AfD-Spendenaffäre

Rückzug vom Rückzug: Plakatwerber Ströer nimmt wieder Aufträge für parteipolitische Werbung an

Nach dem Skandal zu dubiosen Millionenzahlungen für AfD-Werbung hatte die Außenwerbefirma Ströer angekündigt, künftig keine parteipolitische Werbung mehr anzunehmen. Nun vermietet sie wieder Werbeflächen an Parteien, darunter die SPD und die AfD.

von Jonathan Sachse , Justus von Daniels , Gabriela Keller , Marcus Bensmann

Wahlplakat SPD Ströer NRW Landtagswahl
Mai 2022: Die SPD wirbt in Wuppertal auf einer Ströer Werbefläche zur Landtagswahl in NRW Foto: picture alliance

Kurz vor der Bundestagswahl 2021 standen plötzlich nicht nur die Parteien auf den Plakaten im Rampenlicht, sondern auch die Firma, die die Werbe-Plakate aufhängt. Es ging um den Spendenskandal der AfD. So viel Aufmerksamkeit war der Außenwerbefirma Ströer offenbar nicht geheuer: sie kündigte damals an, künftig „jeden Auftrag zu parteipolitischer Werbung jeglichen politischen Spektrums“ abzulehnen, bis ein runder Tisch mit allen Parteien eine Klärung bringe.

Den runden Tisch gab es bis heute nicht.

Im September 2021 reagierte das Kölner Unternehmen mit dem Rückzug auf Recherchen von CORRECTIV, ZDF Frontal und Spiegel zur AfD-Spendenaffäre. Eine dubiose Firma aus der Schweiz hatte für Millionenbeträge Wahlwerbung zugunsten der AfD bei Ströer bestellt. Interne Unterlagen von Ströer zeigten, dass nicht genau getrennt wurde, welche Werbung von der AfD in Auftrag gegeben wurde und welche Buchungen aus ungeklärten Quellen aus der Schweiz kamen. Um sich von dem Spendenskandal zu distanzieren, wollte sich Ströer von Parteiwerbung in Zukunft vorerst fernhalten – für die Firma ein potentieller Verlust von Millionen-Einnahmen von Parteien und anderen Auftraggebern. Die großflächigen Ströer-Werbeflächen wurden rund um Wahlen in Deutschland auch von Parteien genutzt, um ihre Botschaften im Land bekannt zu machen.

Jetzt wird deutlich, dass dieser Rückzug offenbar nur wenige Monate galt. In einer Zeit, in der ohnehin kaum Wahlen stattfanden.

AfD und SPD werben wieder auf Werbeflächen von Ströer

Im Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen warben mit der SPD und – nach Aussage von AfD-Funktionären – auch der AfD plötzlich mindestens zwei Parteien auf Plakatflächen von Ströer, etwa an Bushaltestellen in mehreren Städten. Der ehemalige Vorsitzende des AfD-Kreisverbandes Bochum, Markus Scheer, sagt, dass ein AfD-Plakat auf einer Ströer-Fläche in Bochum hing. Zudem warb der Kreisverband Hannover-Stadt der AfD zum Muttertag am 8. Mai auf einer Werbefläche von Ströer.

Foto von einem AfD Plakat in Hannover mit dem Titel: „Allen Müttern einen schönen Muttertag", eine Mutter hält ein Kind hoch und lacht
Werbung zum Muttertag: AfD wirbt im Mai 2022 wieder auf Werbeflächen von Ströer. Foto: Screenshot twitter.com/afdhannover

Gerade die AfD-Plakatierung ist vor dem Hintergrund der Spendenaffäre besonders beachtenswert. Nicht, weil sie Teil der Spendenaffäre ist, sondern weil sich Ströer auch in Folge von zunehmender Kritik an der Rolle des Unternehmens in der AfD-Affäre aus der parteipolitischen Werbung verabschiedet hatte.

Aus den internen Buchungsunterlagen, die CORRECTIV im vergangenen Jahr einsehen konnte, ging hervor, dass zwischen 2016 und 2018 Werbeaufträge in Höhe von rund drei Millionen Euro gebucht wurden, in denen die AfD als „Direktkunde“ bezeichnet wurde. Bezahlt hatte nicht die Partei, sondern bis heute unbekannte Spender.

Die AfD bestreitet bis heute, mit der Kampagne, die offen für die AfD warb, in Verbindung zu stehen. Es gab weitere Hinweise, die auf eine Koordinierung der offiziellen und der privat finanzierten Kampagnen deuteten. Das würde für einen Fall illegaler Parteispenden sprechen. Nach der Veröffentlichung der Recherche leitete die Bundestagsverwaltung eine Untersuchung zu den dubiosen Spenden ein, auch die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Parteien dürfen bei Ströer wieder Werbung schalten, wenn sie direkter Auftraggeber sind

Ströer sah sich von der Berichterstattung „unzutreffend politisch in die Nähe der AfD“ gedrängt und stoppte daraufhin die parteipolitische Werbung. Die Firma Ströer verkündete damals offiziell, dass sie sich „vollständig aus der parteipolitischen Werbekommunikation“ zurückziehe, „um Schaden vom Unternehmen und seinen Mitarbeiter:innen abzuwenden.“

Der grundsätzliche Stopp galt nur wenige Monate. „Werbung, deren Absender die Parteien selbst sind bzw. die von den Parteien direkt gebucht werden, wird ab sofort wieder durch Ströer zum Aushang gebracht“, schreibt Ströer auf Anfrage von CORRECTIV und verweist dabei auf eine Mitteilung des Unternehmens vom 28. Januar 2022.

Beim Rückzug im September 2021 hatte das Unternehmen angekündigt, einen runden Tisch mit den Parteien zu initiieren. Sollte es da kein gemeinsames Verständnis geben, werde Ströer daran festhalten, „grundsätzlich keine parteipolitische Werbung mehr auszubringen.“

Ströer führte Einzelgespräche mit allen Parteien außer AfD

Nach Informationen von CORRECTIV führte Ströer in den vergangenen Monaten Gespräche mit verschiedenen Parteien des Deutschen Bundestages. Ein runder Tisch kam bis heute nicht zustande. Stattdessen führte das Unternehmen Einzelgespräche. Die Pressestelle der Grünen in NRW bestätigt einen Austausch „im Vorfeld des Wahlkampfes“. Dieser hätte aber zu keiner Zusammenarbeit geführt.

Auch Ströer bestätigt die Einzelgespräche. Das Unternehmen habe Gespräche mit sämtlichen, im Bundestag vertretenen Parteien – bis auf die AfD – geführt. „Die Parteien haben nach eigener Aussage aufgrund der aktuellen politischen Lage derzeit keine Zeit für eine Teilnahme an einem runden Tisch“, sagt ein Sprecher des Unternehmens. Ein gemeinsames Treffen sei weiterhin das Ziel.

Der Rückzug vom Rückzug ist nach Meinung von Fachleuten auch politisch brisant. Ströer ist der größte Vermieter von öffentlichen Plakatflächen in Deutschland und gibt sich als parteipolitisch neutral. „Der Widerspruch ist, dass Ströer nicht mit der AfD spricht, aber gleichzeitig Aufträge von derselben Partei annimmt“, sagt Thomas Koch. Der Düsseldorfer Werbe- und Mediaexperte sieht die Öffnung für Parteienwerbung grundsätzlich als positives Signal. Die Parteien seien darauf angewiesen. „Ich erwarte allerdings, dass das mit Haltung unterfüttert wird. Nicht mit AfD zu reden, aber eine Buchung anzunehmen, steht der Haltung zu wider.“

Nach Anti-Grünen-Kampagne lud Ströer zum runden Tisch ein

Nicht nur wegen der AfD-Spendenaffäre geriet Ströer im vergangenen Jahr in die Schlagzeilen. Noch eine zweite Kampagne warf Fragen an der Verwicklung des Dienstleisters auf: Im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 wurde unter dem Titel „Grüner Mist“ auf Ströer-Werbeflächen eine konzertierte Schmähkampagne gegen die Partei gebucht. Auch dort ist nicht bekannt, wer die Plakate im Wert von mehr als einer halben Millionen Euro finanzierte. Die Kritik an dieser Kampagne führte dazu, dass Ströer schon im August 2021 zu einem runden Tisch einlud, noch vor dem Rückzug aus der parteipolitischen Werbung.

„Auch wenn Unternehmen wie Ströer nicht für die Inhalte verantwortlich sind, sollten sie dennoch genau prüfen, ob sie solche Kampagnen auf ihren Flächen zeigen wollen“, sagt Pia Lorenz aus der NRW-Pressestelle der Grünen. „Es braucht dringend stärkere Transparenzpflichten bei der Finanzierung politischer Werbung, um die Urheber politischer Kampagnen künftig schneller sichtbar zu machen.“

Im Januar schrieb Ströer, es solle „zeitnah“ einen Termin geben, bei dem vor allem die Herstellung „besserer Transparenz bzgl. Absenderschaft der Botschaften im Mittelpunkt“ stehe. Auch ein halbes Jahr später gab es dieses Treffen noch nicht.