Klimawandel

Zu Leag-Deal: Bürgermeister liest Schweigeklausel selbst vor

Nach den Recherchen zum Schweigedeal zwischen dem Kohlekonzern Leag und der Stadt Frankfurt (Oder) diskutierten CORRECTIV-Reporterinnen mit dem Oberbürgermeister der Stadt auf Einladung des Theater Cottbus. CORRECTIV zitiert nun die umstrittene Schweigeklausel. 

von Elena Kolb , Annika Joeres , Katarina Huth

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Nach der Vorstellung des Theaterstückes diskutierten unter anderem Elena Kolb (l.) und Annika Joeres (2. von l.) von CORRECTIV mit dem Oberbürgermeister von Frankfurt/O., René Wilke. © Bernd Schönberger

Vor Kurzem gab es im Staatstheater Cottbus eine Doppel-Premiere. Das Theaterstück „Das Kraftwerk“, basierend auf Recherchen der CORRECTIV-Klimaredaktion, kam zeitgleich mit einer neuen Veröffentlichung auf die Bühne. „Das Kraftwerk“ beschäftigt sich mit dem Einfluss des Kohlekonzerns Leag auf die Wasserversorgung in der Lausitz. CORRECTIV hatte darüber berichtet, wie die Leag diesbezüglich wohl eine ganze Region zum Schweigen bringt.

CORRECTIV liegt eine Vergleichsvereinbarung der Stadt Frankfurt (Oder) und der Leag vor. Die Stadt erhielt demnach von dem Kohlekonzern fünf Millionen Euro, um das Wasserwerk Müllrose aufzurüsten. Damit kann sie sich unabhängiger vom sulfatbelasteten Spreewasser machen, das Frankfurt (Oder) momentan noch nutzt. Die steigenden Sulfatwerte sind auf den Braunkohleabbau in der Lausitz zurückzuführen. Teil der Vereinbarung ist aber auch eine uneingeschränkte Schweigeklausel. 

Juristen widersprechen Darstellung der Stadt 

Die Stadt Frankfurt (Oder) hatte sich gegen die Berichte gewehrt und mehrfach in Pressemitteilungen Stellung bezogen. Nun reiste der Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder) René Wilke selbst ins Staatstheater Cottbus, um während einer Podiumsdiskussion mit uns ins Gespräch zu kommen. Während der Debatte las er die umstrittene Schweigeklausel dem Publikum vor: 

„Frankfurt an der Oder (FFO) und FWA werden ab der Unterzeichnung dieser Vereinbarung keine öffentlichen Verlautbarungen mehr abgegeben, die bei Dritten den Eindruck erwecken können, dass durch die Vorhaben der LEAG oder ihrer Schwestergesellschaften die Trinkwasserversorgung im Versorgungsgebiet der FFO und FWA erschwert oder gefährdet werden könnte.“

CORRECTIV hatte den Inhalt des gesamten Vergleichs mehreren Juristen vorgelegt, die sich darin einig waren, dass die Verschwiegenheitspflicht uneingeschränkt gelte. Der Kölner Rechtsanwalt Christian Mertens bekräftigte, dass dadurch auch der Bürgermeister von Frankfurt (Oder) als einer der obersten Verwaltungsbeamten der Stadt nicht frei in seinen Äußerungen ist, „wenn Maßnahmen der Leag einen Einfluss auf die Trinkwasserversorgung haben“. Die Regelung gehe über die Flutung des Cottbuser Ostsees hinaus.

Damit stellt sich die Frage, in welchem Rahmen Kommunen Schweigevereinbarungen mit Unternehmen treffen und so die Öffentlichkeit nicht mehr frei informieren können.

Kohlekonzern wollte Pressestrategie abstimmen

Während der kontroversen Podiumsdiskussion sagte René Wike, dass die Schweigeklausel nach Ansicht der Stadt streng auf den Gegenstand des Vergleichs bezogen sei, also auf die Folgekosten der Flutung des Cottbus Ostsee. Zuvorderst stehe in seinen Augen der Erfolg, dass die Leag für die Aufrüstung des Wasserwerks Müllrose zahle und die Kosten nicht auf die Bürgerinnen und Bürger von Frankfurt (Oder) umgelegt werden müssten. 

Die Leag habe anfangs einen weitaus problematischeren Deal vorgeschlagen: Für die Aufrüstung des Wasserwerkes Müllrose habe sie zuerst nur eine Million Euro angeboten. Wilke sehe sich weiterhin frei in kritischen Äußerungen gegenüber der Leag. In Reaktion auf die Recherche habe er eine gemeinsame Pressestrategie mit der Leag, die Vertreter des Kohlekonzerns vorgeschlagen hätten, abgelehnt. 

Leag veröffentlicht abermals fehlerhafte Pressemitteilung

Während der Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder) ins Gespräch mit CORRECTIV-Klimareporterinnen ging, veröffentlichte die Leag erneut eine Pressemitteilung und stellte darin teils absurde Behauptungen auf. Der Kohlekonzern titelte: „Cottbuser Ostsee erhöht die Sulfatfracht in der Spree nicht“. Dabei hatte die Stadt Frankfurt (Oder) ja gegen die Genehmigung der Flutung des Cottbuser Ostsees geklagt, weil sie eine erhöhte Sulfatfracht über die Ausleitungen des Ostsees in die Spree und damit auch bis nach Frankfurt (Oder) befürchtete. 

Außerdem stellte der Kohlekonzern in der Veröffentlichung die Auswirkungen von Sulfat auf die menschliche Gesundheit in Frage. Der Grenzwert für Sulfat im Trinkwasser stehe „nicht im Zusammenhang mit humantoxikologischen oder gesundheitspolitischen Argumenten“. Kurz bevor es im Streit zwischen Frankfurt (Oder) und der Leag zu einem Urteil vor dem Europäischen Gerichtshof kam, veröffentlichte die zuständige Generalanwältin Laila Medina noch ihre Schlussanträge zu dem Thema. Darin heißt es: „Bei Durchsicht der wissenschaftlichen Literatur und sogar des hier in Rede stehenden Planfeststellungsbeschlusses wird deutlich, dass erhebliche Bedenken in Bezug auf den Einfluss von sulfatbelastetem Trinkwasser auf die menschliche Gesundheit bestehen.“

Haben Sie Hinweise zu Schweigevereinbarungen zwischen Konzernen, Kommunen und Wasserverbänden? Melden Sie sich gern bei uns per E-Mail an: klima@correctiv.org.