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Werkstatt: So lief die Drogen-Recherche

Karen Grass startete mit klaren Fragen: Wie viel Geld geht in der deutschen Drogenpolitik in welche Projekte? Gibt es wirklich zu viel Geld für Strafverfolgung und zu wenig für Prävention? Was ist mit Alkohol und Tabak im Vergleich mit illegalen Drogen? In den vergangenen Monaten traf sie auf unkooperative Behörden sowie zum Teil ratlose Experten. Niemand weiß, wie viel Geld wohin fließt. Und es ist auch kaum herauszubekommen. Wie und warum Karen trotzdem veröffentlicht hat, schreibt sie im Werkstattbericht.

von Karen Grass

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Jedes Jahr stellt die Drogenbeauftragte des Bundes den Drogenbericht der Bundesregierung vor und präsentiert damit die neusten Trends, die sich aus wissenschaftlichen Studien und polizeilichen Ermittlungen zum Thema Drogen und Sucht in Deutschland ergeben. Ich habe mehrfach über diesen Drogenbericht geschrieben, ob als Volontärin für die taz oder später als freie Journalistin. Doch meist kam ich dabei nicht über eine Bestandsaufnahme der offiziellen Erkenntnisse und vielleicht noch die Abfrage von ein, zwei kritischen Stimmen von externen Wissenschaftlern zum Suchtverhalten der Deutschen hinaus. Das änderte sich 2014, denn damals stellten Aktivisten, aber auch Wissenschaftler und andere Fachleute zum ersten Mal den so genannten Alternativen Drogenbericht vor, der ein Gegengewicht zum offiziellen Drogenbericht etablieren wollte.

Die Hauptkritikpunkte: Es werde zu viel Geld für die Strafverfolgung ausgegeben, während teils sinnvolle Präventions- und Behandlungsprojekte ausgebremst würden. Am Konsum ändere das seit Jahrzehnten wenig. Außerdem fragten sich die Kritiker, warum Alkohol und Tabak in Deutschland bisher nach wie vor kaum reguliert sind und weiterhin beworben werden dürfen – obwohl sie die Drogen sind, die die höchsten Todeszahlen bedeuten. Diese Kritik an der bisherigen deutschen drogenpolitischen Linie machte mich neugierig. Inwiefern steckt die deutsche Drogenpolitik in einer Sackgasse und werden teils sogar Veränderungen bewusst blockiert – etwa bei Alkohol und Tabak als Drogen mit hohem Kultfaktor in Deutschland und damit verbundenen Staatseinnahmen?


Karen Grass ist Rudolf Augstein Datenfellow bei CORRECTIV. Ihre Arbeit wird möglich gemacht durch die Rudolf Augstein Stiftung. In einem Themenschwerpunkt veröffentlichen wir verschiedene Beiträge zur deutschen Drogenpolitik. Karen Grass hat dafür mehrere Monate lang in allen Bundesländern recherchiert und einen umfassenden Report zusammengestellt.


Das Ziel

Ich wollte herausfinden, ob sich die Kritikpunkte der Wissenschaftler auch mit Daten untermauern lassen – also etwa mit Abhängigenzahlen im Zeitverlauf, mit Daten zu Präventions-, Suchthilfe- und Strafverfolgungsmitteln und eventuell auch mit Erkenntnissen über gezahlte Lobbygelder. 2010 erstellten Wissenschaftler für die Deutsche Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht eine auf 2006 bezogene Studie zu den öffentlichen Ausgaben für illegale Drogen. Die Wissenschaftler arbeiteten jedoch mit Hochrechnungen und berücksichtigten nur illegale Drogen, während ich in meiner Recherche ja alle Drogenformen einbeziehen wollte. Ich wollte anfangs gerade herausfinden, ob die legalen Drogen Alkohol und Tabak gemessen an den durch sie verursachten Schäden auch genügend Beachtung im Kampf gegen Sucht finden. Somit nahm ich die Studie zunächst nur als Orientierungshilfe und machte mich dann selbst auf die Suche nach den entsprechenden Daten. Dabei wollte ich möglichst auf die regionale und lokale Ebene herunterkommen und sehen, wo eventuell besonders wenig oder besonders viel für Suchthilfe und Aufklärung getan wird.

Die Daten

Zunächst einmal verschaffte ich mir einen Überblick über bereits vorhandene Daten. Der Drogenbericht der Bundesregierung stützt sich zum Großteil auf wissenschaftliche Studien, die das Bundesgesundheitsministerium als übergeordnete Behörde fördert. Für spezifische Gruppen wie etwa Jugendliche stützt sich die Drogenbeauftragte etwa auf die Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland des Robert Koch-Instituts oder auf Repräsentativbefragungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung etwa zu Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen. Eine besonders wichtige Quelle für den Drogenbericht ist der regelmäßig erscheinende Epidemiologische Suchtsurvey (ESA), der nach der jüngsten Veröffentlichung mit Umfragen von 2012 vermutlich im kommenden Jahr wieder erscheinen und Daten für 2013 oder 2014 präsentieren wird. Der ESA ist mit 8000 bis 10.000 Befragten eine der wenigen umfassenden Erhebungen über den Drogenkonsum und Sucht in Deutschland. Zusätzlich stützt sich der Drogenbericht auf Meldungen über Krankenhausaufenthalte, Behandlungen in Suchthilfestellen laut der Deutschen Suchthilfestatistik und auf Daten der Polizei, etwa zu erstmals aufgegriffenen Konsumenten harter Drogen oder zu Todeszahlen durch illegale Drogen.

An dieser Datenlage zeigt sich schon ein zentrales Problem: Alle Aussagen über den Drogenkonsum oder Suchtverhalten in Deutschland basieren auf unvollständigen Datensammlungen. Sie basieren auf Umfragen, die verzerrte Aussagen etwa über harte Drogen enthalten werden. Sie basieren auf Behandlungsstatistiken, die nur die Fälle von Drogenkonsumenten oder Süchtigen abbilden, die sich zu Suchthilfeeinrichtungen oder ins Krankenhaus begeben. Viele, die zu Hause konsumieren und ihre gesundheitlichen Probleme im Privaten oder auf der Straße ausbaden, werden nicht sichtbar. Sie basieren auf Polizeimeldungen, die nur einen Bruchteil aller Drogenkonsumenten registrieren und die ansteigen, sobald die Polizei genauer hinsieht. Das Problem der mangelhaften Datenlage lässt sich nach Aussagen von Experten wie etwa dem Frankfurter Wissenschaftler Bernd Werse vom Centre for Drug Research nicht auflösen.

Die Geldflüsse

Dieses Manko nahm ich in Kauf und entschied mich, bei den Abhängigkeitszahlen mit dem Epidemiologischen Suchtsurvey zu arbeiten, da dieser seit 1980 regelmäßig erstellt wird. Ich hoffte auf eine bessere Datenlage bei den anderen interessanten Punkten: Investierte Mittel in Präventionsprojekte sowie Suchthilfe und Ausgaben für Polizeieinsätze und Staatsanwälte, die sich mit Drogenkriminalität beschäftigen. Im Laufe der Recherche musste ich feststellen, dass ich umsonst gehofft hatte.

Um einen Überblick über die Geldflüsse im Drogenbereich zu bekommen, schrieb ich nach einigen Vorgesprächen mit Experten wie Bernd Werse oder dem Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen und Autoren des Alternativen Suchtberichts die entsprechenden Behörden und Stellen an. Zuständig sind im Bereich Strafverfolgung gegen Drogenkriminalität in einigen Fällen Bundesbehörden wie das Bundeskriminalamt und der Zoll, vor allem jedoch die Landesinnen- und die Landesjustizministerien. Prävention und Suchthilfe teilen sich Gesundheits- und Sozialressorts auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene, wobei die Hauptlast bei den Kommunen liegt. Auch die Rentenkassen und Krankenversicherungen übernehmen wichtige Aufgaben, zahlen etwa für Therapien und dafür, dass Drogenabhängige in den Arbeitsmarkt zurückgeführt werden.

Es erschien mir unrealistisch, als einzelne Rechercheurin alle deutschen Kommunen anzuschreiben und spezifische Daten zur Suchtmittelbekämpfung anzufordern. Deshalb versuchte ich, mich über die Landesebene an die kommunalen Aktivitäten anzunähern. Ich wandte mich zunächst an alle Länderministerien der Ressorts Gesundheit oder Soziales (je nach Zuständigkeit), Justiz und Inneres und an die verschiedenen Landeskoordinierungsstellen für Suchtfragen. Auf Bundesebene schrieb ich an Gesundheits-, Innen-, Forschungs- und an das Finanzministerium (Letzteres ist zuständig für den Zoll).

Ich fragte jeweils Daten zu den aufgewendeten Geldern für spezifische Bereiche für die Jahre 2004 bis 2014 ab. Bei den Gesundheitsministerien und Landeskoordinierungsstellen fragte ich, wie viel Geld die einzelnen Stellen insgesamt in den Bereich Sucht investierten, wie viel gezielt in Prävention ging und wie viel dabei in Projekte zu einzelnen Suchtmitteln floss. Außerdem fragte ich ab, wie viel Geld an die Kommunen weitergeleitet wurde und welche Kommunen sich in dem Bereich durch besondere Aktivität auszeichneten. Bei Innen- und Justizministerien fragte ich nicht nur nach den konkret dokumentierten Ausgaben für den Antidrogenkampf, sondern auch nach dem eingesetzten Personal in dem Bereich, um eine Relation für den Aufwand zu bekommen. Außerdem wollte ich wissen, wie viele Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen für wie viel Geld wegen Drogenkriminalität geschaltet wurden.

Die Probleme

Die meisten der angefragten Behörden hatten offenbar wenig Lust, mir bei meiner Recherche zu helfen. Lediglich von Bundesgesundheits- und Bundesforschungsministerium bekam ich vollständige Aufstellungen über alle zehn Jahre und auch einzelne Projekte. Von den Ländern bekam ich dagegen trotz mehrfacher Anfragen und großzügiger Deadlines häufig Antworten wie die der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit: „Leider übersteigt es unsere personellen / zeitlichen Ressourcen, die von Ihnen erbetene sehr umfangreiche Recherchearbeit zu erledigen.“

Um trotzdem an die nötigen Daten zu kommen, durchsuchte ich die Haushalte der Gesundheitsministerien auf bestimmte Ausgaben im Zusammenhang mit Drogen. Allerdings konnte ich bei dem Vorgehen nicht sicher sein, nichts zu übersehen. So ergab sich etwa im Saarland das Problem, dass die Zuständigkeiten für Suchtmittelbekämpfung über die Jahre immer bei verschiedenen Ministerien lagen. Da das heute zuständige Sozialministerium sich trotz mehrfacher Nachfrage und Bitten nicht in der Lage sah, mir zu helfen, konnte ich für das Land nicht für alle Jahre die vollständigen Summen herausziehen. Ich konnte lediglich feststellen, dass die Ausgaben des Sozialministeriums über die Jahre extrem zurückgegangen waren – wo aber andere Mittel flossen, blieb unklar. Auch aus Berlin bekam ich keinerlei Hilfe. Dort lässt sich durch die Transparenzdatenbank des Finanzministeriums zumindest halbwegs detailliert nachvollziehen, wie viel Geld in Drogenhilfeprojekte und Suchtmittelberatung oder Prävention geflossen ist. Ob bei meinen Suchabfragen Lücken bestehen bleiben würden, konnte ich allerdings ohne die Fachleute aus der Senatsverwaltung nicht ausschließen.

Meine Anfragen an die Kranken- und Rentenversicherungsverbände ergaben zunächst wenig aufschlussreiche Antworten, weshalb ich diese Träger von Leistungen im Suchtmittelbereich aus meiner Recherche ausschloss. Hier hätte man noch einmal in die Tiefenrecherche bei allen einzelnen Anbietern gehen müssen – was für künftige Recherchen interessant sein könnte.

Eines fiel bei der Recherche bald auf: Die Strukturen und Strategien im Bereich Suchtmittelbekämpfung sind in allen Ländern sehr unterschiedlich. Einige Länder wie etwa Schleswig-Holstein haben die Verantwortung in den vergangenen Jahren durch Kommunalisierung komplett an die Städte und Kreise abgewälzt und geben nur noch etwas Geld weiter. In anderen Ländern wird mehr in die Suchthilfe und Prävention investiert und höhere Ebenen wie etwa die Bezirke koordinieren die Arbeit. Da es keine übergeordneten Vorgaben für die Finanzierung gibt, kommt es teilweise auf die finanzielle Lage einer Stadt an, was dort an Suchtberatung und Aufklärung noch stattfindet. Während ich von den meisten Ländern am Ende grobe Mittelansätze bekam, wie viel sie von 2004 bis 2014 insgesamt im Bereich Sucht investiert hatten, bekam ich von keinem der Länder Daten, wie viel Geld speziell bei einzelnen Suchtmitteln ausgegeben wurde, wie viel Geld an einzelne Kommunen weiter geleitet wurde und was diese damit machten. Somit musste ich mich schon einmal von dem Ziel verabschieden, die Rolle von Alkohol und Tabak in der Drogenpolitik zu bewerten. Und auch die Analyse regionaler und lokaler Besonderheiten erschien eher schwierig. Bei einigen Städten wie Frankfurt, die ich für meine Recherche besuchte, recherchierte ich die kommunalen Zuwendungen deshalb selbst, allerdings bekam ich so natürlich kein repräsentatives Bild.

Von den Innenministerien und Justizministerien bekam ich bis auf wenige Ausnahmen kaum spezifische Angaben zu den Ausgaben oder zum Personal. Teils, weil laut der Behördenvertreter keine solchen Daten vorliegen. Der Antidrogenkampf sei nur eine von vielen Aufgaben der Polizei und Staatsanwaltschaften, die nebenbei miterledigt werde, hieß es oft. Auch für die Telekommunikationsüberwachungen gebe es keine Kostendokumentation. Teils weigerten sich die Behörden aber auch explizit, Daten über ihr internes Vorgehen offen zu legen: „Die Polizei Baden-Württemberg kann keine Angaben zum taktischen Vorgehen, zu bereit gestellten Finanzmitteln oder der polizeiinternen Personalverteilung in diesem Bereich machen“, schrieb etwa der baden-württembergische Landeskriminaldirektor Martin Schatz auf die Anfrage zurück. Da die meisten Länder angaben, keine Gesamtübersicht über Personal im Einsatz gegen Rauschgiftkriminalität zu haben, fragte ich in der zweiten Runde gezielt nach schwerpunktmäßig im Rauschgiftbereich eingesetzten Polizisten und Staatsanwälten und den Kosten für sie. Denn ich hatte Hinweise, dass es dazu zumindest in einigen Ländern Daten gibt: Die Landesregierung Sachsen-Anhalts verwies etwa in einer Antwort auf eine Anfrage der Linken im Landtag auf eine Kostenleistungsrechnung der Staatsanwälte (ab S.69) in Rauschgiftverfahren, die von mittleren Kosten von etwa 320 Euro je Verfahren ausging. Doch selbst als ich gezielter nachfragte, bekam ich nur von einigen Ländern wie Bayern, Berlin oder Schleswig-Holstein Daten – die wiederum Lücken hatten und in ihrer Genauigkeit so uneinheitlich waren, dass ich damit nicht arbeiten konnte.

Insgesamt hatte ich – etwa wegen extrem ähnlicher Formulierungen in den Antwortmails – das Gefühl, dass sich die Länderministerien teils abgesprochen hatten. Das Justizministerium Mecklenburg-Vorpommerns bestätigte mir eine solche Kommunikation mit anderen Ministerien im Telefongespräch. Es schien, als seien einige Länder entschlossen, mir möglichst wenig entgegen zu kommen.

Die Umwege

Ich musste also andere Wege finden, um an halbwegs brauchbare Daten zu kommen. Ich suchte nochmal das Gespräch mit Kritikern der bisherigen Drogenpolitik. Die kommt im Fall der Strafverfolgungsbehörden etwa vom Bund Deutscher Kriminalbeamter und von 120 Strafrechtsprofessoren, die 2014 an den Bundestag geschrieben und eine Reform des Betäubungsmittelgesetzes als Grundlage der Strafverfolgung gefordert hatten. Allerdings brachten mir diese Gespräche nur einen Eindruck, wie die Strafverfolgung von Drogendelikten ungefähr abläuft und wo Probleme liegen. So ärgert sich der BDK etwa darüber, dass die Verfolgung jedes Cannabiskonsumenten auch bei noch so kleinen Mengen der deutschen Polizei jährlich hunderttausende Einsätze abfordert, die meisten solcher Verfahren dann aber eingestellt werden. Der Nutzen – über die Schikane der Konsumenten hinaus– ist also fraglich.

Die Gespräche brachten mich auf die Strategie, neben den Daten zu Drogendelikten aus der Polizeilichen Kriminalstatistik des BKA auch eine Übersicht über die sonstigen Daten zur Strafverfolgung beim Bundesamt für Statistik zu machen. Dort lässt sich etwa nachvollziehen, wie viele Fälle die Staatsanwaltschaften in welchem Bereich der Drogenkriminalität (schwere oder weniger schwere Taten) bearbeiteten und wie die Fälle ausgingen. Zum einen bestätigte sich damit die Annahme, dass die Polizei vor allem gegen Konsumenten vorgeht und dass enorm viele der Verfahren ohne Strafbefehl oder Anklage eingestellt werden. Zum anderen konnte ich mich über die Verfahrenszahlen den ungefähren Kostendimensionen annähern. So rechnete ich die Kosten für Verfahren der Staatsanwälte in Sachsen-Anhalt auf die Bundesebene hoch und kam auf etwa 90 bis 100 Millionen Euro pro Jahr.

Für die Polizeiausgaben orientierte ich mich schließlich doch an der Studie der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht. Die Wissenschaftler hatten eine Hochrechnung der Kosten gemacht, die mit Blick auf den Anteil der Drogendelikte an allen erfassten Delikten in etwa auf den Kampf gegen Rauschgift entfallen dürften. Über bei Eurostat verfügbare Daten zu den gesamten Staatsausgaben Deutschlands für die Polizei und die Zahlen der PKS machte ich eine aktualisierte Hochrechnung und kam auf etwa 770 Millionen Euro für Antidrogeneinsätze der Polizei im Jahr 2012. Dabei ist nicht berücksichtigt, dass einige Verfahren gegen Drogenkriminalität mit Telekommunikationsüberwachungen und Übersetzern weit mehr kosten dürften, als andere Ermittlungsverfahren.

Im Gesundheitsbereich hatte ich nach drei Monaten einen halbwegs vollständigen Überblick über die Bundesausgaben von 10,6 Millionen Euro und über Länderausgaben von 80 bis 90 Millionen Euro jährlich. Auf beiden Ebenen gingen die Ausgaben für den Suchtbereich zuletzt eher zurück. Um zumindest einen Eindruck von den kommunalen Ausgaben zu bekommen, orientierte ich mich nochmal an der alten Studie der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogenkonsum. Ich rechnete die kommunalen Mittel, die ambulante Suchthilfestellen in Deutschland laut Suchthilfestatistik durchschnittlich bekommen, hoch. Demnach geben Kommunen jährlich schätzungsweise 360 Millionen Euro an die Stellen weiter, die einen Großteil der Suchtberatung und Prävention in Deutschland übernehmen. Einen Gesamtüberblick über die Suchthilfe- und Präventionsausgaben, in den etwa auch Aktivitäten der Jugendämter oder Arbeitsämter einfließen, gibt es jedoch nicht. Das sehen auch die Autoren der Studie von 2010 kritisch: Tim Pfeiffer-Gerschel ist Leiter der Beobachtungsstelle für Drogen und Drogenkonsum sieht ein großes Problem darin, dass bis heute keine Kosten-Nutzen-Analyse der Drogenpolitik gemacht wurde. „Die Frage ist doch, in welche Bereiche wir das Geld sinnvoll investieren können?“, sagt er. Wenn etwa der Wirkungsgrad bei ambulanter Suchthilfe 80 Prozent und bei Repression nur 30 Prozent betrage, könne das ein Grund sein, die Politik anzupassen. Doch für eine solche Bewertung fehlten die Daten.

Das Fazit

Wegen dieses Problems entschied ich mich schließlich, mit einzelnen Geschichten zu arbeiten, auf die ich während meiner Recherche aufmerksam geworden war. Aus den gesammelten Daten und Medienberichten ließen sich einige Punkte herauslesen, an denen ich für die Vorortrecherche ansetzen konnte: Steigende Strafverfolgungszahlen und gleichzeitig absinkende Suchthilfegelder in Thüringen; drastische Mittelkürzungen in der Suchthilfe in einigen Regionen Schleswig-Holsteins; eine starke Zunahme der polizeilichen Aufgriffe von Crystal-Konsumenten in Bayern und seit Jahren steigende Drogentodeszahlen im Freistaat, auch durch neue Drogen; Sinkende Drogentodeszahlen in der langjährigen Drogenhauptstadt Frankfurt am Main, einige Veränderung beim Tabakkonsum, immer noch große Probleme beim Alkoholkonsum. Aus der Not heraus wurde aus meiner anfangs datenorientierten Recherche also eher eine Mischung aus Datensammeln und normaler Recherche. Aus den Besuchen vor Ort und aus Gesprächen mit Experten konnte ich schließlich doch das nötige Wissen und Erkenntnisse ziehen, um verschiedene Entwicklungen im Drogenbereich zu beleuchten und so ein größeres Bild zusammenzusetzen.