Der Vintagescam: Aus Neu mach Alt
Second Hand-Mode ist ein Milliardengeschäft und Daniel Bayen galt mit seiner Firma Strike als Nachwuchshoffnung des deutschen Marktes. Nun deuten CORRECTIV-Recherchen auf fragwürdige Methoden: Bei Teilen des Sortiments handelte es sich um fabrikneue Ware aus Asien. Bayen spricht von Unachtsamkeit und weist absichtliche Täuschung zurück.
Das begehrte Stück wird im Akkord gefertigt: Schnittteile aus signalrotem Stoff liegen auf einem der Arbeitstische bereit; dahinter lässt ein Mann eine Nähmaschine rattern. Im Stakkato der Nadel entsteht ein goldenes Logo auf dem Material.
Er ist einer von vielen. In langen Reihen sitzen die Männer über ihre Nähmaschinen gebeugt. Auf Tiktok kann man ihnen bei der Arbeit zusehen: In Sialkot, im Osten von Pakistan, liegt die Fabrik, wo wie am Fließband Stoff vermessen, geschnitten und zu Hoodies, Sweatern, Jacken vernäht wird – darunter das Prunkstück: Eine signalrote Jacke mit Sponsorenlogos, wie Rennfahrer des US-Verbandes Nascar sie in den frühen 2000-ern trugen.
Im Januar 2022 reist ein Mann aus Deutschland nach Pakistan: Daniel Bayen ist gerade 21, ein erfolgreicher Jungunternehmer aus Krefeld, der mit dem aktuellen Vintage- und Second Hand-Hype Millionenumsätze macht.
Getragene Mode ist Trend – und ein rapide wachsender Markt: Gerade junge, modeaffine Menschen zahlen für angesagte Fundstücke aus den 80-er, 90-er und frühen 2000-er Jahren mitunter so viel wie für neue Markenkleidung. Davon profitierte Bayens Firma Strike. In nur zwei Jahren hat er Geschäfte an 16 Standorten eröffnet, Onlinemedien bezeichneten ihn und seine Mitgründer als „Shooting Stars“ der Vintageszene.
Fake Vintage aus Pakistan auf Bestellung?
In der Stadt Karatschi trifft Bayen einen Mitarbeiter der Firma Mughal Brothers Vintage Wholesale, die auf Tiktok die Videos aus der Fabrik in Sialkot verbreitet. Das geht aus Posts auf Bayens Instagramprofil hervor. Was sie besprechen, ist nicht bekannt, aber Belege deuten auf eine rege Geschäftsbeziehung.
Als CORRECTIV Bayen mit dem Vorwurf der gefälschten Ware konfrontiert, schaltet Bayen zunächst sein reichweitenstarkes Instagramprofil auf privat, dann wieder auf öffentlich und veröffentlicht einen Teil der Anfrage als Story.
Per Mail schreibt er zu der Reise, er habe in Pakistan verschiedene Textilhändler kennengelernt; Mughal habe ihm die Branche gezeigt. Seine Erkenntnisse, „insbesondere der ,Vintage Plagiate’“ seien „groß und teils erschreckend“ gewesen. CORRECTIV hat Bayen konkret gefragt, ob er seinen Kunden Vintage-Plagiate in größerem Stil als echte Second Hand-Kleidung verkauft hat. Bayens Antwort klingt, als nehme er auf die Missstände des Marktes Bezug – nicht auf seine eigenen Geschäfte. Dass es Fälschungen gibt, sei auch nichts Neues, schreibt er. Das wahre Problem liege woanders:. „Nämlich darin, dass Menschen 600 Euro für eine Hose ausgeben, während andere verhungern.“
CORRECTIV hat Videos, Fotos, Chats, Rechnungen und weitere Dokumente ausgewertet. Die Belege deuten auf Ungereimtheiten und werfen gravierende Zweifel an der Echtheit der bei Strike angebotenen Ware auf: Es ergibt sich der Eindruck, dass Bayen offenbar in seinen Stores nicht nur originale Vintage-Stücke anbot, sondern in Pakistan auch Fake Vintage Kleidung herstellen und containerweise einführen ließ. Die Kundinnen und Kunden ließ die Marke in dem Glauben, in den Läden werde nur echte Second Hand-Mode verkauft.
Bayen räumt Plagiate ein, bestreitet aber Vorsatz. Er habe Fälschungen entweder unbeabsichtigt bestellt, oder um sein „Personal zu schulen“ oder auch, „um immer Kleidungsstücke für Fotoshootings oder Social Media Content parat zu haben.“
CORRECTIV liegen Überweisungsbelege von Bayen an Mughal Brothers Vintage Wholesale aus der Zeit zwischen Ende 2021 bis Sommer 2023 vor. Er schickt teilweise Summen in sechsstelliger Höhe nach Pakistan.
Das „begehrte Einzelstück” wird frisch bestickt
Mughal Brothers handelt mit neuer und getragener Kleidung: Wie die Firma es auf Instagram darstellt, ordert sie ballenweise echte Second Hand-Ware aus den USA, die in einem Lager in der Stadt Karatschi umgeschlagen wird.
In Sialkot dagegen wird Neuware gefertigt – darunter offenbar auch gefälschte Vintage-Artikel. Ein Beispiel: die signalrote Nascar-Jacke mit einem auffälligen Logo der US-Biermarke Budweiser. Im Original bieten Onlineshops sie für über 250 Euro an. In der Fabrik in Pakistan wird das „begehrte Einzelstück“ frisch bestickt.
Auf Anfrage von CORRECTIV bestreitet die Firma Mughal Brothers die Fertigung von gefälschter Ware: „Bei uns geht es nur um getragene Kleidung und Vintagemode.“ Aber die Mail liest sich widersprüchlich, zusätzlich ergeben sich Differenzen zu Bayens Version. Der pakistanische Händler bestätigt, doch auch Neuware an Bayen und andere Käufer geliefert zu haben, ihm zufolge auf Initiative des Strike-Gründers: „Nachdem Daniel bei uns neue Kleidung nachgefragt hat, kamen viele Kunden aus Deutschland und fragten nach neuer Kleidung“, schreibt er. Diese Textilien stelle seine Firma aber nicht selbst her, sondern besorge sie von anderen örtlichen Anbietern.
„Ich brauche das so schnell wie möglich.”
Dagegen stehen Tiktok-Clips und Chatprotokolle, in denen der Händler gegenüber Kaufinteressenten behauptet, die Fabrik in Sialkot gehöre zu seiner Firma. Auf Nachfrage teilt er dazu mit: Die Firma gebe sich nur zu Marketingzwecken als Hersteller aus: „Die Videos oder Nachrichten, auf die Sie sich beziehen – da geht es nur darum, gegenüber unseren Kunden einen guten Eindruck zu machen.“
Danach ändert Mughal Brothers Vintage Wholesale seinen Firmennamen in seinem Instagram-Profil. Dort erscheint die Firma in Pakistan nun als „The Bull Company”. Auf Tiktok ist der Account mit den Videos aus Sialkot plötzlich nicht mehr zu finden.
Daniel Bayen schildert die Vorgänge anders als der pakistanische Händler. Laut ihm habe der ihm gesagt, „wenn ich mal irgendwas bräuchte, dann würde er es besorgen oder machen.“ Das hätten ihm in Pakistan aber viele angeboten: „Dort ist es Geld machen oder verhungern. Da spielen Gesetze nicht so eine große Rolle.“
Bayen räumt ein, Fake Vintage bestellt zu haben
Mughal Brothers scheint zu liefern, was sich verkauft, bei Nachfrage auch Fake Vintage-Ware – den Eindruck stützt ein Chat mit einem potenziellen Neukunden aus Deutschland, den der Händler für sich gewinnen möchte. Der Interessent schickt Fotos von Vintage-Sweatern mit Nike-Logo und fragt: „Könntet ihr die machen?“
Die Antwort: „Das haben wir schon gemacht“, der Deutsche dazu: „Ich weiß, für Strike.“ Der Pakistani widerspricht nicht. Später schickt er Belege, darunter Screenshot aus einem Nachrichtenwechsel, wie er behauptet, mit Daniel Bayen, den er als „Germany Customer“ abgespeichert hat; dieser schreibt: „Ich suche noch mehr Designs. Ich brauche das so schnell wie möglich“ – „Ja, bitte, Bro, schick mir alle Designs, und lass mich wissen, welche Siebdruck sein sollen.“ Er schickt Fotos von T-Shirts mit der Angabe: „Alle drei Siebdruck.“
Daniel Bayen räumt ein, gefälschte Ware geordert zu haben. Allerdings, so behauptet er, nur um seinen Mitarbeitern zu zeigen, wie man gefälschte Ware identifiziert und auszusortiert. Oder aus Versehen, da es ihm nicht aufgefallen sei: „Da habe ich teils auf jeden Fall auch fahrlässig gehandelt“, schreibt er.
Die Firma Strike stand für Mode mit glaubwürdiger Geschichte, für nachhaltigen Konsum und coolen Streetstyle. Nun aber decken CORRECTIV-Recherchen auf, dass dahinter zum Teil zumindest unabsichtliche Kundentäuschung steckte. Statt einzigartiger Fundstücke und Vintage-Raritäten fanden sich im Sortiment auch neue Massenware aus Asien. Bayen schätzt den Anteil der Plagiate auf dem Second Hand-Markt generell auf 20 bis 30 Prozent.
„Goldgräberstimmung“ auf dem Vintagemarkt
Die Firma Strike ist inzwischen pleite. Aber die Geschichte geht weit über den Einzelfall hinaus: Das Geschäft mit der gebrauchten Kleidung boomt. Laut Prognosen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC soll der Markt von 3,5 Milliarden Euro im Jahr 2022 bis 2025 auf fünf bis sechs Milliarden Euro wachsen. Das Branchenmagazin Textilwirtschaft sprach 2022 in Bezug auf den Vintage-Onlinehandel von „Goldgräberstimmung“.
Vintage, das ist praktisch das Gegenteil von Fast Fashion und eintöniger Mainstream-Mode von der Stange: Einzigartige Teile von vorgestern, gebraucht und damit klimafreundlich, kurz gesagt: Konsum ohne schlechtes Gewissen.
In diesem Image sonnte sich Bayen vor seinen Tausenden von Followern in den Sozialen Netzwerken: Immer wieder attackierte er die Fast-Fashion-Industrie und die Lust der Masse auf immer neue Discounterware. „Jedes Kleidungsstück, das wir anbieten, muss nicht neu produziert werden”, so stand es auf einer seiner Firmenwebsites. „So sparen wir wertvolle Ressourcen in der Herstellung und unterbrechen den Teufelskreislauf der Fast-Fashion Industrie.“
Gefragt sind Sweater und Hoodies von Adidas und Nike
Getrieben wird das Wachstum des Marktes vor allem von der Vintage-Liebe der Generation Z. Das Problem der Branche ist nur: Die wachsende Nachfrage trifft auf eine begrenzte Menge verfügbarer Stücke. Aktuell stamme die meiste Second Hand-Ware aus den 90-ern oder frühen 2000-ern, sagt Vintage-Experte Philip Rohde, populär seien bei Sweatern und Hoodies vor allem Marken wie Adidas oder Nike; gefragte Teile sind mitunter schwer zu kriegen und haben ihren Preis: „Da kann man schon mit Preisen von 50 Euro bis hin zu 120 Euro rechnen.“
Rohde beobachtet die Branche seit langem. Aber seit ungefähr Mitte 2021 stellt er fest, dass sich etwas verändert: Immer wieder fiel ihm auf, dass viele neue Shops Vintage-Plagiate anpreisen, er sagt: „Sie haben aktiv Werbung mit Teilen gemacht, die fake sind, weil sie damit mehr Kunden gewinnen konnten.“
Kurz vor dem Aus seiner Firma gestand Bayen in einem Clip auf Instagram Ende Januar sogar offen ein, dass bei Strike wahrscheinlich auch Gefälschtes feilgeboten wird: Ihm stand deshalb sogar, sagte er da selbst, ein Gerichtsprozess wegen Verstößen gegen das Markenrecht bevor. Dass sich Plagiate unter seinen Waren finden, sei nämlich gar nicht zu vermeiden: Wenn er in größeren Mengen Second Hand einkaufe, wisse er, „dass da wahrscheinlich Fälschungen dabei sein werden, und das ist bei Second Hand-Kleidung eben unumgänglich und in letzter Zeit noch viel mehr geworden“. Also mache er sich allein durch die Einfuhr strafbar.
Das Amtsgericht Krefeld bestätigt das Verfahren, Bayen teilt auf Nachfrage mit, er sei verurteilt worden. Aus seiner Mail geht hervor, dass er sich ungerecht behandelt fühlt: Das Problem sei der Markt, nicht seine Firma. „Mittlerweile musste ich feststellen, dass ich für jeden Container an Gebrauchtkleidung belangt werden kann“, schreibt er: „Jedes Mal, wenn ich ein gebrauchtes Kleidungsstück einführe, was gefälscht ist, begehe ich eine Straftat.“
Einige Jahre lang liefen die Geschäfte bei Strike bestens, zeitweise galt Bayen als einer der erfolgreichsten Händler auf dem Markt – und das zur Zeit der Corona-Pandemie. 2020 startet der gerade erst 19 Jahre alte Unternehmer mit einem ersten Laden in Krefeld. Während der Einzelhandel landauf, landab mit Schließungen und Abstandsregelungen kämpft, stehen die Kunden bei Ladeneröffnungen von Strike in langen Schlangen an, wie in Halle oder Düsseldorf. Zuletzt hat er nach eigenen Angaben 92 Mitarbeiter und 2,9 Millionen Euro Umsatz.
Mystery-Boxen: „Sieht nach mieser Abzocke aus“
Großen Erfolg hat Bayen auch mit den sogenannten Mystery-Boxen. Der Käufer zahlt einen bestimmten Preis und erhält einen zufällig zusammengestellten Inhalt. Bekannte Influencerinnen, zum Teil mit Hunderttausenden Followern, bewerben die Boxen.
Aber einigen Kunden fällt auf, dass die Klamotten auf Instagram und Tiktok besser wirken als in der Realität: „Es wird mit Markenklamotten geworben und es sind fast nur no Name Klamotten und die auch noch in einer absolut schlechten Qualität“, schreibt ein Nutzer auf Trustpilot: „Sieht für mich nach ganz mieser Abzocke aus.“
Die Geschichte von Strike ist damit auch eine Social-Media-Geschichte: Bayens Firma bot vor allem hoch gefragte Hoodies, Trainingsanzüge aus den 80-ern und 90-ern, Shirts der Football-Liga NFL und Pullover mit Schriftzug amerikanischer Universitäten. Die sozialen Medien nutzte der Unternehmer, um seine Ware an die Leute zu bringen; über Influencer, Werbeposts und Marketingkampagnen pries er „gut ausgewählte Pieces“ an, wie er selbst es in einem Interview nannte.
Second Hand, fabrikneu und made in Pakistan
Auch die Firma Mughal Brothers zeigte gerne im Netz, was sie zu bieten hat: Mit den Videos aus der Fabrik in Sialkot will der Händler sein Angebot vermarkten. Dabei ergeben sich tiefe Einblicke in deren Geschäfte – und in die von Strike: Auf der Instagram-Seite von Mughal Brothers sah man bis vor wenigen Tagen Ladungen von Textilien, die aussahen wie Vintage. Zugleich zeigten Tiktok-Clips die Arbeiter in der Fabrik, wie sie Kleidung auch in Vintageoptik herstellen – „Second Hand“ made in Pakistan.
Auf Anfrage von CORRECTIV teilt der Händler mit, Mughal Brothers produziere keine Neuware und fälsche keine Markenkleidung. Konfrontiert man ihn mit den Fotos der Plagiate von den Social Media-Profilen seiner Firma, schreibt er: Würden solche Artikel geordert, besorge er sie. Die Schuld schiebt er den Käufern zu: „Daniel Bayen war der Erste, der bei uns neue Kleidung nachgefragt hat“, teilt er mit: „Das war komplett seine Idee.“ Danach sei ihm der Einfall gekommen, diese Produkte auch an andere zu vertreiben: „Alle wollen mehr Geschäfte machen.“
Bayen stellt es eher so dar, als sei es der Pakistani gewesen, der Mogelware angeboten habe. In dem Chat mit seinem potenziellen Neukunden scheint der Händler sehr proaktiv für die Ware zu werben: Er schickt Videos per Direktnachricht und zeigt darin Vintagekleidung, fabrikneu gefertigt in Sialkot. „Was das Herstellen neuer Ware angeht, so habe ich dir schon die Beweise geschickt, dass wir das für unsere Kunden machen“, schreibt er da.
Der deutsche Interessent fragt weiter: „Können wir das neue Zeug sehen? Wie das Zeug von Strike?“ – „Okay ich habe etwas auf Lager für Strike“, aber nicht mehr viel, nur „um 500 Stücke“ Er gibt Beispiele: „Nike dünne Jacke, Adidas Jacke, T-Shirts, auch einige Sweatshirts.“ Dies müsse aber „Vintage“ sein. – „Das sind alles Vintage-Designs. Strike macht nichts, was nicht Vintage ist. Die Bilder habe ich dir oben geschickt.”
Dutzende von Stücken in dieser Optik finden sich in den Instagram-Kanälen von Strike wieder. Auch die signalrote Nascar-Jacke taucht vermehrt auf Social Media Kanälen auf. CORRECTIV hat dem Experten Philip Rohde Bilder der Jacke vom Tiktok-Account von Mughal Brothers und von den Strike-Kanälen vorgelegt: „Es fällt direkt auf, dass die Sponsorenlogos auf der Jacke nicht so penibel gestickt sind. Die Abstände und Proportionen kommen auch nicht so gut hin“, sagt er. Zudem habe er die abgebildete Anordnung von Logos im Original noch nie so gesehen.
„Fuck Fast Fashion“
Auf den Strike-Kanälen erscheinen außerdem etliche Teile, die den offenbar gefaketen Markensweater aus den Videos des Großhändlers Mughal sehr ähnlich sehen – zum Teil auch in Farben, die wohl tatsächlich nie im Angebot waren.
Sogar Logo-Pullover mit Strike-Schriftzug lassen sich in den Clips der Fabrik in Pakistan identifizieren. Strike behauptete damals, die eigenen Mitarbeiter würden Second Hand-Sweater selbst besticken. Bei anderen Teilen ergänzte Strike seinen Firmennamen mit einem Slogan: „Fuck Fast Fashion“.
Hierzu schreibt Bayen: Er habe tatsächlich Sweater in Pakistan besticken lassen. Bei anderen Kollektionen habe Strike gebrauchte Pullover selbst bestickt.
Wie sich aus dem Chat-Protokoll ergibt, scheint Mughal Brothers keine Scheu zu haben, Fake Vintage anzubieten. Und das ist nicht alles. Wenn es stimmt, was er schreibt, könnte auch Zollbetrug bei seiner Firma zum Service zu gehören: In einer Nachricht an den Interessenten gibt er freimütig preis: „Wir haben einen anderen Weg, den wir für andere Kunden nutzen. Die Kunden kaufen neue und alte Ware. Wir mischen sie gut durch und deklarieren sie als gebrauchte Kleidung.“ Mit der Methode seien die Versandgebühren nicht so hoch.
Zollbetrug richtet Schäden in Milliardenhöhe an
Was der Händler da so lapidar beschreibt, nennt man im Fachjargon „Unterbewertung“ – und das ist eine Straftat. Betrüger gaukeln Zollbehörden mit falschen Papieren einen niedrigeren Warenwert für Waren in Containern vor, um weniger Zollgebühren entrichten zu müssen.
Das funktioniert so gut, weil der Zoll mit Kontrollen nicht hinterherkommt – und die Mitgliedstaaten offenbar wegschauen, wie CORRECTIV im vergangenen Jahr recherchierte. Im Juli 2023 schätzte die Europäische Staatsanwaltschaft EPPO den Schaden in den Fällen, zu denen sie aktuell ermittelte, auf mindestens eine Milliarde Euro.
Auf Anfrage von CORRECTIV verweist der Händler in Pakistan erneut auf seine Kunden: Seine Firma richte sich beim Verschiffen nach den Anweisungen der Abnehmer; es sei deren Verantwortung, „die Gesetze ihres Landes zu kennen.“
Bayen indes schreibt von einer gängigen Praxis: „Jeder Großhändler für Second Hand-Ware, den ich besser kennenlernen durfte, umgeht Einfuhrumsatzsteuer und führt höchstwahrscheinlich Plagiate ein.“ Er habe bei Mughal Brothers insgesamt einen großen und zwei kleine Container eingekauft.
Ehemalige Strike-Läden sind nun geschlossen
Am 18. Januar 2024 wurde vor dem Amtsgericht Krefeld ein Insolvenzverfahren der Firma Strike eröffnet. Auf Instagram postet Bayen jetzt Aufnahmen, auf denen er in Thailand zu sehen ist. Auf einem anderen Account postet er unter dem Username dan.the.fckn.man Videos von sich beim Eisbaden, gibt Ernährungs- und Workout-Tipps. Sein Unternehmen, so sagt er in einem Clip, sei an den Steuern und der Bürokratie in Deutschland gescheitert. Die Strike-Läden, darunter einer im Berliner Ringcenter, sind nun geschlossen. Durch die Schaufenster ist zu sehen, dass die Ständer drinnen noch voller Shirts, Jacken und Pullover hängen.
Die Firma Mughal Brothers Vintage Wholesale postet, nun unter dem neuen Namen, weiter auf Instagram Fotos und Videos aus ihren Lagern, Aufnahmen von immer neuen, gewaltigen Bergen von Kleidung, global vermarktete Ware, die von Männern mit müden Augen sortiert, verpackt und auf Laster gehäuft wird. Der Boom der Vintagemode geht weiter.