Wirtschaft

Panzer für den Emir

Der Rüstungskonzern Rheinmetall verlagert seine Produktion ins Ausland. Der Panzerbauer will weniger abhängig von deutschen Exportgenehmigungen sein. Der aktuelle Konflikt zwischen den arabischen Golfstaaten zeigt jetzt erstmals die Risiken dieser Strategie: Rheinmetall ist mit einem Tochterunternehmen mitten in die Streitereien geraten. Eine gemeinsame Recherche mit dem „stern“.

von Hans-Martin Tillack , Margherita Bettoni , Frederik Richter

Die Golfstaaten rüsten seit Jahren auf: Katar zeigt seine Panzer auf einer Parade in der Hauptstadt Doha.© Karim Jaafar / AFP

Einen Krieg will angeblich keiner, dennoch schwelt der Konflikt in der Golfregion weiter. Saudi-Arabien und seine Nachbarstaaten verhängten Anfang Juni einen Boykott gegen das Emirat Katar, brachen die diplomatischen Beziehungen ab, sperrten die Grenze, strichen alle Flüge. Katar reagierte mit der höchsten Alarmstufe für das Militär – und brachte seine Panzer in Stellung. Panzer aus Deutschland.

Insgesamt 62 hochmoderne Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 hat Deutschland in den Golfstaat Katar geliefert. Die letzte Tranche kam erst kürzlich an. Gebaut hat die Leopard-Panzer die Firma Krauss-Maffei Wegmann, der Rüstungskonzern Rheinmetall war einer der wichtigsten Zulieferer. Genehmigt hatte den Export noch die schwarz-gelbe Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel, das war im Jahr 2013.

Ein solcher Rüstungsexport wäre heute kaum mehr möglich. Die deutschen Regeln verbieten Waffenlieferungen in Spannungsgebiete. Und trotzdem könnte es passieren, dass Panzer, an deren Bau Rheinmetall beteiligt ist, doch nach Katar verkauft werden – unter Umgehung des deutschen Kriegswaffenkontrollgesetzes.

Deutsche Rüstungsfirmen buhlen schon seit Jahren um die Gunst der finanzstarken Staaten am Golf. Rheinmetall half erst im vergangenen Jahr beim Aufbau einer Munitionsfabrik in Saudi-Arabien. Und der Konzern pflegt außergewöhnliche Beziehungen zu den Militärs von Katar, auch jetzt, in der angespannten Lage. Das belegen Recherchen von stern, CORRECTIV und der türkischen Exilredaktion Özgürüz.

Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben inzwischen ihre Bedingungen für eine Wiederaufnahme der Beziehungen mit Katar vorgelegt. Darunter die Schließung des in der Region sehr einflussreichen Fernsehsenders Aljazeera. Unter den 13 Forderungen findet sich auch ein Punkt – zu erfüllen bis nächste Woche –, der die Fallstricke in der Region für einen deutschen Rüstungskonzern zeigt: Die Türkei solle ihre Truppen aus Katar abziehen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan war dem Emirat nach dem Boykott zu Hilfe geeilt. Doch Erdogan ist der saudischen Königsfamilie, die ihren Machtanspruch von islamistischen Bewegungen in Frage gestellt sieht, ein Dorn im Auge. Saudi-Arabien und die VAE stören sich vor allem an der Unterstützung, die Katar islamistischen Gruppen zukommen lässt sowie an der eigenständigen Außenpolitik des rohstoffreichen Emirats. Und damit an Allianzen wie jene zwischen Katar und der Türkei.

Damit hat die Katar-Connection von Rheinmetall einen heiklen Hintergrund: Es geht um das umstrittene Panzergeschäft des Konzerns in der Türkei. Der deutsche Rüstungskonzern war im März in die Kritik geraten. stern, CORRECTIV und Özgürüz hatten damals Details einer geplanten Produktion von Kampfpanzern in der Türkei enthüllt. Das Geschäft hat offenbar den Segen von Präsident Erdoğan.

Rheinmetall-Chef Armin Papperger hatte versucht, die Bedeutung des Vorhabens herunterzuspielen. Sein Unternehmen halte sich „strikt“ an die deutschen Rüstungsexportregeln, sagte der Konzernchef.

Was Papperger jedoch nicht erwähnte: Rheinmetall fährt schon seit Jahren eine Strategie der „Internationalisierung“, um weniger von deutschen Exportgenehmigungen abhängig zu sein. Die heiße Ware für heikle Zielländer wie Saudi-Arabien wird dabei nicht aus Deutschland geliefert, wo eine Genehmigung der Bundesregierung fällig wäre, sondern von einer Tochterfirma in Südafrika oder in Italien. So läuft es offenbar auch bei dem geplanten Panzerbau in der Türkei.

Aktuelle Recherchen belegen, wie eng Katar in dieses Türkeigeschäft von Rheinmetall eingebunden ist. Die Firma BMC – das türkische Partnerunternehmen von Rheinmetall bei der Panzerproduktion – wird zu 49 Prozent vom katarischen Verteidigungsministerium kontrolliert, genauer vom „Industriekomitee“ der katarischen Streitkräfte.

Ende 2016 hatte sich der BMC-Eigentümer Ethem Sancak öffentlich gebrüstet: Mit der Hilfe Präsident Erdoğans habe er die katarische Armee überzeugen können, die Hälfte der Anteile seiner Firma zu übernehmen. Indirekt kontrollieren die Streitkräfte des Emirats damit auch um die 25 Prozent der Firma, die in der Türkei die Panzer entwickeln und bauen soll: des deutsch-türkisch-malaysischen Gemeinschaftsunternehmens RBSS, gegründet Ende 2016. Rheinmetall ist an ihm mit 40 Prozent beteiligt. In der Führungsetage dieser Firma sitzt auch ein Mann aus Katar: Nasser Hassan al-Naimi.

Laut Rheinmetall wurde der „katarische Vertreter“ im Aufsichtsrat der RBSS „vonseiten der BMC nominiert“. Man selbst habe „keine weiteren Erkenntnisse“ über ihn. Andere Fragen zur Kooperation mit den katarischen Militärs ließ das Unternehmen unbeantwortet. Rheinmetall verfolge das Geschehen am Golf und „wartet die weitere politische Entwicklung ab“, sagte ein Sprecher.

Das soll harmlos klingen. Dabei ist die Kooperation mit Katar längst im Gange. Die katarischen Militärs hatten dem Rheinmetall-Partner BMC bereits vor einiger Zeit einen lukrativen Auftrag erteilt. Es geht um die Lieferung sogenannter geschützter Fahrzeuge. Also gepanzerter Militärtransporter.

Hans-Martin Tillack ist Redakteur beim Magazin „stern“.