Evangelikale Pfingstkirche

Megakirche Hillsong: Das Geschäft mit dem Glauben

Der deutsche Chef-Pastor übernachtete in Luxushotels und pflegte auch sonst einen fragwürdigen Umgang mit Spendengeldern. Interne Unterlagen zeigen, wie Hillsong in Deutschland agierte. Weltweit steht die evangelikale Freikirche seit Jahren in der Kritik.

von Kyra Funk , Jonathan Sachse

Killsong Kirche Gottesdienst
Mehr als 100.000 Menschen besuchen wöchentlich die Gottesdienste der Pfingstkirche Hillsong, wie hier in den USA. Foto: Jacob Benzinger / unsplash.com

„Deswegen wollen wir unsere Finanzen ins Reich Gottes bringen, um ihn zu ehren, was er uns anvertraut hat“, sagt Freimut Haverkamp, der Hauptpastor von Hillsong Germany, in einem Video auf der Internetseite seiner Kirche. Seine Predigt wird mit Gitarrenmusik untermalt. Der 44-Jährige, der in dem Video eine schwarze Skinny-Jeans und eine olivgrüne Bomberjacke trägt, spricht fast neun Minuten über das Spenden, zitiert dabei verschiedene Bibelverse.

Haverkamp endet mit einer Botschaft: „Ich will dir Mut machen, dass du Teil wirst von der Armee Gottes, weltweit, die sagt, wir setzen Gott an erster Stelle mit unserem zehnten Teil, unseren Opfern, mit unseren Finanzen und mit unserem gesamten Leben.“

Mit seinem Appell ist er offenbar erfolgreich. Allein im Jahr 2021 erhielt Hillsong Germany nach eigenen Angaben mehr als 4,1 Millionen Euro an Spenden.

Was die Anhängerinnen und Anhänger der Pfingstgemeinde womöglich nicht wissen: Was das Reich Gottes ist, das mit Spenden gepflegt werden soll, interpretiert Pastor Haverkamp offenbar sehr frei. Er und zahlreiche andere Führungskräfte der weltweit agierenden Hillsong Kirche sind über Jahre mutmaßlich sehr freizügig mit den Spenden umgegangen. Haverkamp nächtigte auf Kosten seiner Kirche in Luxushotels und erhielt ein teures Geschenk von der australischen Mutterkirche. Auch weitere Ausgaben von Hillsong Germany werfen Fragen auf. Das zeigen Recherchen von CORRECTIV.

Hillsong-Pastor Freimut Haverkamp predigt in die Kamera. Im Video trägt er eine olivgrüne Bomberjacke und an seinem linken Arm eine auffällige Uhr.
In einem Video predigt Freimut Haverkamp, der leitende Pastor von Hillsong Germany, über das „Geben“. Quelle: hillsong.com; Screenshot: CORRECTIV

Erfolgreiche Megakirche

Die Hillsong Kirche gehört zu den größten Freikirchen der Welt. 1983 in Australien gegründet, hat Hillsong nach eigenen Angaben mittlerweile in 30 Ländern Standorte. Rund 150.000 Menschen weltweit sollen Hillsong zufolge wöchentlich die Gottesdienste besuchen. Dazu zählten in der Vergangenheit auch viele Prominente, etwa Hailey und Justin Bieber, Bono, Selena Gomez, Hugh Jackmann und Familienmitglieder der Kardashians.

In der christlichen Szene ist Hillsong besonders durch ihre professionelle Lobpreis-Musik bekannt. Einzelne Hillsong-Lieder haben bis zu 490 Millionen Aufrufe auf Youtube. Die erfolgreichste Band des Hillsong-Labels hat mehrere Grammys gewonnen und füllt weltweit Konzerthallen.

Im deutschsprachigen Raum ist die Kirche zweigleisig organisiert: Zum einen gibt es in Konstanz eine Zentrale, die unter dem Namen Hillsong Germany läuft und weitere Standorte in Düsseldorf, München, Wien und Zürich unterhält. Eine weitere Hillsong-Gemeinde veranstaltet in Berlin ihre Gottesdienste und hat weitere Standorte in Prag und Warschau eröffnet. Sie ist unabhängig von der restlichen deutschsprachigen Struktur organisiert.

Anders als die großen Volkskirchen in Deutschland finanzieren sich Freikirchen wie Hillsong hauptsächlich über Spenden. Die Konstanzer Hillsong Germany ist als gemeinnütziger Verein eingetragen. Damit ist sie steuerbegünstigt. Der Verein profitiert zum Teil von ermäßigten Steuersätzen. Die Unterstützerinnen können ihre Spenden von der Steuer absetzen.

Whistleblower-Dokumente zeigen Ausgaben der Kirche

CORRECTIV konnte interne Finanzdokumente einsehen, die für die Jahre 2010 bis 2015 die Einnahmen- und Ausgaben der Konstanzer Zentrale von Hillsong Germany auflisten. Zudem führte die Redaktion Gespräche mit Hillsong-Insidern und wertete Finanzunterlagen für das Jahr 2019 aus, die ein Whistleblower in Australien an die Öffentlichkeit brachte.

Die Unterlagen zeigen: Die Kirche zahlte ihrem deutschen Vorstand und weiteren Führungskräften luxuriöse Reisen, eine teure Wohnung in bester Lage in Düsseldorf, Dienstwagen, eine Lebensversicherung, Besuche im Fitnessstudio und teure Geschenke. Finanziert wurde das auch mit Spenden der Anhänger. Daraus ergibt sich die Frage, ob Hillsong Germany die Trennung zwischen zweckmäßigen Ausgaben und Ausgaben für Privates womöglich nicht eingehalten hat.

CORRECTIV hat Hillsong Germany und den Hauptpastor Freimut Haverkamp mit allen Vorwürfen konfrontiert und ausführliche Antworten erhalten. „Vorwürfe der Veruntreuung von Spendengeldern bei Hillsong Church Germany weisen wir auf das Entschiedenste zurück“, sagt Roland Mayrl, Pressesprecher von Hillsong. Die satzungsmäßige Verwendung der Spendengelder sei durch eine jährliche Prüfung durch einen Steuerberater festgestellt. „Ein sorgsamer Umgang mit unseren Finanzen ist für uns ein hohes und wichtiges Gut.“

Abgebucht vom Hillsong-Konto: Luxushotels und teure Flüge

In den Abbuchungen stehen hunderte Unterkünfte, immer wieder zahlte die Kirche Übernachtungen in Luxushotels. Etwa einen Aufenthalt im Four Seasons Hotel in London im Jahr 2013, der rund 2.000 Euro kostete. Im Sommer 2011 wurden gut 800 Euro für das Fünf-Sterne Hotel Royal Garden in London abgebucht. Das Hotel wirbt mit einem „königlichen Erlebnis“. Wie viele Übernachtungen gebucht wurden, lässt sich aus den Unterlagen nicht erkennen.

Regelmäßig brachte die Hillsong Germany zudem internationale Gäste im 5-Sterne-Superior-Hotel RIVA in Konstanz mit Blick auf den Bodensee unter. Dort kostet ein Hotelzimmer hunderte Euro pro Nacht.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den dienstlichen Flügen. In der Buchungsübersicht ist nicht erkennbar, ob womöglich Flüge in höheren Stufen als der Economy Class gebucht wurden. Manche Preise werfen allerdings Fragen auf. So kostete ein Flug, verbucht am 12. Januar 2015, mit der Angabe „Flug Haverkamp“ nach Kapstadt knapp 4.100 Euro. In den Jahren zuvor kosteten drei Flüge mit demselben Ziel nicht mehr als gut 1.600 Euro. Mehrere Quellen berichten CORRECTIV, dass die Familie Haverkamp 2015 einen privaten Urlaub in Südafrika verbracht haben soll. Wurden die Flugtickets der fünfköpfigen Pastoren-Familie von Spendengeldern bezahlt?

Zum konkreten Flug beantwortet die Kirche auf Anfrage von CORRECTIV keine Frage, schreibt nur allgemein: „Von Hillsong Church Germany verauslagte Kosten für mitreisende Familienangehörige sind von den Mitarbeitern zu erstatten.“ Die hohen Hotelpreise in London seien „Großveranstaltungen“ in der Stadt sowie der Anzahl an Teilnehmern geschuldet und seien nicht repräsentativ für die sonstigen Reisekosten von Hillsong Church Germany, teilt ein Hillsong-Sprecher mit. Teilweise hätten Teilnehmer die Kosten selbst übernommen. In den Buchungsunterlagen, die CORRECTIV für die Jahre 2010 bis 2015 einsehen konnte, lassen sich solche Erstattungen nicht nachvollziehen.

Fragwürdiger Umgang mit Spenden

CORRECTIV hat mehrere Expertinnen und Experten zu den Finanzen von Hillsong befragt, die sich mit den Regeln für gemeinnützige und spendenfinanzierte Organisationen auskennen. Sie kritisieren den Umgang mit den Spendengeldern.

„Es gibt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass aus den Mitteln der Kirche Privates finanziert wurde“, sagt Florian Köbler. Er ist Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft und geprüfter Steuerberater. Gerade bei teuren Übernachtungen sieht Köbler die Gefahr, dass das Vereinsinteresse nicht mehr gewährleistet sei.

Auch Burkhard Wilke hält besonders teure Reisen für problematisch. Er ist Geschäftsführer des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI). Seine Stiftung vergibt ein Spendensiegel an seriöse Spendenorganisationen.

„Auch bei dienstlich veranlassten Hotelübernachtungen sollten Spenden sammelnde Organisationen im Sinne der Vertrauenswürdigkeit den Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Mittelverwendung berücksichtigen“, sagt Wilke. Ein bewährter Maßstab sei das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in der öffentlichen Verwaltung. Erstattungsfähig seien hier in der Regel 80 Euro pro Person und Übernachtung. „Bei Übernachtungen in Metropolen im Inland und vor allem im Ausland sind nach Kenntnisstand des DZI auch etwas höhere Kosten für gemeinnützige Organisationen vertretbar, keinesfalls aber eine Einzelübernachtung zum Preis von 2.000 Euro.“

Eine Dienstwohnung für ein paar Tage im Jahr?

In den Abbuchungen findet sich eine weitere kostspielige Unterkunft: Die Hillsong Church Germany gönnte sich über Jahre eine Wohnung in bester Lage in Düsseldorf. Mitten in der Altstadt, nur wenige Meter von der unter Touristen beliebten Rheintreppe entfernt. Vom Konto der Kirche wurden im Monat zwischen 1.420 Euro und 2.740 Euro für die Miete abgebucht. Zusätzlich entstanden Kosten von fast 20.000 Euro für eine Maklercourtage, eine weitere Provision mit nicht benanntem Adressat, einen Kücheneinbau und weitere Einrichtungsgegenstände.

Zwei ehemalige Mitglieder der Kirche sagen gegenüber CORRECTIV, dass die Wohnung nur wenige Tage im Jahr genutzt worden sei – meistens allein von Pastor Freimut Haverkamp. Mittlerweile ist die Wohnung nicht mehr angemietet. Zuletzt teilte Haverkamp im Dezember 2020 auf Instagram ein Foto aus der Wohnung.

Hinweise geben

Ohne Quellen gibt es keinen Journalismus. Auch dieser Artikel ist nur möglich gewesen, weil uns Menschen Informationen anvertraut haben. Sie haben auch Hinweise zu Hillsong, anderen Kirchen oder verwandten Themen? Dann melden Sie sich gerne bei uns, auch anonym.

Jonathan Sachse
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Kyra Funk
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„Wird eine unnötig teure Wohnung angemietet oder die Wohnung nur unzureichend für satzungsgemäße Zwecke genutzt, steht der Verdacht unwirtschaftlicher Mittelverwendung im Raum, der erfahrungsgemäß zwar nur eher spät – wenn überhaupt – vom zuständigen Finanzamt steuerrechtlich sanktioniert wird“, sagt DZI-Geschäftsführer Burkhard Wilke. Ein solches Ausgabeverhalten schade der Vertrauenswürdigkeit des Vereins, „sofern die Mitglieder bzw. Spender:innen davon überhaupt erfahren“. Solche Mietausgaben seien für eine als steuerbegünstigt anerkannte Organisationen nur vertretbar, wenn der Mietpreis marktgerecht sei und die Wohnung für die satzungsgemäße Arbeit genutzt würde.

Die Wohnung habe „angereisten Mitarbeitern“ von Hillsong Church Germany während der Startphase am Standort in Düsseldorf als Hotelersatz für Übernachtungen im Rahmen von Dienstreisen gedient, teilt ein Hillsong-Sprecher mit. Dadurch seien wesentliche Kostenersparnisse gegenüber normalen Hotelbuchungen erzielt worden. „Allfällige Privataufenthalte wurden den Nutzern in Rechnung gestellt.“

Es gibt weitere Ausgaben, die in den Abbuchungen von Hillsong Germany auffallen: So bekamen Pastoren über den Kirchenverein eine Lebensversicherung gestellt. Die Kirche rechnete verschiedene Dienstwagen ab und zahlte Gebühren für ein Fitnessstudio in Konstanz. Die Hillsong Church Germany habe dort in den Jahren 2014 bis 2019 wöchentliche Kurse gebucht, um das „Teambuildigung zu fördern“, teilt ein Sprecher mit. Dazu seien alle Angestellten in Konstanz und „ausgewählte ehrenamtliche Mitarbeiter“ eingeladen worden.

Wer genau in die Auswahl kam, bleibt unklar. Zudem bleibt offen, wie hoch das Gehalt von Chef-Pastor Haverkamp ist. In den Buchungsunterlagen finden sich lediglich vier Abbuchungen für seine Gehälter aus den Jahren 2010 und 2013, die zwischen knapp 2.800 Euro und gut 3.100 Euro variieren. Wie hoch die aktuellen Gehälter für die Lead Pastoren sind, die für die Hillsong Church Germany arbeiten, möchte die Kirche auf Anfrage von CORRECTIV nicht beantworten. Sie seien „absolut drittvergleichsfähig“, teilt ein Hillsong-Sprecher mit. Firmenwagen und eine betriebliche Altersvorsorge können Teil dieser Vergütung sein. „Sofern ein Mitarbeiter diese erhält bzw. in Anspruch nimmt, werden sie ordnungsgemäß abgerechnet und versteuert.“

Finanzämter können Gemeinnützigkeit prüfen

Florian Köbler, Bundesvorsitzender der Steuer Gewerkschaft, sagt, dass in Deutschland die Finanzämter bei Auffälligkeiten extra prüfen können. Allerdings liege der Prüfungsschwerpunkt der Finanzämter nicht bei den Vereinen und eine mögliche private Nutzung sei allein über die Bilanz nicht erkennbar. Auf Anfrage von CORRECTIV teilte das zuständige Finanzamt Konstanz mit, dass es aufgrund des „Steuergeheimnis“ keine Auskünfte zu möglichen Prüfungen bei Hillsong Germany geben könne.

Aus strafrechtlicher Perspektive sind Vorwürfe, die sich an Hillsong Germany aus den internen Finanzunterlagen ergeben, verjährt. Nur bei schwerwiegenden Verstößen kann die Finanzverwaltung sogar rückwirkend für zehn Jahre die Gemeinnützigkeit entziehen. Es bleibt die Frage offen, ob die deutschsprachige Kirche nach 2015 bedächtiger mit den Spenden umging.

Internationale Skandale erschüttern Hillsong

Hillsong steht bereits seit einigen Jahren in der öffentlichen Kritik, bisher allerdings vor allem in den USA und Australien: In den vergangenen Jahren wurde die Pfingstkirche durch zahlreiche Missbrauchs- und Korruptionsskandale erschüttert. Im Jahr 2021 trat Brian Houston zurück, der Gründer von Hillsong. Ihm wurde sexuelle Belästigung vorgeworden. Zudem soll er massenhaften Kindesmissbrauch seines verstorbenen Vaters Frank vertuscht haben. Das Gerichtsverfahren läuft noch.

In diesem Zusammenhang rückte auch George Aghajanian in den Fokus, der bereits seit Jahrzehnten im Vorstand der Hillsong Zentrale in Sydney sitzt und damit einen tiefen Einblick in die Finanzen des Konzerns hat. Auch in Deutschland spielt er eine Rolle. Denn Aghajanian wird auf der Internetseite von Hillsong Germany als Vorstandsmitglied des deutschen Vereins geführt.

Ein Sprecher von Hillsong Germany verweist auf Anfrage von CORRECTIV zur Funktion von George Aghajanian auf einen Untersuchungsbericht, den Hillsong Global in Auftrag gab, der keine „illegalen Aktivitäten“ bei der Mutterkirche nachgewiesen habe. „In diesem Bericht wird aber hinterfragt, ob alle Ausgaben von Hillsong Global in der Vergangenheit im kirchlichen Kontext angemessen waren. Für die Zukunft sei es daher wichtig, Strukturen zu schaffen, die das sicherstellen“, sagt ein Sprecher.

Seit einigen Wochen steht auch der deutsche Ableger von Hillsong immer mehr in der Kritik. Ein Podcast löste in der freikirchlichen Szene eine breite Debatte aus.

Der Podcast

Die achtteilige investigative Doku-Podcast-Serie „Toxic Church – Die Hillsong-Story“ beleuchtet, was es mit den internationalen Vorwürfen gegen die global agierende Freikirche auf sich hat und richtet den Blick dabei erstmals auch nach Deutschland. In der aktuellen Folge geht es um den hohen Stellenwert, den das Thema Spenden innerhalb der Kirche hat, und um den fragwürdigen Umgang damit. Kyra Funk, freie Journalistin und Co-Autorin dieses Artikels, erzählt als Host unter anderem, wie die deutschen Whistleblower-Dokumente, die nun auch CORRECTIV vorliegen, ihr anonym zugespielt wurden – von einer Person, die nach wie vor regelmäßig zu Hillsongs Gottesdiensten geht. Der Podcast ist eine Produktion von Podimo in Zusammenarbeit mit stereotype media.

Das System Hillsong

Dass sich Hillsong als Freikirche über Spenden finanziert, ist üblich. Doch die australische Megakirche wirbt besonders offensiv um finanzielle Unterstützung. In den weltweiten Gottesdiensten werden die Gläubigen minutenlang um Spenden gebeten, meist untermauert mit emotionaler Musik und Bibelzitaten. Auf seiner Internetseite zitiert Hillsong Germany den Bibelvers: „Der Gottesfürchtige aber ist großzügig und gibt gerne.“

Die Grundregel, die Hillsong kommuniziert: Ein Zehntel des eigenen Brutto-Lohns sollen Gottesdienstbesucher an die Kirche spenden. Wer mehr gibt, erfährt einen größeren Segen – so die Botschaft, die der Pastor meist sehr prominent platziert und leidenschaftlich predigt. Darüber hinaus gibt es regelmäßig Veranstaltungen, die zu zusätzlichen Spenden, über den Zehnten hinaus, animieren sollen. Dafür hat die Hillsong Kirche ein Drei-Klassen-System geschaffen.

Menschen, die mehr als ihren Zehnten spenden, werden „Vision Builder“ genannt. Über ihnen stehen die sogenannten „Kingdom Builder“. Menschen, die „die Kirche in besonderem Maße durch ihre Finanzen fördern“. Um sich bei Hillsong Germany als ein solcher bezeichnen zu dürfen, muss man jährlich mindestens 3.000 Euro oder 4.000 Schweizer Franken über den Zehnten hinaus spenden. „Kingdom Builder“ werden regelmäßig zu exklusiven Veranstaltungen eingeladen und bekommen besonderen Zugang zu den Pastorinnen und Pastoren.

All diese Maßnahmen führen nicht nur in Deutschland, sondern auch international zu außergewöhnlich hohen Spenden: So generierte Hillsong im Jahr 2021 allein am australischen Muttersitz fast 77 Millionen Australische Dollar an Einnahmen, ein Großteil wurde über Spenden erwirtschaftet.

Was sind Pfingstgemeinden?
Die Pfingst-Evangelikale Bewegung, zu der auch die Hillsong-Kirche gehört, breitet sich rasant aus: Sie ist die am schnellsten wachsende religiöse Bewegung der Welt, wobei der Zuwachs je nach Land variiert. Besonders USA, Brasilien, Nigeria und die Philippinen gelten als Hochburgen der Pfingstkirchen. Prognosen sagen, dass sich bis 2050 etwa eine Milliarde Menschen der Bewegung zugehörig fühlen werden. Gleichzeitig brechen die Landeskirchen ein und verlieren ihre Mitglieder. In einigen Fällen füllen die Evangelikalen eine Anziehungskraft auf Menschen aus, die sich von traditionellen Kirchenstrukturen entfremdet fühlen. Typische Kennzeichen der Pfingstgemeinden sind besonders emotionale Gebete und Gottesdienste und eine wörtliche Auslegung der Bibel.
Welchen Einfluss haben Pfingstkirchen?
Die Ex-Präsidenten Donald Trump und Jair Bolsonaro wurden massiv von den Evangelikalen gestützt. In Deutschland ist der Zuwachs der pfingst-evangelikalen Kirchen gegenwärtig nicht vergleichbar zum Einfluss in Südamerika oder den USA. Aber auch in Deutschland entstehen Koalitionen zwischen Christen und Rechtspopulisten. Einige pfingst-evangelikale Influencer geben zwischen den Zeilen die klare Wahlempfehlung: Wenn du Christ oder Christin bist, dann wähle die AfD. Und das liegt vor allem daran, dass diese Gruppen eine Art Wahlverwandtschaft verbindet. Sie verbinden fundamentalistische und konservative Werte. Sie sind oftmals gegen Abtreibung, gegen Homosexualität und vorehelicher Sex gilt als Tabu.

Hillsong als Franchise-Kirche

Der Name Hillsong ist damit inzwischen zur lukrativen Marke geworden. Und die lässt sich die australische Mutterkirche gut bezahlen. Das zeigen Whistleblower-Dokumente, die das australische Parlament im März 2023 veröffentlichte und CORRECTIV sichtete: Die Megakirche agiert wie ein Franchise. So überwies die Hillsong Germany allein im Jahr 2019 knapp 220.000 Australische Dollar, umgerechnet rund 130.000 Euro, an die Ursprungskirche in Australien.

Im eigenen Jahresbericht legt Hillsong Germany diese Ausgaben nicht offen. Stattdessen werden die Abgaben an Hillsong Global unter „Spenden an andere Organisationen“ zusammengefasst. Mehrere ehemalige Spenderinnen und Spender geben gegenüber CORRECTIV an, sie seien nicht informiert worden, dass ihre Gelder an die Mutterkirche weitergereicht wurden.

Im Gegenzug zeigte sich der globale Vorstand mit Geschenken an die regionalen Führungskräfte großzügig. Auf dutzenden Seiten sind in den australischen Whistleblower-Dokumenten Geschenke im Wert von umgerechnet tausenden Euro aufgelistet, die die globale Dachorganisation weltweit an Pastorinnen, Pastoren und andere Festangestellte verteilte.

Auch an den Hauptpastor der Hillsong Germany und seine Familie. In den Buchungsunterlagen findet sich für den 18. Juni 2019 der Eintrag „Gift for Freimut’s 40th birthday“ mit einem Wert von gut 11.200 Australischen Dollar, womit Freimut Haverkamp gemeint sein dürfte. Das sind umgerechnet etwa 6.800 Euro. Zudem finden sich weitere kostspielige Geschenke an Familienmitglieder, etwa Blumen für eine seiner Töchter. Und ein Geburtstagsgeschenk für seine Frau Joanna Haverkamp, die wie ihr Mann als „Lead Pastor“ von Hillsong Germany bezeichnet wird.

Ausschnitt aus Whistleblower-Dokument: „Gift for Freimut’s 40th birthday“
Screenshot aus internen Hillsong-Dokumenten, die das australische Parlament veröffentlichte.

Die deutschen Pfingstgemeinden schauen weg

Bevor die internen Buchungsunterlagen zu CORRECTIV gelangten, wandte sich ein Hinweisgeber bereits an Hillsong selbst mit Fragen. Als er von dort keine Antwort erhielt, schaltete er den Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP) ein. In diesem Verbund sind alle rund 900 Pfingstgemeinden in Deutschland organisiert. Die lokalen Gemeinden agieren selbstständig, teilen aber ein gemeinsames Werteverständnis und zahlen Mitgliedsbeiträge an den Gemeindebund. Erst als der BFP-Generalsekretär Hillsong Germany mit den Spendenvorwürfen konfrontierte, reagierte die Kirche und stritt auf einer Seite formuliert sämtliche Vorwürfe ab.

Der BFP stellte keine eigenen Nachforschungen an, fragte nicht nach Belegen und teilte dem Hinweisgeber mit: „Die Angelegenheit ist damit für uns abgeschlossen.“ Statt aufzuklären, versuchte der BFP-Generalsekretär die Quelle herauszubekommen: „Wir erwarten die Angaben zur Quelle und Ihre Bestätigung der vollständigen und endgültigen Löschung sämtlicher Daten in Textform“, heißt in einem internen Schriftverkehr. Der Hinweisgeber weigerte sich, die Quelle zu nennen. Als anderthalb Jahre nichts geschah, suchte er die Öffentlichkeit.

„Alle Vorwürfe wurden durch entsprechende Begründungen bzw. Erklärungen aufgeklärt oder erwiesen sich als haltlos“, begründet ein BFP-Sprecher heute das Vorgehen gegenüber CORRECTIV. Für die Finanzen seien der Kassenprüfer des Vereins und das Finanzamt zuständig. Obwohl sich der BFP nicht verantwortlich fühlte, fragte der Bund der Pfingstgemeinden nach der Quelle. „Um diese Datenschutzverletzung aufklären zu können und den Abfluss personenbezogener Daten für die Zukunft verhindert zu wissen“, teilt der Sprecher mit.

In den kommenden Wochen wird der deutsche Hauptpastor Freimut Haverkamp vor die Gemeinden treten und sich zu den Finanzen äußern. In einer Einladung, die CORRECTIV vorliegt, heißt es: „Bei unserer Heart & Soul Night möchten wir uns Zeit nehmen, um einige offene Fragen zu beantworten und Transparenz, Wahrheit und Kontext zu aktuellen Medienberichten zu bringen“. An fünf Abenden an allen Standorten von Hillsong Germany soll es besonders um Finanzen, die Leitungsstruktur und die Zusammensetzung im Vorstand gehen. Es wird einiges zu besprechen geben.

Text und Recherche: Kyra Funk, Jonathan Sachse
Redaktion: Miriam Lenz
Faktencheck: Marcus Bensmann