Klimawandel

Hitzewelle: Dies sind Deutschlands Betonwüsten

In diesen Tagen heizen sich einige Städte besonders unmenschlich auf. Der Grund: Ihr Boden ist versiegelt und nur selten von grünen Flächen und Bäumen durchbrochen. Wir zeigen die Top Ten der grauesten und heißesten Städte.

von Annika Joeres , Katarina Huth

Hitzewelle Betonwüsten_CORRECTIV
In den meisten deutschen Städten gewinnt grauer Beton und schwarzer Asphalt die Oberhand. Deshalb wird es dort bei Hitzewellen viele Grad heißer als im grünen Umland. (Foto: Foundry / Pixabay)

Wenn der Deutsche Wetterdienst für die nächsten Tage 30 bis 33 Grad vorhersagt, kann es an einigen Plätzen noch sehr viel heißer werden: Auf versiegelten Straßenzügen, Parkplätzen und Hochhaussiedlungen staut sich die Hitze. Dort steigt die Lufttemperatur um bis zu zehn Grad höher an als in der ländlichen Umgebung.

Aber welche Städte haben besonders viele graue und asphaltierte Böden? CORRECTIV zeigt die versiegeltsten Orte in Deutschland. Beispielsweise ist in der Industriestadt Ludwigshafen am Rhein, auf Platz 1 der Liste, fast 70 Prozent der gesamten Fläche mit Asphalt oder Beton verschlossen. Ähnlich sieht es in Mannheim und Rüsselsheim am Rhein aus.

Dabei ist eine der wichtigsten Lösungen für hohe Temperaturen und Starkregen, Asphalt und Beton durch Bäume und Grünflächen zu ersetzen. Sie spenden Schatten und kühlen durch Verdunstung die Umgebungstemperatur fühlbar ab.

Doch diese sogenannte Entsiegelung findet nach einer gemeinsamen Recherche mit dem BR, dem NDR und WDR Quarks kaum statt. Nur rund ein Viertel der 329 Landkreise und kreisfreien Städten, die an der umfangreichen Umfrage teilgenommen haben, hat schon damit begonnen, Flächen zu entsiegeln. Die Folge: In manchen Städten wird es bei Hitzewellen rund zehn Grad wärmer als im grünen Umland.

Immer mehr Hitzetote in Deutschland

Und das wird, so zeigt es die Forschung zur Klimakrise, künftig noch deutlich mehr Menschen in Gefahr bringen: Tage mit großer Hitze werden deutlich zunehmen. Hitze aber bedeutet für viele Menschen, besonders Senioren und Kleinkinder, eine echte Gefahr: In den Jahren 2018 bis 2020 sind in Deutschland insgesamt rund 19.300 Menschen an den Folgen von Hitze gestorben.

Besonders gefährdet sind, dies zeigt die Top-Ten-Liste, Menschen in Städten mit großen Industrien. Neben Ludwigshafen, Mannheim und Rüsselsheim sind dies das bayerische Ingolstadt mit seiner Audi-Fabrik, die hessische Stadt Hanau mit zahlreichen Chemiefabriken wie Evonik Industries, das mecklenburgische Waren mit Maschinenbauindustrien und das saarländische Dillingen mit dem Stahlwerk Dillinger Hütte. Die Größe einer Stadt ist hingegen weniger entscheidend für den Versiegelungsgrad – München, Hamburg und Berlin etwa haben nur rund 50 Prozent verschlossene Flächen.

Tatsächlich firmieren die besonders betonierten Städte auch in anderen Hitlisten: Sie haben schon jetzt die höchsten Temperaturen. Mannheim und Ludwigshafen am Rhein gehören mit jeweils durchschnittlich 19 Hitzetagen pro Jahr zwischen 1993 und 2022 schon jetzt zu den zehn heißesten Orten Deutschlands. Aber die Top 3 der Betonwüsten haben kaum genügend weitreichende Ideen, wie ihre Stadt grundlegend grüner werden kann: Sie alle listen auf CORRECTIV-Anfrage zumeist frühere Projekte auf - die offensichtlich nicht ihren aktuellen Rekordwert an Versiegelung verhindert haben.

Hauptschuldiger: Große Industrieanlagen

So sieht sich Ludwigshafen offenbar kaum in der Lage, größere Flächen zu begrünen. Die Stadt am Rhein ist der Standort vom Chemiegiganten BASF – er alleine belegt zehn Quadratkilometer Fläche mit 106 Kilometern Straße. So schreibt Ludwigshafen, die Versiegelung sei in seiner Industriezone notwendig, damit die Schadstoffe der Produkte nicht ins Grundwasser gelangen. Auch aus „Bodenschutzgründen für Altlastenstandorte” müssten Flächen versiegelt bleiben. Die Möglichkeiten zu entsiegeln seien „begrenzt” - die Stadt wolle aber künftig mehr mit Bäumen beschatten und Fassaden begrünen.

Mannheim hingegen verweist auf die Konversion amerikanischer Militärflächen seit 2011. Allerdings arbeitet die Stadt an einem Entsiegelungskonzept - ein bundesweit seltenes Vorhaben.

Auch Rüsselsheim, Platz 3 der versiegeltsten Städte, plant zunächst mal – einen Plan: Im Hitzeaktionsplan sollen künftig Verschattung und Begrünung festgelegt werden.

Höhere Starkregen-Schäden durch Versiegelung

Erstellt hat die Top Ten-Liste der Gesamtverband der Versicherer (GDV). Und das aus gutem Grund: Die Versicherungen sorgen sich darum, durch zugepflasterte Städte höhere Schäden bei Starkregen begleichen zu müssen.

Denn das ist die zweite negative Folge von zu wenigen Grünflächen. Wenn es Dutzende Liter Wasser pro Quadratmeter in kurzer Zeit regnet, läuft die Kanalisation voll. Dann können sich auf den versiegelten Flächen Flutwellen bilden, Keller laufen voll, Parkhäuser werden zu tödlichen Fallen. „Versiegelte Flächen verhindern das Versickern des Regenwassers. Dies kann bei extremen Regenfällen zu Überschwemmungen mit erheblichen Schäden führen“, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. So schaden die Betonwüsten bei nahezu allen Folgen der Klimakrise – ob Dürre, Hitze oder Starkregen.

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