Fußballdoping

Dopingprozess in Rosenheim: Dubiose Ernährungsberater sind Alltag

Ein Mediziner, der Amateur-Kraftsportler und Bodybuilder mit Dopingmitteln versorgt haben soll, steht ab heute am Amtsgericht Rosenheim vor Gericht. Pikant: Der Mann arbeitete zwischen April 2009 und Juni 2012 auch am Olympiastützpunkt Rheinland-Pfalz/Saarland. Dort hielt er vor Kaderathleten und deren Trainern Vorträge über Sportlerernährung. „Vereinzelt beriet der Mitarbeiter Bundeskaderathleten auch individuell“, schrieb der Stützpunkt im Juni 2012 in einer Erklärung. Dopingvorwürfe wies man damals als „völlig unbegründet“ zurück, trotzdem entließ der Olympiastützpunkt den Mediziner. Der Mediziner arbeitete zudem mit einem Schweizer Unternehmen zusammen, dass auch Teams im Profifußball betreute.

von Daniel Drepper

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Bekannt wurde der Fall, weil die Münchner Staatsanwaltschaft einige Dopinglabore auffliegen ließ. Dabei stießen die Ermittler auf die Verbindung an den Olympiastützpunkt Saarbrücken. Der Mediziner soll von Dopingdealern mit verbotenen Mitteln beliefert worden sein. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm nun vor, diese an Amateursportler weitergegeben zu haben. Dass er damit auch Spitzensportler beliefert hat, konnte ihm die Staatsanwaltschaft allerdings nicht nachweisen.

Der Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln ist im Spitzen – und im Breitensport weit verbreitet. Immer wieder kommt es zu positiven Dopingproben, bei denen Profis und Vereine das Ergebnis mit verunreinigten Nahrungsergänzungsmitteln erklären. Auch im Profifußball. Meistens spielen dabei dubiose Berater, die sich als Ernährungsexperten ausgeben, eine wichtige Rolle.

Nürnberg: 10.000 Euro im Monat
Zum Beispiel beim 1. FC Nürnberg. Die Nürnberger beschäftigten ab 1999 einen „Experten für leistungsspezifische Sporternährung“ – die Spieler nannten ihn nur „Miraculix“. Angeblich überwies der Verein dem Betreuer monatlich 10.000 Euro, damit er Riegel, Tinkturen und Pillen an Spieler verteilte.

Genau dieser sorglose Umgang der Nürnberger mit angeblichen Wundermitteln wurde Thomas Ziemer 1999 offenbar zum Verhängnis. Ziemer ist einer der bekannt gewordenen Dopingfälle im deutschen Fußball. Er nahm Riegel vom Ernährungsberater zur Regeneration, in Internetforen galt das damals als Geheimtipp. Ziemer wurde positiv getestet. Seine Probe enthielt Anabolika. Im Dopinglabor befürchteten die zuständigen Forscher zunächst, Ziemer habe Hodenkrebs. So hoch waren die gemessenen Werte. Der Mittelfeld-Spieler schob die Schuld auf den Ernährungsberater und die verunreinigten Nahrungsmittel. Der DFB sperrte Ziemer für sechs Monate.

Ingo Froböse beklagte schon 2012 in einem Interview mit uns das „Guru-System im Spitzensport“. Froböse leitet an der Sporthochschule Köln das Zentrum für Gesundheit und Rehabilitation. Scharlatane hätten Hochkonjunktur, es gebe im Spitzensport kaum Zweitmeinungen, die über Risiken aufklären würden.

Berlin: Jeden Tagl „Speed-Creatin“
Der Nürnberger Thomas Ziemer ist längst nicht der einzige Profi, der wegen angeblich verunreinigter Nahrungsergänzungsmittel aufgeflogen ist. Manuel Cornelius von Tennis Borussia Berlin wurde im August 2000 ein Nandrolonwert nachgewiesen, der 30 mal über dem erlaubten Grenzwert lag. TeBe verteilte damals täglich „Speed-Kreatin“-Tabletten an seine Spieler. Einige waren offenbar verseucht, Cornelius wurde positiv getestet. Dennoch sprach der DFB Cornelius frei, da er nachweislich Opfer eines kontaminierten Nahrungsergänzungsmittels geworden sei.

Und auch heute noch ist das verunreinigte Nahrungsergänzungsmittel eine gern genutzte Erklärung bei positiven Proben. Im aktuellsten Dopingfall des deutschen Profifußballs erklärte Cebio Soukou von Rot-Weiß Essen seine positive Probe genau mit solch verunreinigten Mitteln. Die Kontrolleure testeten Soukou nach dem 1:1 gegen die Sportfreunde Lotte im Dezember 2014 positiv auf Methylhexanamin, eine Substanz, die den Sauerstofftransport stimuliert. Soukou gab an, seit mehreren Jahren regelmäßig Nahrungsergänzungsmittel zu sich zu nehmen. Der Verein wusste davon nach eigenen Angaben nichts. Erst nach der positiven Probe ließ RWE das Vitaminpräparat untersuchen und fand die verbotene Substanz. Auf dem Beipackzettel war sie nicht angegeben. Der DFB sperrte Soukou für fünf Monate.

Optimum in allen Bereichen

Die Fälle zeigen: Wer als Leistungssportler Nahrungsergänzungsmittel zu sich nimmt, bewegt sich immer auf einem schmalen Grat. Und sie beweisen: Nahrungsergänzungsmittel sind heute der Alltag im Profisport, weil sich die Sportler in allen Lebensbereichen optimieren wollen.

Der Mediziner, der ab heute in Rosenheim vor Gericht steht, arbeitet mittlerweile in der Schweiz. Dort betreut er Recherchen des Bayerischen Rundfunks zufolge ein Unternehmen, das auch mit Weltklasse-Triathleten und Profiteams aus dem Eishockey und dem Fußball zusammen arbeitet.