Fußballdoping

Doping mit Anabolika beim VfB Stuttgart und Sc Freiburg

Die Vereine VfB Stuttgart und SC Freiburg sollen für ihre Spieler Anabolika finanziert haben. Das berichtet ein Mitglied aus der Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin. Der Kommission liegen Belege aus den späten 70er und den frühen 80er Jahren vor.

von Jonathan Sachse

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Es sei nun „erstmals der sichere Befund möglich, dass Anabolikadoping auch im Profiußball eine signifikante Rolle spielte“, heißt es in der am Montag (2.3.2015) versendeten Zusammenfassung, die das Kommissionsmitglied Andreas Singler veröffentlichte. Der Kommission liegen Unterlagen vor, in der Überweisungen für Medikationen „im Umfang von mehreren Zentausend DM pro Jahr“ auftauchen sollen. In den späten 70er Jahren und frühen 1980er Jahren hätten der Bundeligaverein VfB Stuttgart und „punktuell nachweisbar“ auch der damalige Zweitligist SC Freiburg das Anabolikum Megagrisevit bestellt.

Mittlerweile wurden weitere Vereine genannt. In der Sportschau am 7.3. kommt Alois Hornung, Teamarzt VfB Stuttart II, zu Wort. Er gehörte bereits in den 80er Jahren zum medizinischen Team des VfB Stuttgart. Hornung bestätigt die Besuche von Fußballern beim Spritzendoktor Klümper. Die Kicker hätten dort auch „illegale Substanzen“ bekommen. Neben Stuttgartern seien auch Spieler von Bayern München, 1860 München, 1. FC Nürnberg, Freiburg und Kalsruhe dahin gegangen. „Die sind ja alle zum Klümper“, sagt Hornung.

Die Aussagen von Dr. Hornung werden auf der Website des SWR etwas ausführlicher veröffentlicht. Darin sagt er zu Anabolika, man habe es „in Verletzungsphasen vielleicht mal dem einen oder anderen Sportler gegeben.“ Es sei „in der Verletzungsphase nicht verboten gewesen. Es gab keine Kontrollen.“ Ohne die Trainingskontrollen war es für Hornung „halb illegal.“ Von den Fußballern, die zu Klümper reisten, haben „einige auch Medikamente bekommen, die man damals nicht geben durfte.“ Ein flächendeckendes Doping bei Stuttgart damals schließe er aus.

Der Teamarzt des VfB Stuttgart findet in diesem Interview eine individuelle Definition, was verboten ist und was nicht, indem er die Kontrollen als Entscheidungskritierium setzt. Entscheidend ist aber die Verbotsliste auf der verbotene Substanzen und Methoden definiert sind. Solch eine Liste gab es auch schon damals. Im Jahr 1970 hat die FIFA offiziell mit Dopingkontrollen begonnen. Damit sie wussten, was sie testen müssen, brauchte die FIFA eine Liste. Wie damals der Einsatz von Anabolika definiert wurde, versuchen wir gerade u.a. mit einer Anfrage bei der FIFA herauszufinden.

Löw und Adrion spielten in der Anabolika-Zeit für Stuttgart

Der VfB Stuttgart spielte in dieser Zeit in fast jeder Saison oben in der Bundesliga mit. Von 1977 bis 1984 brachte es der VfB zu einer Meisterschaft, einem Vizetitel, landetete jeweils dreimal auf Platz 3 und 4 in der Bundesliga. Zu den damaligen Kadern des Vereins zählten zahlreiche prominente Fußballer, die auch heute noch in prominenten Funktionen im deutschen Fußball aktiv sind. Der heute Bundestrainer Joachim Löw spielte in der von der Kommission beschriebenen Kernzeit sowohl für Freiburg (78-80) als auch für Stuttgart (80-81). Der langjährige U-21 Trainer der Nationalmannschaft, Rainer Adrion, spielte von 1980 bis 1982 für Stuttgart, wo er heute sportlicher Leiter der Nachwuchsmannschaften ist. Weitere ehemalige VfB-Kicker: Karlheinz Förster, Ottmar Hitzfeld, Hansi Müller, Dieter Hoeneß und Guido Buchwald.

Welche Spieler konkret Anabolika erhalten haben sollen, kann die Evaluierungskommission nicht erkennen, da „eine Zuordnung von Medikationen an einzelne, konkret zu benennende Spieler“ nicht möglich sei.

Unveröffentliches Sondergutachten mit 60 Seiten

Die Erkentnisse dieser neuen Auswertung stützen sich auf Akten der Staatsanwaltschaft Freiburg, die ein Strafverfahren gegen Armin Klümper führten, was 1989 abgeschlossen wurde. Aus diesen Akten hat die Kommission ein 60-seitiges Sondergutachten mit dem Titel „Systematische Manipulationen im Radsport und Fußball“ erstellt. Es wird noch diskutiert, ob dieser Zwischenbericht in den nächsten Wochen unabhängig vom finalen Bericht der Kommission veröffentlicht wird.

Die neuen Berichte führen zum ersten Mal konkrete Dopingbelege zwischen Fußballvereinen und der Uni Freiburg auf. Dass der deutsche Fußball enge Verbindungen nach Freiburg und inbesondere Armin Klümper pflegte, war schon länger bekannt.

Fußballer finanzieren Arbeit von Dr. Klümper

Als Klümper immer weniger Steuergelder über das BMI erhielt, wurde für ihn ein Förderverein gegründet. Im Februar haben wir darüber ausführlich berichtet. An der Gründungsversammlung nahmen 1994 auch die zwei Fußballer Hansi Müller und Karlheinz Förster teil. Auch die Fußballgrößen Karl-Heinz Rummennige, Uli Hoeneß und Paul Breitner sollen sich mit einem fünfstelligen Betrag beteiligt haben. Gerhard Meyer-Vorfelder und Felix Magath fanden in der Vergangenheit ebenfalls lobende Worte für Klümper. So konnte Klümper jahrelang weiterarbeiten. Erst im Jahr 2000 wanderte Klümper nach Südafrika aus.

Telekom-Arzt jahrelang beim SC Freiburg

In Freiburg gab es noch andere Verflechtungen zwischen Doping und Fußball. Andreas Schmid, Doping-Arzt der Uniklinik in Freiburg und des Teams Telekom um Jan Ullrich, war zu seiner Dopingzeit auch über mehrere Jahre Mannschaftsarzt des SC Freiburg. Die Freiburger weigerten sich nach den Enthüllungen sogar, sich von Schmid zu trennen. „Wir werden mit ihm auf jeden Fall weitermachen“, sagte damals SC-Präsident Achim Stocker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „Für mich ist Andreas Schmid ein Toparzt, der bei uns Toparbeit geleistet hat. Er ist ein angenehmer und fairer Typ. Die Dopingvorwürfe sind für uns unvorstellbar und haben mit Fußball nichts zu tun.“ Später trennte sich der Verein dann doch von Schmid.

Umfangreiche Medienberichte

In den letzten 24 Stunden gab es zahlreiche Berichte zum Thema. Die Süddeutsche Zeitung schrieb im Superlativ: „Dem deutschen Fußball droht der größte Dopingskandal seiner Geschichte“. Der Verein Stuttgart schrieb in einer Stellungnahme, es sei schwierig „damalige Abläufe und eventuelle Behandlungen durch externe Mediziner nachzuvollziehen.“ Der in der Kernzeit tätige VfB-Coach (76-79 & 80-82) Jürgen Sundermann wies zwar Dopingvorwürfe gegenüber Sport1 von sich, bestätigte aber „ein enges Verhältnis zu Dr. Armin Klümper.“

Alleingang von Andreas Singler?

Die Zusammenfassung der neuen Ergebnisse veröffentlicht das Kommissionsmitglied Andreas Singler. Von einem Alleingang sprachen die Kommissions-Vorsitzende Letizia Paoli und Neu-Mitglied Fritz Sörgel (siehe Aussagen in der tz). Den inhaltlichen Aussagen stimmte Paoli zu. Sie wollte die Sondermeldung aber erst im abschließenden Gesamtbericht veröffentlichen.

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Hier finden Sie die Pressemitteilung und Abstract von Andreas Singler zum Sondergutachten mit dem Titel „Systematische Manipulationen im Radsport und Fußball“. Beide Dokumente wurde am 2. März 2015 veröffentlicht.

Pressemitteilung:

Abstract: