Durchsuchungen in der AfD-Spendenaffäre: Ermittler gehen Spuren zu Milliardär aus der Schweiz nach
Der AfD drohen nach den bundesweiten Hausdurchsuchungen millionenschwere Strafzahlungen. Die Ermittlungsorte weisen auf neue Dimensionen in der AfD-Spendenaffäre hin. CORRECTIV, das ZDF-Magazin Frontal und Spiegel erklären die Hintergründe.
Der AfD drohen nach den bundesweiten Hausdurchsuchungen Ende September durch die Staatsanwaltschaft millionenschwere Strafzahlungen. Im Mittelpunkt der Ermittlungen sollen dabei Wahlwerbeaktionen aus den Jahren 2016 bis 2018 stehen, zu denen die AfD mutmaßlich falsche Angaben in ihren Rechenschaftsberichten gemacht hat. Bei der AfD-Spendenaffäre geht es um mögliche illegale Parteispenden.
„Es gab in dem Zusammenhang natürlich die Notwendigkeit, die Presse auszuwerten und damit natürlich auch die Recherche, die Sie gemacht haben“, sagt Sebastian Büchner, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft in Berlin zu CORRECTIV und dem ZDF-Magazin Frontal.
Vor einem Jahr zeigten CORRECTIV, Frontal und Spiegel anhand von internen Unterlagen auf, dass die anonym finanzierten Werbekampagnen für die AfD noch weitaus größer waren als bis dahin bekannt. Zudem deckten die Recherchen zum AfD-Spendenskandal mehrere Hinweise auf Verbindungen zwischen Unterstützerplakaten für die AfD von anonymen Gönnern aus der Schweiz und den offiziellen Wahlwerbekampagnen der Partei auf. Die AfD bestreitet dies. „Zu laufenden staatsanwaltlichen Ermittlungen äußern wir uns grundsätzlich nicht”, schreibt ein Sprecher der AfD auf Anfrage von CORRECTIV, Frontal und Spiegel.
Parteienrechtlerin erwartet Durchbruch bei AfD-Spendenaffäre: der Partei drohen empfindliche Strafzahlungen
Nach Einschätzung der Parteienrechtlerin Sophie Schönberger bleibt es nicht bei Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, die sich gegen den ehemaligen AfD-Parteichef Jörg Meuthen und den Ex-Schatzmeister der Partei Klaus Fohrmann richten. Sie rechnet damit, dass auch die Bundestagsverwaltung in der AfD-Spendenaffäre neu aktiv wird. Die Bundestagsverwaltung überwacht Parteispenden und verhängt Strafzahlungen, wenn eine Partei empfangene Leistungen nicht angibt.
Es sei möglich, „dass die AfD hier ganz empfindliche Strafzahlungen erwartet“, sagt Schönberger. Durchsuchungen seien das beste Mittel, um umfassend Aufklärung zu gewährleisten. „Wenn die Staatsanwaltschaft zu diesem Mittel greift, dann müssen schon erheblichen Ansatzpunkte vorliegen.“
Bisher verhängte die Bundestagsverwaltung in der AfD-Spendenaffäre Strafzahlungen in Höhe von mehr als einer Million Euro. Dazu zählen knapp 400.000 Euro wegen dubioser Zahlungen an Alice Weidels Kreisverband, die nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Konstanz zu der verschleierten Spende des Immobilien-Milliardärs Henning Conle verhängt wurden. Conle stammt aus Duisburg und wohnt in London und Zürich.
Jetzt geht es um einen zweistelligen Millionenbetrag. Die Bundesbehörde wird auf Ergebnisse der neuen staatsanwaltlichen Untersuchungen warten. Denn Schlussfolgerungen in der Bewertung der Spendenaffäre seien „erst auf der Grundlage entsprechender staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen“ möglich, schrieb vor einem Jahr der Sprecher der Bundestagsverwaltung an CORRECTIV.
Bei den Hausdurchsuchungen am 28. September 2022 beschlagnahmten Ermittler „diverse Dokumente und Datenträger“, sagt der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft. Die genauen Orte in Berlin, Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen geben Hinweise, auf welche Themen die Ermittler sich fokussieren.
Bayern: Durchsuchungen bei einem Experten für Social-Media
Die Ermittler klingelten bei einem Social-Media-Experten aus der Nähe von Aschaffenburg. Aus Ermittlerkreisen heißt es, dass die Untersuchungen bei dem Experten unweit Aschaffenburg mit dem Ziel stattfanden, nach Verbindungen zu Milliardär Henning Conle und der Schweizer PR-Agentur Goal AG zu suchen.
Der Social-Media-Experte hatte in den Anfangsjahren der rechtsradikalen Partei das „Facebook-Wunder“ der AfD organisiert. Anders als die klassischen Parteien generierten die Accounts der AfD auf Facebook weitaus mehr Aktivitäten. „Die AfD ist auch durch ihre ausgeklügelte Internetstrategie groß geworden“, schrieb die FAZ im Mai 2016 und beschrieb unter dem Pseudonym „König“ über einen Mann im Hintergrund.
Spuren führen von Bayern zu Milliardär Henning Conle
Wenige Tage nach dem FAZ-Artikel schickte der Experte auf Anfrage des damaligen Parteichefs Jörg Meuthen ein Konzept, wie die Aktivitäten auf Facebook noch weiter verbessert werden könnten. Am 20. Mai 2016 antwortete Meuthen, „Ja, das macht schon klar, was mit mehr Geld und Manpower noch möglich wäre. Ich leite das mal so an unseren potentiellen Unterstützer weiter, er wird das sicher mit Interesse lesen. Demnächst machen wir dann mal einen gemeinsamen Termin, wenn das Interesse fortbesteht, wovon ich ausgehe“. Der E-Mail-Verlauf liegt CORRECTIV vor. Danach explodierten die Zahlen der AfD-Accounts auf Facebook.
Auf die Spur zum Facebook-Experten brachte die Ermittler womöglich Frauke Petry mit Aussagen, die sie vor einem Jahr gegenüber CORRECTIV und Frontal machte. „Bei dem potentiellen Unterstützer handelt es sich nach meinen Informationen um Henning Conle und das Geld zur Unterstützung der Social-Media-Aktivitäten floss wohl über die Goal AG“, sagte Petry im Interview. Diese Informationen zeigte Petry im Juni 2021 auch der Bundestagsverwaltung an. Das wäre nicht das erste Mal gewesen, dass der Immobilien-Milliardär Conle auf Facebook setzte. Auch bei den illegalen Parteispenden an Weidels Kreisverband spielte Social Media eine Rolle. Meuthen will sich zu den staatsanwaltlichen Ermittlungen nicht äußern. Der Medienexperte will sich nicht äußern. Auch Conle und Segert antworten nicht.
Ermittler auch in Bayern: Spenden-Verein als Hülle
Es gab weitere Durchsuchungen in Bayern: auch in den Räumen von David Bendels, dem ehemaligen Vorsitzenden des Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten. Recherchen von CORRECTIV und Frontal hatten gezeigt, dass sein Unterstützerverein offenbar nur eine Hülle war. Bendels Verein wurde als Urheber von Pro-AfD-Werbemaßnahmen angegeben. Das Geld floss aber mutmaßlich über andere Quellen.
Die Parteienrechtlerin Schönberger bezeichnete den Verein daher als einen „Pappkamerad“. Die Untersuchungen bei dem früheren Chef des Unterstützungsvereins, der in diesem Sommer aufgelöst wurde, könnten für Bendels unangenehme Konsequenzen haben. Noch wird Bendels als Zeuge geführt. Die Ermittler erhoffen sich offenbar Hinweise auf Kontakte und Absprachen zwischen den Verantwortlichen des Vereins und Vertretern der AfD, heißt es aus Ermittlerkreisen. Zudem sollen mögliche „Verbindungen und Abhängigkeiten“ der Vereinsmitglieder mit der Schweizer Werbefirma Goal AG geprüft werden.
Agierte Bendels als Strohmann? „Wenn sich der Verdacht erhärten sollte, (…) dann steht die Möglichkeit im Raum, dass gegen ihn ermittelt wird“, sagt Schönberger.
Nach Recherchen von NDR, WDR und Zeit habe sich auf dem Vereinskonto von Bendels nie mehr als ein vierstelliger Betrag befunden. Bendels lehnte es ab, auf die Fragen zu den Finanzströmen konkret zu antworten. Am vergangenen Samstag marschierte er auf der AfD-Demonstration in Berlin mit. Zuvor gab er am Telefon zu, dass die Goal AG die Kampagne maßgeblich betreut habe.
Köln und das Rätsel um ähnliche Summen: Ermittler klingeln beim Außenwerber Ströer
Die Staatsanwaltschaft untersuchte auch die Firmenräume des Außenwerber Ströer. Das Kölner Unternehmen ist in Deutschland Platzhirsch für Außenwerbung und besitzt in vielen Regionen quasi eine Monopolstellung.
„Ströer kooperiert mit den zuständigen Behörden hinsichtlich der Ermittlungen“, teilte der Sprecher mit. Das Unternehmen sei in diesem Verfahren lediglich Zeuge. Vor einem Jahr zeigten Recherchen von CORRECTIV, Frontal und Spiegel anhand von internen Buchungsunterlagen das Ausmaß der externen Plakatkampagne zu Gunsten der AfD.
Von 2016 bis 2018 hingen allein auf Ströer-Werbeflächen Unterstützerplakate für die AfD im Wert von 3,5 Millionen Euro. Die AfD, die sagt, sie habe mit der Kampagne nichts zu tun, wird bei Plakaten in Höhe von drei Millionen Euro in den Ströerbuchungen als „Direktkunde“ geführt.
Der Verein von David Bendels taucht in den Ströer-Buchungsunterlagen kaum auf. Anders die Schweizer Goal AG, die neben dem „Direktkunden AfD“ bei Plakaten in Höhe von 2,5 Millionen Euro als Auftraggeber genannt wird.
Besonders auffällig sind die Buchungen bei Ströer rund um den Landtagswahl-Wahlkampf 2017 in Nordrhein-Westfalen: Goal AG buchte für den Wahlkampf damals in NRW zwei Wellen Unterstützerplakate für die AfD in einer Gesamthöhe von 521.423 Euro.
Fast den gleichen Betrag wies die offizielle Plakatkampagne der Partei mit 521.000 Euro aus, wie ein interner Kassenbericht des Landesverbandes der AfD zeigt. Darin wird der Betrag im Zusammenhang mit „Posterselect“ am 23.02.2017 aufgeführt. Posterselect, eine Media Agentur aus Baden-Baden, die von Ströer übernommen wurde, platzierte die offiziellen Plakate des AfD-Landesverbandes beim Kölner Außenwerber, wie die Ströerunterlagen zeigen.
Die AfD sagt, sie habe von der Kampagne aus der Schweiz nichts gewusst, trotzdem haben beide Kampagnen bis auf 423 Euro bei Ströer die gleiche Buchungshöhe. „Wenn man nicht an Zufälle glauben will, dann ist das natürlich ein weiterer Verdachtspunkt, dass hier eine Koordinierung vorliegt”, sagt die Parteienrechtlerin Schönberger.
Nach den Recherchen zu den Ströerunterlagen distanzierte sich das Kölner Unternehmen anfänglich von der Parteienwerbung, um sie dann ein halbes Jahr später wieder aufzunehmen.
Umfang der AfD-Unterstützungskampagne womöglich noch größer
Im NRW-Wahlkampf 2017 gab es weitere auffällige Buchungen. Die Goal AG hatte auch die Wahlplakate für den AfD-Politiker Guido Reil organisiert. Auch diese Kampagne findet sich in den Ströerunterlagen. Sie folgt dem selben Muster wie die Kampagne der Vereinsplakate. Die Agentur Goal AG buchte und die AfD ist als „Direktkunde“ hinterlegt.
Nachdem Reil gegenüber CORRECTIV und Frontal bereits 2017 über die Förderung durch die Goal AG in Höhe von 44.500 Euro ausgesagt hatte, verhängte die Bundestagsverwaltung eine Strafzahlung in dreifacher Höhe. Beim Außenweber Ströer sind für die Reil-Kampagne allerdings nur 9.449 Euro hinterlegt. Das Beispiel zeigt, dass die Kosten in den Stöerunterlagen womöglich nur einen Bruchteil der tatsächlichen Kosten der Unterstützungskampagne ausmachen.
Die Ermittler der Generalstaatsanwaltschaft folgen den Spuren von jahrelanger Recherche und Berichterstattung über die AfD-Spendenaffäre. Der Partei drohen am Ende Strafzahlungen in zweistelliger Millionenhöhe.
In der ZDF-Mediathek die neue 45-minütige Doku von Frontal und CORRECTIV „Die Schattenspender der AfD – Verdeckte Wahlhilfe aus der Schweiz” zu sehen. Darin zeigen CORRECTIV und Frontal, wie vor allem Medien die größte Werbeunterstützung für eine rechtsradikale Partei aus dem Ausland aufdeckten.
Update, vom 13.10.2022 Wir haben den Satz hinzugefügt, dass der Milliardär Henning Conle aus Duisburg stammt, aber nun in London und in Zürich lebt.