Trotz Dürre in Deutschland: Industrie nutzt weiterhin ungebremst Wasser
Ernten vertrocknen, Kleingärtner sollen weniger gießen und Bürgerinnen und Bürger Wasser sparen – doch Unternehmen dürfen weiter pumpen. Nach einer CORRECTIV-Umfrage lassen die Bundesländer ihre Kohle-, Chemie- und Pharmakonzerne ungehindert Wasser nutzen.

Deutschland steuert erneut auf einen dramatischen Dürresommer zu – doch wenn Wasser knapp wird, müssen sich Unternehmen keine Sorgen machen. Nach einer CORRECTIV-Umfrage unter allen Landesumweltämtern reduziert bislang kein einziges den Wasserverbrauch der Industrie. Oder verteuert die Preise so spürbar, dass die großen Wassernutzer wie Kohlebergbau, sowie die Chemie- und Papierindustrie zum Einsparen motiviert wären. Die Bevölkerung muss sich dagegen in einigen Teilen des Landes einschränken.
Zwar hat sich die Lage nach Regenfällen mancherorts entspannt. Doch nach dem Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums müssen viele weiterhin um ihre Ernten und Trinkwasservorräte bangen: Der obere Boden ist im gesamten Norden des Landes tiefrot gefärbt, ein Zeichen für eine außergewöhnliche Dürre, die nur alle 50 Jahre auftritt. Und abgesehen vom südlichen Bayern und einigen Regionen in Nordrhein-Westfalen drohen landesweit Ackerpflanzen auszutrocknen. Selbst die Europäische Union hat im Mai erstmals zum Wassersparen aufgerufen. Und zahlreiche Regionen Deutschlands bangen um ihr Wasser: Laut CORRECTIV-Recherchen haben bisher rund 30 Kreise, Städte oder Versorger ihre Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, sparsam zu sein. Vor allem in Nordrhein-Westfalen befürchten die Behörden eine Wasserknappheit: Ein Drittel der Appelle kommt von dort.
50.000 Euro Strafe für Bewässerung des Gartens
Auch andere Bundesländer verordnen ihrer Bevölkerung das Wassersparen: In der Region Hannover sollen Menschen ihre Gärten nur noch zu bestimmten Zeiten wässern – wer wiederholt dagegen verstößt, muss mit einer Strafe von 50.000 Euro rechnen. Der Kreis Höxter ruft dazu auf, auf private Pools zu verzichten und lieber Freibäder zu nutzen. Darmstadt, Fulda, Salzwedel, Brandenburg an der Havel – sie alle fürchten um ihre Wasservorräte und appellieren, weniger zu nutzen. Die Kreisverwaltung Friedrichshafen kündigt vermehrte Kontrollen an. Wer ohne Genehmigung Wasser entnehme, müsse mit Strafen von bis zu 10.000 Euro rechnen.
Die Industrie hingegen zapft bislang ungehindert Flüsse und Grundwasser an, etwa um Anlagen zu kühlen. CORRECTIV deckte bereits 2022 auf, wer die größten Wasserschlucker Deutschlands sind. Dabei nutzen Kohle-Tagebaue, Chemiefirmen und die Nahrungsmittelindustrie insgesamt fast viermal so viel Fluss- und Grundwasser wie alle Bürgerinnen und Bürger zusammen – und können dies dank jahrzehntelanger Verträge auch weiterhin tun.
Industrie kann auch weiterhin ungehindert Wasser entnehmen
Drei Jahre und mehrere Dürren später will kein Bundesland die Entnahmemengen der Industrie beschränken. Dabei nehmen Extremwetter und Trockenperioden mit der Klimakrise zu. Rheinland-Pfalz etwa gibt gegenüber CORRECTIV an, es gebe „keine übergeordneten Überlegungen zu gewerblichen Entnahmen“ – dabei steht in diesem Bundesland mit dem Chemiewerk BASF der größte Wassernutzer Deutschlands. Um seine Lacke, Düngemittel und Kunststoffe herzustellen, müssen in Ludwigshafen Rohstoffe erst erhitzt und schließlich mit Wasser abgekühlt werden.
Auch andere Industrieländer bleiben trotz der teilweise dramatischen Dürre-Erfahrungen seit 2018 untätig: Das schwarz-grün regierte Nordrhein-Westfalen erarbeitet zwar eine Zukunftsstrategie Wasser, in der es auch um eine nachhaltige Nutzung von Wasser geht – insbesondere im Braunkohlegebiet – doch verabschiedet ist sie bisher nicht. Die Tagebaue von RWE nutzen insgesamt rund 500 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr – und damit so viel wie rund elf Millionen Bürgerinnen und Bürger.
Auch Baden-Württemberg sieht offenbar keinen Bedarf zum Handeln: „In Deutschland ist bereits heute im Allgemeinen eine hohe Bereitschaft zum sparsamen Umgang mit Wasser zu verzeichnen“, schreibt das Stuttgarter Umweltministerium. Tenor ihrer Antwort: Die Industrie wolle selbst weniger Wasser nutzen, politische Vorgaben seien unnötig. Dabei sitzen auch hier Großverbraucher wie Heidelberg Materials, einer der weltweit größten Hersteller von Zement, Beton und Baustoffen.
Das hessische Umweltministerium erklärt, Unternehmen müssten ihre Bedarfe an Wasser nachweisen und dürften nur so viel entnehmen, dass dies auch schonend für die Umwelt sei. Ob das immer gelingt, ist allerdings fraglich. Bereits 2022 berichtete CORRECTIV über einen Gerichtsprozess in Hessen. Darin ging es um die Frage, ob ein Wald aufgrund von zu hoher Grundwasserentnahmen durch einen lokalen Wasserversorger unter Trockenstress leidet.
Das Sächsische Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft gibt gegenüber CORRECTIV an, dass ein „grundsätzlich sparsamerer Wasserverbrauch auch durch industrielle Nutzer anzustreben“ sei.
Einige Länder lassen sich Wasser nun mehr kosten
Viele Bundesländer halten die Wasserpreise weiterhin niedrig: Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Berlin, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen haben die Kosten pro Kubikmeter seit Jahren nicht angehoben, in Thüringen nutzen Industrien es sogar weiterhin kostenlos. Während Bürgerinnen und Bürger immer mehr für Duschen und Kochwasser zahlen, beziehen Fabriken und Werke die knappe Ressource günstig.
Nur wenige Bundesländer wollen nun die Preise erhöhen. Bayern erlaubte Unternehmen bislang kostenlos Grund-und Oberflächenwasser zu entnehmen – nun soll ein sogenannter Wassercent kommen, der „streng zweckgebunden in den Schutz unseres bayerischen Wassers investiert“ werden soll. Baden-Württemberg erhöhte seine Preise für Oberflächenwasser zuletzt 2019 geringfügig – ließ die Gebühren für Grundwasser hingegen unverändert. Obwohl seitdem Jahre extremer Hitze und Dürre liegen.
Dabei könnten höhere Preise nachweislich dazu führen, dass Gewerbe weniger Wasser nutzen – und damit mehr übrig bleibt für Privathaushalte und Landwirte und Landwirtinnen. Laut einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung kann ein erhöhtes Entgelt die Nachfrage um bis zu 16 Prozent senken. Die Prognose bezieht sich auf die Spree und die Bundesländer Berlin, Brandenburg und Sachsen – deutlich wird in der Studie aber auch: Harmonisierte und höhere Preise in allen Bundesländern könnten den Wasserverbrauch am stärksten drosseln.
Redaktion und Faktencheck: Justus von Daniels, Gesa Steeger, Max Hillenberg Grafik: Sebastian Haupt