In eigener Sache

Recherche zu „Gazprom-Lobby“: CORRECTIV im Ausschuss des Europäischen Parlamentes

Das EU-Parlament wollte mehr über unsere Recherche zur „Gazprom-Lobby“ wissen – und hofft auf weitere Enthüllungen

von Annika Joeres

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Chefredakteur Justus von Daniels berichtete vor dem Ausschuss des Europäischen Parlamentes über die Gazprom-Recherche von CORRECTIV. Ausschussvorsitzender ist Raphael Glucksmann. © European Parliament Press Service

Am Ende musste CORRECTIV das Angebot aus dem Europäischen Parlament ausschlagen, der Redaktion bei unseren Recherchen zu helfen. „Wir helfen uns selbst“, sagte Chefredakteur Justus von Daniels im europäischen „Sonderausschuss zur Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union“. Der Ausschuss hatte am Mittwochmorgen CORRECTIV eingeladen, um mehr über die Recherchen zur Gazprom-Lobby zu erfahren – viele der Abgeordneten äußerten den Wunsch, solche Recherchen über Netzwerke und ausländischen Einfluss zu stärken. Einige Ausschussmitglieder fragten, was die Politik tun könne, um Recherchen wie diese zu erleichtern.

CORRECTIV hatte vor wenigen Wochen in Zusammenarbeit mit der Transparenzinitiative „Policy Network Analytics“ öffentlich gemacht, wie Russland deutsche Politiker, Manager und Anwälte einspannte, um Deutschland von russischem Gas abhängig zu machen. Es war die erste Recherche, die umfassend einflussreiche Netzwerke aufzeigt und dutzende Personen benennt – von bekannten Politikerinnen wie Ministerpräsidentin Manuela Schwesig bis hin zu dem ehemaligen Politiker und Unternehmensberater Heino Wiese –, die sich stets für mehr Gaslieferungen aus Russland einsetzten.

Wie es dazu kam, dass Gazprom so mächtig in Deutschland wurde

Der französische Ausschussvorsitzende Raphaël Glucksmann dankte CORRECTIV für die wichtige Arbeit gegen Desinformation. „Die Transparenz, die Ihre Redaktion immer wieder herstellt, ist sehr wichtig für unsere Demokratie.“ Glucksmann hatte den Ausschuss gegründet, weil er den wachsenden Einfluss autoritärer Regierungen auf die europäische Politik fürchtet. „Wie kann sich ein Unternehmen wie Gazprom, das gegen unsere Grundsätze steht, immer weiter in Europa ausbreiten und die Energiekrise befeuern?“, fragte Glucksmann.

In der Tat sind die Folgen der Gazprom-Lobby weitreichend. „Wir sind eine der größten Volkswirtschaften der Welt, und doch extrem abhängig vom russischen Gas“, so CORRECTIV-Chefredakteur von Daniels. Deutschlands Abhängigkeit habe in Europa und weltweit zu einem Anstieg der Gaspreise geführt. Wie es dazu kam? „In unserer Recherche fanden wir sehr viele Akteure, die uns in diese Abhängigkeit geführt haben“, so Mitautor von Daniels vor den EU-Abgeordneten. Sie setzten sich in Vereinen, Netzwerken und Organisationen und auf deren Veranstaltungen dafür ein, noch mehr Gas aus Russland zu beziehen und auch die Pipeline Nord Stream 2 zu bauen. 

Mehrere EU-Mitgliedstaaten haben lange gewarnt vor Einfluss Russlands über Gas-Geschäft

Genau dieses Großprojekt ist es auch, dass die Brüsseler Politiker und Politikerinnen im Ausschuss besonders an der Gazprom-Lobby interessierte. „Viele Mitgliedstaaten haben lange gewarnt, dass Russland Gas als politische Waffe einsetzt, es gab großen Streit zwischen den Ländern über Nord Stream“, so der slowakische Abgeordnete Vladimír Bilcik. Deutschland habe einfach behauptet, es sei ein rein ökonomisches Projekt. „Die Ergebnisse Ihrer Recherchen sind besorgniserregend, Sie nennen viele bekannte Leute.“ In Zukunft hoffe er, dass solche Netzwerke nicht erst durch investigative Recherchen öffentlich werden.

Auch die lettische Abgeordnete Sandra Kalniete, ebenso wie Bilcik Mitglied in der christdemokratischen Brüsseler Fraktion, wundert sich über Nord Stream. „Wie hat Gazprom es geschafft, dieses Großprojekt gegen den Willen von 13 Ländern zu bauen?“, fragte sie. „Ihre Recherche gibt eine Antwort darauf“, so Kalniete. Wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen hofft sie darauf, solche einflussreichen Netzwerke künftig zu verhindern – und sie auch in anderen Ländern aufzudecken.

Es braucht mehr Transparenz, um Einfluss von Lobbyismus nachvollziehen zu können

„Für uns als Journalisten und Journalistinnen, aber auch für die Öffentlichkeit insgesamt ist eine größere Transparenz natürlich entscheidend“, so von Daniels. „Wir müssen wissen, wer auf den hohen Ebenen mit wem spricht  –  und was bei Treffen zwischen Industrie und Politik oder Ministerien besprochen wird.“ Bislang sei es schwer, an Informationen zu kommen, beispielsweise seien Gesprächsprotokolle häufig geschwärzt. 

Insofern kann die EU doch noch helfen: Mit stärkeren Maßnahmen für Transparenz und Gesetzen, die Netzwerke wie die Gazprom-Lobby leichter durchschaubar machen.