Transparenzregister mit Lücken
Seit Jahresende gibt es als Reaktion auf die Panama Papers ein Transparenzregister. Besonders das deutsche Stiftungswesen braucht mehr Transparenz, wie ein aktueller Skandal in der Wohlfahrtsbranche zeigt. Ein erster Praxistest ergibt: den hätte das Transparenzregister nicht verhindert.
Ein Manager verwandelt ein traditionsreiches, diakonisches Wohlfahrtsunternehmen unbemerkt in seinen Privatbesitz. Das gelingt ihm so: er gründet zwei Stiftungen und macht aus ihnen den neuen Eigentümer des Unternehmens. Dabei tut er so, als habe das Unternehmen die Stiftungen gegründet. Das wäre eine gängige Konzernstruktur im Wohlfahrtsbereich. Doch tatsächlich ist er selbst der Stifter. Damit gehört der Konzern fortan ihm.
So ähnlich geschah es im Falle des Diakoniewerks Bethel, wie CORRECTIV im vergangenen Sommer aufdeckte. Das Diakoniewerk betreibt mit 1.700 Mitarbeitern 13 Krankenhäuser und Altenheime in ganz Deutschland und hat einen Jahresumsatz von etwa 75 Millionen Euro.
Dieses Vorgehen des Vorstands Karl Behle war möglich, weil das Stiftungswesen in Deutschland sehr intransparent ist. Jahrelang versuchte eine engagierte Beobachterin des Unternehmens, die dem Machthunger Behles Einhalt gebieten wollten, bei der Stiftungsaufsicht Auskunft über den tatsächlichen Stifter zu bekommen. Doch der Stifter konnte lange verhindern, dass sie Auskunft erhielt. Die entscheidenden Schritte von Behle blieben so im Verborgenen.
Kampf gegen Strohmänner
Seit Jahresende 2017 gibt es in Folge einer Überarbeitung der EU-Richtlinie gegen Geldwäsche ein Transparenzregister. In dem Register sollen sich die sogenannten wirtschaftlichen Berechtigten von Firmen und Stiftungen finden, und damit ihre tatsächlichen Eigentümer.
Das Transparenzregister ist vor allem eine Reaktion auf die Enthüllungen der „Panama Papers“. Diese hatten gezeigt, wie mit Hilfe von Briefkastenfirmen weltweit Steuern hinterzogen, Rohstoffe geplündert und Geldwäsche betrieben wird. In den Angaben zu Briefkastenfirmen finden sich gewöhnlich nur die Namen von Strohmännern, nicht aber die wahren Eigentümer.
Das neue Transparenzregister soll dem Abhilfe schaffen. Ein Fall Bethel müsste damit eigentlich ausgeschlossen sein.
Doch an diesem Praxistest scheitert das Register in seiner jetzigen Form. Auf Anfrage von CORRECTIV teilt das Register zu den beiden Stiftungen, die Eigentümer des Bethel-Konzerns sind, als „wirtschaftliche berechtigte Personen“ lediglich die aktuellen Vorstände der Stiftungen mit, einer von ihnen Karl Behle. Die wirklich relevante Information fehlt: wer der Stifter ist.
Originaldokument im Transparenzregister mit den „wirtschaftliche Berechtigten“ der Eduard Scheve Stiftung. Sie ist eine der beiden Stiftungen, die Anteile am Diakoniewerk Bethel hält.
Endlich Auskunft
Damit erfüllt das Transparenzregister den Anspruch des Bundesfinanzministeriums, „Hintermänner von Unternehmenskonstruktionen“ sichtbar zu machen, in diesem Fall erst einmal nicht. Denn im Fall Bethel ist der Stifter die Person, die am meisten Einfluss im Konzern hat. Der Stifter bestimmt, wer im Vorstand der Stiftungen und in den Kontrollgremien sitzt.
Und der Stifter ist ohne Zweifel Karl Behle: „Ich teile Ihnen mit, dass Herr Karl Behle der alleinige Stifter sowohl der Eduard Scheve Stiftung als auch der Berta Scheve Stiftung ist“, schreibt die Stiftungsaufsicht Berlin mit Bezug auf die beiden Stiftungen, die Eigentümer des Bethel-Konzerns sind. Auf Anfrage will sich das Bundesverwaltungsamt, das die Aufsicht über das Transparenzregister inne hat, zu diesem konkreten Fall nicht äußern.
Es gibt weitere Kritikpunkte am Transparenzregister. Es ist zum Beispiel keine öffentliche Datenbank. Die EU-Direktive sieht lediglich vor, dass nur Personen mit „berechtigtem Interesse“ Auskunft erhalten. Deutschland hat das so interpretiert, dass neben Behördenmitarbeitern nur Journalisten und Nichtregierungsorganisationen Zugang bekommen. Und auch diese müssen erst für den Einzelfall eben ein „berechtigtes Interesse“ nachweisen.
Ein Register mit Lücken
Im Fall Diakoniewerk Bethel haben wir unser Interesse mit unseren bereits veröffentlichten Recherchen begründet. Einige Wochen später erhielten wir nach Vorlage eines Journalistenausweis jenes Dokument mit den wirtschaftlich berechtigten Personen. Das Transparenzregister ist nicht kostenlos: ein Din-A4-Blatt kostet 5,36 Euro.
Gerade rund um Stiftungen besteht in Deutschland bisher wenig Transparenz. Weil es kein zentrales Register gibt, ist nicht einmal ihre genaue Zahl bekannt. Die meisten Schätzungen gehen von etwa 20.000 aus. Die Zahl der kirchlichen Stiftungen ist vollkommen unbekannt. In dem Transparenzregister fanden sich am 1. Februar 9.000 Stiftungen, und damit weniger als die Hälfte.
Kirchliche und öffentlich-rechtliche Stiftungen müssen sich nicht eintragen lassen. Auch Treuhandstiftungen – also wenn eine Person oder eine Einrichtung für einen Stifter ein Stiftungsvermögen verwaltet – müssen nur dann Angaben machen, wenn sie einen gemeinnützigen Zweck haben. Das Amt kündigt an, das Transparenzregister systematisch mit anderen Registern abzugleichen, um fehlende Einträge aufzuspüren.
Vage Richtlinien
Bei der Überarbeitung der Geldwäscherichtlinie seien sich die EU-Staaten relativ einig gewesen, was die neuen Transparenz-Richtlinien für Firmen angeht, sagt Laure Brillaud von Transparency International in Brüssel. „Der öffentliche Zugang zu Firmendaten war kein Zankapfel, nach den Panama Papers konnte da kaum noch jemand dagegen sein.“
Bei Stiftungen sei die Richtlinie bisher jedoch eher vage gehalten. Das habe mit den unterschiedlichen Rechtssystemen in Europa zu tun. In Großbritannien herrscht die Rechtsform des „trusts“ vor, die Unterschiede zur deutschen Stiftung aufweist. Vor allem werden sie fast ausschließlich für Geschäfte genutzt, während in anderen Ländern Stiftungen auch häufig von Privatpersonen genutzt. Deswegen hätten Überlegungen zum Datenschutz bei Stiftungen eine größere Rolle gespielt, sagt Brillaud.
Noch bevor Deutschland mit der Veröffentlichung des Transparenz-Registers am 27.12. die vierte Überarbeitung der EU-Richtlinie gegen Geldwäsche umsetzte, beschloss die EU Mitte Dezember bereits die nächste Überarbeitung. Diese sieht vor, dass das Register für alle öffentlich ist. Das könnte bis Ende 2019 umgesetzt sein.
Es geht auch jetzt schon anders. In Großbritannien gibt es seit 2016 ein neues Online-Register mit den Firmenbeteiligungen von Personen. Es ist für jeden zugänglich und kostet nichts. Die Datenbank lässt sich sogar komplett herunterladen und dadurch unkompliziert digital verarbeiten. Damit können Journalisten die Daten mit ihren eigenen Datensätzen kombinieren und so zum Beispiel Firmen- und Personengeflechte aufdecken.
Für das Diakoniewerk Bethel kommt all das zu spät. Das Unternehmen, das sich bis heute nicht zu den Vorgängen geäußert hat, befindet sich heute in einer tiefen Krise. Es droht der Ausschluss aus der Diakonie und wegen des hohen Gehalts, dass sich der Manager Behle genehmigt haben soll, auch der Verlust der Gemeinnützigkeit. Mit mehr Transparenz im Stiftungswesen wäre es vielleicht nicht so hart gekommen.
Korrektur vom 13. Februar 2018: Wir haben klargestellt, dass das Bundesverwaltungsamt die Aufsicht über das Register inne hat, es aber nicht selber führt.