchung wird so nicht durchgeführt.“ Eine Beurteilung der Blutzellen sei beispielsweise nur dann möglich, wenn blutgerinnungshemmende Substanzen eingesetzt würden. Ohne solche Zusätze verklumpten die Blutplättchen, so entstünden die im Video zu sehenden Geldrollen. Das deute jedoch nicht auf eine Krankheit hin. 

Bei der geringen Anzahl an Probanden sei zudem ein „zufälliges Ergebnis wahrscheinlich“. Das zeige sich laut Kaiser auch daran, dass bei angeblich ungeimpften Probanden eine Geldrollenbildung zu sehen sei (Minute 31:30-32:52). 

Der Facharzt Veit Bücklein vom Klinikum der Universität München schrieb uns per E-Mail, die Bilder im Video seien mittels Dunkelfeld-Mikroskopie erstellt worden. „Hierbei handelt es sich um eine Methode zur Blutanalyse, deren Stellenwert in der Diagnostik von Erkrankungen nicht als erwiesen angesehen werden kann“, so Bücklein. Die Methode sei „in der Vergangenheit zum Beispiel zur Krebs-Früherkennung oder zur Erkennung von Fehlernährung“ vorgeschlagen worden. Sie sei dafür jedoch nicht geeignet.

Bewegung von Blut unter dem Mikroskop hat nichts mit Bewegung des Blutes im Körper zu tun

Dass sich unterschiedliche Bilder bei den Probanden ergeben, lässt sich laut Kaiser durch mehrere Faktoren erklären. Zum einen setze bei manchen Menschen eine Verklumpung des Blutes schneller ein als bei anderen. Hinzu kämen weitere Faktoren, wie zum Beispiel die Temperatur des Glasplättchens, auf dem das Blut unter das Mikroskop geschoben wird oder die Dicke des Bluttropfens. Auch die Zeit bis zum Mikroskopieren spiele eine Rolle. Unklar sei außerdem, wie die Probandinnen und Probanden ausgewählt worden seien und ob zum Beispiel einige blutverdünnende Medikamente einnehmen. Ebenso unklar sei, ob der Impfstatus korrekt angegeben worden sei. 

Veit Bücklein weist darauf hin, dass die im Video thematisierte „Fließbewegung“ des Blutes unter dem Mikroskop davon kommt, dass es unter dem Deckglas durch das Zusammendrücken noch in Bewegung sei. 

Laut Thorsten Kaiser lassen die Bilder keine Schlussfolgerungen zum Blutfluss innerhalb des Körpers und der Blutgefäße zu, weil das Blut im Körper nicht gerinne. „Wenn das Blut so langsam wie unter dem Mikroskop durch die Blutgefäße der Patienten fließen würde, würden sie unmittelbar versterben“, schrieb Kaiser. 

Angebliche Impfstoffaufnahmen greifen altes Narrativ von angeblichen Parasiten auf

Neben den Blutuntersuchungen wurde in dem Video angeblich auch ein nicht eindeutig benannter Impfstoff untersucht. Darin seien Würmer, deren Eier oder Glas enthalten. Weiter wird über metallische Inhaltsstoffe und Mikrochips spekuliert. 

Grundlage für die Spekulation über Würmer und deren Eier sowie metallische Inhaltsstoffe oder Glas sind diese Bilder
Grundlage für die Spekulation über Würmer und deren Eier sowie metallische Inhaltsstoffe oder Glas sind diese Bilder (Quelle: Odysee / Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Solche Behauptungen sind nicht neu. Dass die Impfstoffe angeblich metallische Bestandteile enthalten würden, haben wir am 30. September in einem Faktencheck als unbelegt bewertet. Und Bilder von angeblichen Parasiten an Corona-Abstrichstäbchen haben wir im März in einem Faktencheck mithilfe des Forensikers und Kriminalbiologen Mark Benecke untersucht.

Zu den Bildern im aktuell kursierenden Video schrieb uns Thorsten Kaiser, es sei unklar, „wie der Impfstoff aufgetragen und bearbeitet“ worden sei. Bei den gezeigten Strukturen handele es sich wahrscheinlich um Verunreinigungen oder Strukturen, die sich durch das Trocknen von Flüssigkeiten bildeten. 

Was wie angebliche Würmer aussieht, beschrieb uns Mark Benecke im März 2021 als Textilfasern. Konrad Steinestel vom Bundeswehrkrankenhaus in Ulm kommentierte ähnliche Aufnahmen im Zusammenhang mit der sogenannten Pathologiekonferenz auf Twitter mit den Worten, es handele sich schlicht um „Dreck“, in einem Fall sei vermutlich eine Textilfaser zu sehen. Seine Aussage belegte er mit dem Bild eines „x-beliebigen staubigen Präparats“, welches er selbst aufgenommen habe. 

Links: Aufnahme einer Textilfaser bei starker Vergrößerung unter einem Mikroskop. Mitte: Aufnahme aus dem Youtube Video, die angeblich einen „Wurm“ zeigen soll. Rechts: Aufnahme eines „x-beliebigen staubigen Präparats“.
Links: Aufnahme einer Textilfaser bei starker Vergrößerung unter einem Mikroskop. Mitte: Aufnahme aus dem Youtube Video, die angeblich einen „Wurm“ zeigen soll. Rechts: Aufnahme eines „x-beliebigen staubigen Präparats“. (Quelle: Mark Benecke / virusonline.de; Odysee; Konrad Steinestel / Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Die angeblichen „Parasiten sind laut Experten vermutlich Verunreinigungen der untersuchten Proben oder Objektträger 

Auch Veit Bücklein vom Uniklinikum München schreibt uns, es sei „völlig unklar, was hier mikroskopiert wurde“ und „meiner Ansicht nach handelt es sich um Verunreinigungen und Fremdkörper, die sich nicht vermeiden lassen, solange man nicht in einer staubfreien Umgebung arbeitet. Spekulationen über Mikrochips (die mikroskopisch völlig anders aussehen, wie ja eigentlich gut bekannt ist) ergeben keinen Sinn“. Für ihn sei durch das Video „in keiner Weise erwiesen“, dass es sich um Glas oder Metall handele, „auch eine Vielzahl z.B. kristalliner Strukturen“ könne unter dem Mikroskop so aussehen, wie die Strukturen, die im Video gezeigt werden.

Thorsten Kaiser schrieb in seiner E-Mail, dass solche Verunreinigungen, wenn sie in das Blut von Menschen gelangen würden, eine Blutvergiftung auslösen würden. Auch Gefäßverschlüsse mit „schwersten, akuten Durchblutungsstörungen“ seien wahrscheinlich. Verunreinigungen wie Metall oder Glas würden im Muskel nach der Impfung „wahrscheinlich eher einen Abzess (Eiterhöhle) auslösen“.

Dass Impfstoffe tatsächlich in der gezeigten Art verunreinigt sind, ist laut dem Mediziner unwahrscheinlich: „Allein unser Labor untersucht mehr als 1.000 Blutausstriche pro Tag. Entsprechende Würmer/Parasiten zeigen sich weder bei Geimpften noch bei Ungeimpften“. 

Redigatur: Sarah Thust, Tania Röttger