Klimawandel

Finanz-Expertin: So kann nachhaltige Altersvorsorge das Klima schützen

Sind Öko-Fonds wirklich profitabel? Welche nachhaltigen Fonds helfen dem Klimaschutz? Nach unserer Recherche „Schmutzige Rente“ stellten Leserinnen und Leser Fragen zur privaten Altersvorsorge. Eine Expertin antwortet.

von Justus von Daniels , Elena Kolb

Klima-Rente-Pensionsfonds-Fossile-Energie-Interview-Silke-Stremlau
Die Nachhaltigkeitsexpertin und Bankerin Silke Stremlau ist Vorsitzende des Sustainable-Finance Beirates der Bundesregierung.

Was hat eine kanadische Klimaaktivistin mit einer Erdöl-Bohrung in Deutschland zu tun? Bis vor Kurzem wusste sie das selbst nicht. Erst durch eine Recherche von CORRECTIV erfuhr sie, dass das Geld, das sie in ihrem Pensionsfonds anlegt, über Umwege auch einen Ölkonzern in Deutschland unterstützt. Die Bibliothekarin war entsetzt, dass ihre Rente den Klimawandel befeuert.

Schmutzige Rente: Klimaschützer wissen nichts von ihren Investitionen in Gas und Öl: Hier lesen Sie die internationale Recherche unter Leitung von CORRECTIV, die Verbindungen zwischen den Menschen, die investieren und betroffen sind, offenlegt.

Unsere Recherche über Investitionen in Öl- und Gaskonzerne hat für Diskussionen bei Leserinnen und Lesern gesorgt, wie sinnvoll nachhaltige Geldanlagen oder grüne Investitionen sind und was das für ihre private Altersvorsorge konkret bedeutet. Immerhin geht es bei der Rente ja um die Sicherheit der Menschen im Alter.

Wir helfen, die wichtigsten Fragen, die uns Leserinnen und Leser gestellt haben, zu beantworten. Dazu haben wir mit Silke Stremlau, Vorsitzende des Sustainable Finance-Beirats der Bundesregierung, gesprochen. Stremlau berät die Regierung zum Thema nachhaltige Finanzen und ist Bankerin. Zuletzt war sie im Vorstand der Hannoversche Kassen, einer Pensionskasse:

Viele müssen jetzt schon für ihre private Rente sorgen – das ist von der Politik so gewollt. Ist es da nicht zu viel verlangt, auch noch auf Nachhaltigkeit zu achten?

Stremlau: Die meisten Menschen in Deutschland zahlen in die gesetzliche Rentenversicherung ein. Darüber müssen sie sich erst mal überhaupt keine Gedanken machen. Diese ist nämlich umlagefinanziert. Das bedeutet, dass die jüngeren Menschen, die arbeiten, das Geld für die Rente von Menschen im Ruhestand zahlen. Dabei wird kein Geld am Aktienmarkt angelegt. 

Da wir alle in einer Welt leben wollen, die lebenswert ist, haben wir auch eine Verantwortung, wenn wir Geld anlegen.“

Wenn man aber selbst oder der Arbeitgeber für die Altersvorsorge das Geld anlegt, lohnt es sich schon zu fragen, wo es landet. Das Geld wird dann ja über Jahrzehnte investiert. Aus meiner Sicht haben Anleger dann schon die Verantwortung zu fragen: Okay, was finanziere ich jetzt damit? Aber das ist auch kein Grund zu verzweifeln. Denn man muss sich eigentlich nur einmal am Anfang Gedanken darüber machen, wie man sein Geld zur Rentenvorsorge anlegt. Als Hilfe gibt es auch einige Einrichtungen, bei denen man sich dazu beraten lassen kann: zum Beispiel die Verbraucherzentralen, Stiftung Warentest oder das Forum Nachhaltige Geldanlagen.

Sind nachhaltige Fonds genauso profitabel wie normale Geldanlagen?

Das Thema Rendite-Nachteil von nachhaltigen Fonds ist abgeräumt, da braucht man sich keine Sorgen zu machen. Es gibt nachhaltige Fonds nicht erst seit vorgestern. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beobachten sie schon seit Jahren. Die nachhaltigen Fonds haben sogar mit geringer Wahrscheinlichkeit einen Rendite-Vorteil gegenüber konventionellen Fonds. 

Klar, kurzfristig gesehen, können konventionelle Fonds auch mal besser abschneiden als die nachhaltigen Fonds. Zum Beispiel machten Öl- und Gasunternehmen im letzten Jahr durch den Ukraine-Krieg hohe Gewinne. In dem Jahr zuvor, während der Corona-Pandemie, haben nachhaltige Unternehmen viel besser performt als konventionelle Unternehmen. 

Man muss aber dazu sagen, dass Anleger im nachhaltigen Sektor keine exorbitanten Rendite-Vorteile erwarten können. Und manche nachhaltigen Fonds sind extrem teurer als andere Fonds, weil ihre Managerinnen und Manager sehr genau in die Tiefe schauen und dafür Geld ausgeben. Aber es gibt auch günstigere Versionen. 

Langfristig ist man mit nachhaltigen Anlagen auf der sichersten Seite. Die Politik hat festgelegt, dass nicht mehr unbegrenzt Öl und Gas aus der Erde geholt werden darf. Deshalb werden fossile Industrien auf längere Zeit gesehen in höhere Preise hineinlaufen. Das heißt, dass zum Beispiel Ölkonzerne dann keine Geschäftsgrundlagen mehr haben werden. 

Wieso legen denn nicht längst alle Pensionskassen ihr Geld in nachhaltigen Aktien an, wenn das so viel Geld bringt?

Dafür gibt es drei mögliche Erklärungen, die in ihrer Mischung der Wahrheit wahrscheinlich sehr nahe kommen. Erstens sind Vorstände von Pensionskassen eher konservativ eingestellt. In meiner Wahrnehmung sind das oftmals ältere Herren, die gegenüber nachhaltigen Fonds noch eher skeptisch sind. Zweitens ist die aktuelle Regulierung und Dokumentation von nachhaltigen Investitionen vielen Pensionskassen momentan noch zu aufwendig.  

Und drittens ist schon auch die Performance ein Problem. Zwar sind nachhaltige Fonds in den letzten Jahren gut gelaufen, aber mit konventionellen Unternehmen lässt sich momentan auch noch gutes Geld verdienen. Ich sehe da vor allem die Politik in der Verantwortung. Wenn die Preissignale klarer wären, dann gäbe es noch mal einen Schub für das Thema nachhaltige Geldanlagen. Aber was Anleger heute sehen, ist ein großes Gerangel um Themen wie das Gebäudeenergiegesetz oder die Mobilitätswende. Deshalb legen Pensionskassen ihr Geld noch nicht zu hundert Prozent nachhaltig an. Aber es gibt auch Kassen, die in Sachen nachhaltige Investitionen schon Vorreiter sind. 

Wenn ich Geld in Aktien von einem Kohlekonzern anlege, kann ich als Anlegerin oder Anleger vielleicht Druck auf den Konzern ausüben, damit er nachhaltiger wird. Funktioniert das?

Ja, diese Idee des aktiven Aktionärstums finde ich total wichtig. In Deutschland ist sie allerdings noch ziemlich unterentwickelt, weil wir hier noch keine richtige Aktionärs-Demokratie haben. Im Sustainable Finance Beirat der Bundesregierung wollen wir dazu aber bald eine Plattform initiieren, auf der sich institutionelle Anleger, Pensionskassen oder Stiftungen zusammen tun können, um sich gemeinsam Engagement bei Unternehmen zu betreiben. 

Das bedeutet, dass Anlegerinnen und Anleger gemeinsam an Unternehmen herantreten und zum Beispiel „Transitions-Pläne“ unter die Lupe nehmen und schauen, was die Unternehmen wirklich für die Pariser Klimaziele, für die Mobilitätswende oder für „Sustainable Development Goals“ tun. Anlegerinnen und Anleger können dann überprüfen, ob diese Ziele eingehalten werden. Und sie können Druck ausüben, weil sie im Zweifelsfall auch einfach ihre Aktien wieder verkaufen könnten. Ich halte das für ein sehr wirkungsvolles Instrument. 

Wie informiere ich mich am besten, wenn ich mein Geld nachhaltig anlegen will?

Meine erste Empfehlung dafür wäre, über eine nachhaltige Bank Geld anzulegen. Die haben damit nämlich schon jahrelang Erfahrung und sind sehr transparent.

Wenn man zum Beispiel aber lieber bei konventionellen Banken anlegen will, können Anlegerinnen darauf achten, ob Fonds das „FNG-Siegel“ haben. FNG steht für „Forum Nachhaltige Geldanlagen“. Es ist kein staatliches Siegel, sondern wurde in Zusammenarbeit mit der Universität Hamburg entwickelt. Aber es hat sehr strenge Kriterien. 

Zusätzlich kann man sich auch noch auf der Website von Magazinen mit dem Schwerpunkt auf nachhaltigen Geldanlagen informieren. 

Und der letzte Tipp wäre, einfach mal selbst in die Liste der investierten Unternehmen in den Fonds zu schauen. Was sind die zehn größten Unternehmen? Wenn Ihnen dabei ein Name komisch vorkommt, fragen Sie Ihren Berater dazu und investieren Sie im Zweifelsfall nicht.