Klimawandel

Wo Hochwasser besonders gefährlich ist

Dauerregen und Hagel, obwohl eigentlich Hochsommer ist. Einige Städte sind auf starke Niederschläge besonders schlecht vorbereitet. Das Risiko für vollgelaufene Keller, überschwemmte Straßen und Wohnungen ist dort hoch.

von Katarina Huth , Annika Joeres

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Ein Unwetter Anfang Juli 2023 mit Starkregen und Hagel hat eine Unterführung im Essener Stadtteil Altendorf überschwemmt. (Foto: picture alliance / Sven Simon | Malte Ossowski)

Stürme im Schwarzwald, Schneefälle in den Alpen und Gewitter und Hagel von Berlin bis Köln: Die Niederschläge in dieser Woche lassen manche Keller volllaufen und überfluten Städte und Wohngebiete. CORRECTIV hat in einer landesweiten Umfrage mit BR Data, NDR Data und WDR Quarks wissen wollen: Wie gut sind die 400 Landkreise und kreisfreien Städte auf heftige Niederschläge und Hochwasser vorbereitet? 

Das Ergebnis: Mehr als ein Viertel der Kreise und Städte hat noch keine einzige Vorsorge gegen Starkregen getroffen, weitere 70 haben erst gar nicht geantwortet. Dabei kann Starkregen jede Region Deutschlands treffen. Meteorologe und ZDF-Wettermoderator Özden Terli sagt: „Wir sind gerade erst bei den Anfängen.“ Nirgends sei man sicher. „Da gibt es nichts zu beschönigen oder verharmlosen:  Extremwetter wie Starkregen und Hochwasser werden in Zukunft zunehmen – und die Ereignisse können sich beschleunigen.“ In bergigen Regionen wie dem Erzgebirge, dem Harz, dem Schwarzwald, dem Rheinischen Schiefergebirge und vor allem den Alpen ist die Gefahr besonders groß. 

Die Zahlen unserer Umfrage zeigen auch: Nur rund 130 Städte und Landkreise geben an, neue Überflutungsflächen für starke Niederschläge geschaffen zu haben – obwohl diese zuverlässig gegen Überschwemmungen helfen. Rund 130 sagen, sie wollen in ihrer Stadt das Prinzip der so genannten Schwammstadt umsetzen: Dabei soll möglichst viel anfallendes Regenwasser vor Ort aufgenommen und gespeichert werden, etwa in grünen Flächen oder renaturierten Gewässern mit Auen. 


Dieser Artikel ist Teil eines Recherche-Projektes zu Klimafolgenanpassung von CORRECTIV, BR Data, NDR Data und WDR Quarks. Hier geht es zu unserem Haupttext: Hitze, Dürre, Starkregen: So schlecht ist Deutschland vorbereitet.

Ein ähnlich warnendes Bild zeigt unsere Auswertung zu Hochwasser. Wer in Ludwigshafen am Rhein wohnt, kann einem Hochwasser kaum entkommen: Drei von vier Personen in der rheinland-pfälzischen Industriestadt wären bei einer Jahrhundertflut betroffen, insgesamt rund 170.000 Menschen. Auch in Dresden wären rund 60.000 Personen von den steigenden Fluten der Elbe betroffen, in Hannover wären es rund 30.000. Jeder Leser und jede Leserin kann auf unserer Karte nachschauen, wie gefährlich die aktuellen Niederschläge werden können.



Während noch vor einem Jahr lang anhaltende Dürre und Hitze die Gesundheit von Bürgerinnen und Bürgern bedrohte, war dieser Juli in Deutschland besonders heiß und nass. Forschende machen die Klimakrise dafür verantwortlich, dass der Sommermonat weltweit der heißeste war, der jemals gemessen wurde, ebenso hat sie die Brände auf den griechischen Inseln und Sizilien befeuert und das Mittelmeer so sehr aufgeheizt wie nie zuvor. Hierzulande hingegen fiel überdurchschnittlich viel Regen.

Unter natürlichen Umständen versickert das Wasser im Boden oder wird über die Flüsse weitertransportiert. In stark versiegelten Städten wie Ludwigshafen am Rhein, wo besonders viele Flächen betoniert sind, kann der Niederschlag nicht in die Erde eindringen, sondern fließt über Straßen in Keller, Tiefgaragen und Supermärkte. „Anpassungsmaßnahmen sind absolut notwendig“, sagt Terli. „Was wir jetzt aushalten müssen, sind die Versäumnisse der Vergangenheit.“ Denn über Jahrzehnte sei kein richtiger Klimaschutz umgesetzt worden. „Und was wir aktuell versäumen, wird sich in Zukunft noch drastischer auswirken“, sagt Meteorologe Terli.

Die EU-Wasserrahmenrichtlinie schreibt den Ländern vor, diese Risikokarten aufzustellen. Zudem haben sie großen Einfluss darauf, wie stark ein Hochwasser ausfallen kann: Das Umfeld von Flüssen entscheidet darüber, wieviel Niederschlag etwa der Rhein oder die Elbe aufnehmen müssen und wieviel schon im angrenzenden Land versickern kann und dort dem Grundwasser zugute kommt. So helfen viele Bäume dabei, das Wasser im Boden aufzunehmen. „Je dichter und je heterogener die Vegetation, desto mehr Wasser wird zurückgehalten“, schreibt die Landesarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA). Auch Ackerflächen mit humusreichen, gesunden Böden können sehr viel mehr Niederschlag aufnehmen als Flächen, die durch große Pflüge und Traktoren verdichtet wurden und mitunter steinhart sind. 

Aber ausgerechnet die bislang am meisten von Starkregen betroffenen Städte haben häufig wenig dafür getan, ihre Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Laut Wetterexperte Özden Terli ist es die Politik, die Tempo machen muss: „Aktuell sind wir auf einem schlechten Weg. Alle können ihren Beitrag leisten, doch besonders wichtig ist es, strukturell Anpassungen einzuleiten.“ Der und die Einzelne könne natürlich nicht den Boden aufbuddeln und eine Schwammstadt umsetzen. „Das ist Aufgabe der Politik.“ Die Stadt Lübeck in Schleswig-Holstein und Brandenburg an der Havel räumen ein, bisher nicht eine einzige Vorsorge getroffen zu haben - sie haben also weder betonierte Flächen entsiegelt, noch Rückhaltebecken geschaffen oder die Kanalisation entsprechend umgebaut. Dabei ist ihnen sehr wohl bewusst, dass sie von Starkregen bedroht sind. Es fehlt: Geld für die nötigen Maßnahmen. 

Recherche und Datenauswertung: CORRECTIV: Lilly Brosowsky, Max Donheiser, Katarina Huth, Annika Joeres, Paulina Thom WDR Quarks/WDR Data: Jana Heck, Uli Hendrix, Nandor Hulverscheidt, Lara Schwenner NDR Data: Julia Barthel, Anna Behrend, Michael Hörz, Isabel Lerch, Mitarbeit: Serafin Arhelger, Ciara Cesaro-Tadic BR Data: Constanze Bayer, Johanna Bernklau, Robert Schöffel Text: Annika Joeres, Katarina Huth Design: Nina Bender Redaktion: Anette Dowideit Kommunikation: Valentin Zick

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