Wem gehört die Stadt?

10 Beispiele, wie Intransparenz Mietern schadet (und was dagegen helfen könnte)

Die Erkenntnisse aus unserer „Wem gehört Hamburg?“ Recherche

von Justus von Daniels , Ruth Fend

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Benjamin Schubert/ CORRECTIV

Mit unserer Recherche „Wem gehört Hamburg?” haben wir den Wohnungsmarkt transparenter gemacht. Doch er bleibt unübersichtlich. Die Erkenntnisse aus unserer Recherche:

1) Hausverwaltungen sind die Türsteher der Eigentümer

Mieter kennen oft lediglich die Hausverwaltungen ihrer Wohnungen. An die Eigentümer kommen viele gar nicht heran. Wenn Hausverwaltungen Probleme wie notwendige Reparaturen oder falsche Berechnungen von Nebenkosten aussitzen, kommen die Mieter kaum weiter. Diese Kleinkriege beschreiben wir in unserer Reportage „Die Große Bergstraße“.

2) Mieter wehren sich nicht aus Angst vor Mieterhöhungen

Mieter kennen die Interessenlage ihrer Vermieter nicht, sind sich ihrer Rechte unzureichend bewusst oder scheuen einen Nervenkrieg. Aus Unwissenheit oder Angst vor teuren Modernisierungen halten sie still. Die Konsequenz: Sie zahlen mehr als Mieter, die sich wehren, oder leben in maroden Häusern. Was helfen könnte: ein Wohn-TÜV, wie ihn der Mieterverein zu Hamburg fordert. Könnten die Behörden Gebäude regelmäßig begehen und prüfen, ob bestehende Gesetze zum Wohnraumschutz eingehalten werden, müssten die Mieter ihre Rechte nicht einzeln einklagen. Um solch einen Kontrollmechanismus einzurichten, bräuchte es zunächst ein Immobilienregister, das alle Hauseigentümer erfasst.

3) Die Stadt verkauft Grundstücke an undurchsichtige Unternehmen

Jedes Jahr kauft und verkauft die Stadt Hamburg Flächen, auf denen Wohnungen gebaut werden. Wer den Zuschlag bekommt, entscheidet das zuständige Gremium innerhalb weniger Minuten. Dessen Mitgliedern ist oft selbst nicht klar, wer sich hinter dem Interessenten verbirgt. Dennoch hat die Stadt in den vergangenen sieben Jahren Grundstücke auch an Unternehmen verkauft, die in Steueroasen registriert sind.

4) Wir zeigen, an wen die Stadt verkauft hat

An wen die Stadt Hamburg Grundstücke verkauft hat, war der Öffentlichkeit bislang nicht bekannt. Wir haben diese Informationen eingefordert. Hier kann jeder die Verkäufe von 2011 bis 2017 einsehen.

5) Unternehmen nutzen Steuertricks im Immobilienmarkt

Wenn große Unternehmen Wohnungspakete kaufen, rechnen sie ihre Steuern für den Kauf ganz leicht und oft gerade noch legal auf null. Wenn sie in Luxemburg sitzen, können sie weitere Steuern einsparen. Diese Geschäftsmodelle müssen auf den Prüfstand. Dazu braucht die Öffentlichkeit Zugang zu den Namen der Eigentümer.

6) Pensionskassen heizen den Markt an

Die zweitgrößte Käufergruppe von Immobilien sind Pensionskassen – mindestens 110 Mio. Euro haben sie 2017 in Hamburger Häuser investiert. Zu den Eigentümern in Hamburg zählen große internationale Fonds ebenso wie zum Beispiel die Pensionskasse von Edeka. Die Supermarktkette besitzt also Wohnungen, die sie mit den Beiträgen ihrer Mitarbeiter zur betrieblichen Altersvorsorge gekauft hat. Den wenigsten von ihnen dürfte bewusst sein, dass die Geldanlagen auch die Preise im Immobilienmarkt mit in die Höhe treibt – und letztlich die Mieten. Ohne solch ein Bewusstsein findet auch keine Debatte statt, welche Art von Regeln für Pensionskassen und Fonds gelten sollten.

7) Geldwäsche bleibt im Dunkeln

Wie viel Geld in deutschen Immobilien gewaschen wird, ist reine Spekulation, weil die Behörden kaum ermitteln können. Das Bundeskriminalamt schätzt, dass es 25 Milliarden Euro sein könnten. Doch in Hamburg gibt es in diesem Jahr nur einen einzigen Fall von Geldwäsche vor Gericht. Es fehlt der Polizei zu oft an Zugang zu übersichtlichen Datenbanken, um bei einem Verdächtigen zu prüfen, welche Immobilien ihm vielleicht gehören. Ein Immobilienregister in Kombination mit anderen Datenbanken würde das deutlich erleichtern. In der Politik mehren sich die Stimmen, allein aus diesem Grund den Wohnungsmarkt transparenter zu machen.

8) Die städtische Saga verdient mit Mieterhöhungen am Immobilienboom mit

Es gibt keine öffentliche Diskussion darüber, welche Vorgaben die Stadt Hamburg ihrem eigenen Wohnungsunternehmen, der Saga, macht. Nicht, in welcher Höhe sie Mieten erheben oder in was sie investieren soll. Die Saga veröffentlicht zudem nicht, wo sich ihre Wohnungen befinden. In gefragten Wohnlagen robbt sie sich Hinweisen aus unserem CrowdNewsroom zufolge mit regelmäßigen Erhöhungen an den Mietspiegel heran.

9) Mieter wissen nicht immer, wer der Eigentümer ist

Wenn man den tatsächlichen Eigentümer nicht kennt, kann es passieren, dass man vermeintlich bei einer Stiftung mietet, tatsächlich aber bei einem Fonds gelandet ist. Ein Mieter hat mit unserer Hilfe wissen wollen, ob die Stiftung, die auf seinem Mietvertrag als Vermieter einer altersgerechten Wohnung angegeben ist, auch der Eigentümer des Hauses ist. Die Recherche ergab, dass dahinter ein Investmentfonds stand. Womöglich hätte er sich in diesem Fall für einen anderen Alterssitz entschieden.

10) Politiker fordern Immobilienregister

Ein erster, einfacher Schritt wäre ein zugängliches Immobilienregister. Das fordern mittlerweile mehrere Parteien. In anderen Ländern Europas gibt es diese Register. Jeder kann dort einsehen, wer Eigentümer eines Hauses ist. Dieses Register wäre, wenn es auf Unternehmen als Eigentümer beschränkt wäre, im Einklang mit dem Datenschutz und würde niemandem schaden. Im Gegenteil: Es könnte die Bekämpfung von Geldwäsche erleichtern, die Basis für einen Wohn-TÜV bilden und eine differenziertere und ehrlichere Debatte über den Wohnungsmarkt ermöglichen.

Alle Ergebnisse unserer Recherche zum Wohnungsmarkt in Hamburg finden Sie auf unserer Themenseite.