Spenden an abgeordnete

Welche Mitglieder des Bundestages Auskunft zu Geldspenden geben – und wer lieber schweigt

„Ich habe keine Abgeordnetenspende erhalten.“ habe 1.500 € Verzichtspende für ein Veranstaltungshonorar erhalten.“ bekomme gelegentlich eine Wurst oder eine Flasche Wein geschenkt.“ habe 2.500 € von einer Privatperson erhalten.“ würde diese niemals mit ihnen teilen.“

Kurz bevor mehrere Politiker der CDU/CSU mit missbräuchlichen Pandemie-Deals aufgeflogen sind, hat CORRECTIV.Lokal alle 735 Bundestagsabgeordnete dieser Legislaturperiode befragt. Welche Lücken sehen sie bei den Spenden-Regeln? Haben sie Spenden als Abgeordnete angenommen? 363 Abgeordnete antworten, Hunderte schweigen. In den Rückmeldungen sind zudem fragwürdige Einstellungen zu Transparenzfragen enthalten. Andere benennen erstmals Namen von Spendern, die per Gesetz nicht veröffentlicht werden müssten.

Transparenz?
Fragen Sie noch einmal in zwei Jahren

 

Wer im September in den Deutschen Bundestag gewählt werden möchte, benötigt Geld für den Wahlkampf. Dabei spielen Spenden eine zentrale Rolle für die Kandidierenden. Allein im Jahr 2019 spendeten Firmen und Privatpersonen mehr als 73 Millionen € an die Parteien im Bundestag. Im Jahr der Bundestagswahl 2017 flossen sogar fast 90 Millionen €. Mit Abstand das meiste Geld ging an CDU und CSU.

In den meisten Fällen blieb verborgen, woher das Geld kam. Parteien müssen Spenden erst über 50.000 € sofort veröffentlichen. Spenden über 10.000 € werden erst in den Rechenschaftsberichten der Parteien publik gemacht. Dies geschieht frühestens mit anderthalb Jahren Verspätung, also wenn eine Wahl längst entschieden wurde. Die Namen vieler Spender für die Bundestagswahl 2021 werden wir erst 2023 erfahren. Es gibt noch eine weitere Transparenzlücke.

Blackbox Abgeordnetenspenden

 

Spenden können auch direkt an Kandidierende gehen. Wer bereits im Bundestag sitzt, muss solche Abgeordnetenspenden ab 10.000 € auf der Internetseite des Bundestages veröffentlichen. Alle Beträge darunter müssen nicht gemeldet werden. Diese laxen Regeln führen dazu, dass Spender leicht anonym bleiben und ihren möglichen Einfluss verschleiern können. 

„Offensichtlich wollen Spender an Mitglieder des Bundestages ihre Namen nicht offenlegen, wenn sie genau etwas weniger als 10.000 Euro zahlen. Und sie wollen gleichzeitig sichergehen, dass das Geld an ihren Wunschkandidaten geht und eben nicht an die Partei“, sagt Heike Merten, Geschäftsführerin des Düsseldorfer Instituts für Parteienrecht. In den Landtagen sei es ähnlich wie im Bundestag geregelt, nur im Landtag von Niedersachsen seien Abgeordnetenspenden untersagt. „In den Kommunen gibt es gar keine Regelung dazu, das ist ein grundsätzliches Problem, weil direkte Zuwendungen an Politiker gar nicht erfasst werden müssen.“

Neue Regeln nach Masken-Affäre

 

Die Parteien gehen mit Abgeordnetenspenden unterschiedlich um. Die Linke verbietet Mandatsträgern grundsätzlich, direkte Spenden anzunehmen. In der SPD müssen solche Spenden direkt an die Partei weitergeleitet werden. Eine solche Regelung findet sich auch im Spenden-Kodex von Bündnis 90/Die Grünen. Bei der FDP und AfD gibt es keine Beschränkungen. Diese gab es bis zur Masken-Affäre auch nicht bei der CDU und CSU. In einem neuen Verhaltenskodex der CDU ist geregelt, dass zukünftig Geldspenden an die jeweilige Parteigliederung getätigt werden und nicht von den Personen selbst angenommen werden sollen. In der CSU dürfen Abgeordnete weiterhin Spenden annehmen.

In den letzten Wochen wurde über Interessenkonflikte und Fälle von Korruption bei zahlreichen CDU/CSU-Abgeordneten diskutiert. Aufgrund der Unions-Affären einigten sich die Fraktionsvorsitzenden beider Parteien mit der SPD auf neue Transparenz- und Verhaltensregeln, die künftig für alle Mitglieder des Bundestages (MdB) gelten sollen. „Die Entgegennahme von Geldspenden durch Abgeordnete wird verboten“, heißt es im Beschluss, der noch vor der Sommerpause Gesetz werden könnte. Allerdings dürften Abgeordnete weiterhin Geld annehmen, wenn sie es an ihre Partei weiterleiten.

Spenden-Fragen an alle Mitglieder im Bundestag

 

Weil die Gesetzgebung so lax ist, hat uns interessiert, wie die Menschen zur Transparenz stehen, die das Volk im Parlament repräsentieren. CORRECTIV.Lokal hat schon vor Bekanntwerden der Unions-Affären allen 735 Abgeordneten Fragen geschickt, die aktuell ein Mandat haben oder in dieser Legislaturperiode als MdB tätig gewesen sind. Zum einen wollten wir wissen, ob sie Lücken bei den Spenden-Regeln sehen. Zum anderen haben wir gefragt, ob sie seit 2016 Abgeordnetenspenden erhalten haben. Vier Antworten zeigen, wie unterschiedlich die Positionen zum Thema sind. 

Christian Lindner

„Es wird zurzeit kein Änderungsbedarf [an den Spenden-Regeln] gesehen.“

Christian Lindner
FDP

„Ganz ehrlich habe ich Probleme zu erkennen, was der ganz allgemeine Mehrwert einer Beantwortung Ihrer Fragen sein soll.“

Michael von Abercron
CDU

„1.500 € Verzichtspende für ein Veranstaltungshonorar“

Nina Scheer
SPD

„Gelegentlich bekomme ich eine Wurst oder eine Flasche Wein geschenkt.“

Gregor Gysi
DIE LINKE

Nur zwei nennen Spenden, die sie direkt erhalten haben: Kay Gottschalk (AfD) gibt 2.500 € an, die er 2019 von einer Privatperson erhalten habe. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) benennt eine 700 €-Gage vom Deutsch-Amerikanischen Institut Saarland im Jahr 2019. Da 372 Abgeordnete keine Antwort sendeten, bleibt insgesamt unklar, wie viele MdBs direkte Spenden annehmen.

Sieben MdBs – alle von der SPD – geben Spenden an, die ihr Wahlkreis erhalten hat, obwohl wir diese Frage gar nicht gestellt haben. Sie verhielten sich im Vergleich zu anderen MdBs besonders transparent: Ursula Schulte, Manja Schüle, Dietmar Nietan, Nina Scheer, Bärbel Bas, Florian Pronold und Sabine Dittmar.

Geringe Beteiligung. Fehlende Transparenz.

 

Mit 363 Personen antworteten rund die Hälfte aller Bundestagsmitglieder. Diese beinhalten auch 77 nachgereichte Antworten von MdBs. Mehrere reagierten dabei auf eine letzte Frist, die CORRECTIV.Lokal nach der Veröffentlichung am 8.4. setzte

Auffällig ist die parteipolitische Verteilung der teilnehmenden Parlamentarier und Parlamentarierinnen. Ausgerechnet die Mitglieder der Union meldeten sich, gemessen an der Mitgliederzahl, am seltensten zurück. Bis zur Veröffentlichung antwortete nur rund jeder zehnte Abgeordnete von der CDU und CSU, danach meldeten sich 25 weitere Politikerinnen und Politiker der Union.

Nur 260 Bundestagsabgeordnete beantworteten die Frage, ob sie Lücken bei den gegenwärtigen Spenden-Regeln sehen. Von diesen sahen 182 MdBs Reformbedarf, die meisten von den Grünen und der Linken.

Innerhalb der Union sprach sich zunächst einzig der Essener Abgeordnete Matthias Hauer für „Einschränkungen” von Direktspenden an Abgeordnete aus. In der Woche nach der Veröffentlichung reichten sieben weitere CDU/CSU-Abgeordnete eine ähnliche Position nach. Die ehemalige Bundestagsabgeordnete Astrid Freudenstein (CSU) ging noch weiter: „Ich würde eine Absenkung der derzeitigen Veröffentlichungspflicht für Spenden ab 10.000 befürworten.“ Alle anderen Mitglieder der Union haben sich – zumindest kurz vor den Masken-Affären – zufrieden mit den geltenden Regeln geäußert oder gar nicht erst auf die CORRECTIV-Anfrage geantwortet.

Wie haben ihre Abgeordneten geantwortet?

Mehr als 360 Abgeordnete haben geantwortet. Die meisten gaben an, keine Spenden erhalten zu haben. Einige nannten konkrete Spendernamen. Andere verweigerten CORRECTIV Auskunft und knapp die Hälfte meldeten sich erst gar nicht zurück. Diese Datenbank wird weiterhin aktualisiert. Durchsuchen Sie hier sämtliche Abgeordneten nach ihren (Nicht)-Antworten.

Schwerpunkt „Geheime Spenden an die Politik“

CORRECTIV startet im Super-Wahljahr einen Schwerpunkt zu intransparenten Spenden an Abgeordnete und Parteien. Dabei arbeiten wir über das Netzwerk CORRECTIV.Lokal auch mit Lokalredaktionen aus ganz Deutschland zusammen. Uns interessiert besonders der Blick ins Kommunale. Wenn Sie Hinweise zum Thema haben, melden Sie sich gerne bei unseren Reportern Jonathan Sachse oder Frederik Richter.

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