Beim WDR gibt es Streit. Die Chefin des Personalrats wirft der Spitze des Senders vor, die Verantwortung für fehlende Konsequenzen bei Fällen sexueller Belästigung zu tragen.
Beim WDR gibt es Streit über den Umgang mit sexueller Belästigung. CORRECTIV und das Magazin „stern“ hatten in dieser Woche Fälle von sexueller Belästigung durch einen Auslandskorrespondenten aufgedeckt. Für den Reporter gab es kaum Konsequenzen.
Die Chefin des Personalrats des Senders Christiane Seitz trat am Freitag aus dem sogenannten Interventionsteam zurück, an das sich Opfer von sexueller Belästigung wenden können.
Anlass für den Rücktritt von Seitz ist die Reaktion des WDR auf unsere Recherchen. „Die Verantwortung wird auf den Kopf gestellt“, schreibt Seitz in einer internen E-mail an WDR-Mitarbeiter. Seitz will außerdem nicht länger an internen Richtlinien gegen sexuelle Belästigung mitarbeiten.
Machtlos gegen die Hierarchien?
Gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger hatte eine Sprecherin des WDR gesagt, es sei Aufgabe des Interventionsteams, Vorwürfe von sexuellem Missbrauch zu prüfen und arbeitsrechtliche Konsequenzen vorzuschlagen. Diese würden dann von der Personalabteilung umgesetzt. Das erweckte offenbar den Anschein, die Spitze des Senders wolle die Verantwortung abwälzen.
Seitz schreibt, nicht der Personalrat, sondern die WDR-Führung sei dafür verantwortlich, dass Fälle von sexueller Belästigung nicht ausreichende Konsequenzen nach sich gezogen hätten. „Vorgesetzter des betreffenden Auslandskorrespondenten ist der Fernsehdirektor (Anm: Jörn Schönenborn), dessen Vorgesetzter ist der Intendant des Westdeutschen Rundfunks (Anm: Tom Buhrow).”
Seitz schreibt in ihrer Email weiter, dass der Personalrat gegenüber den Senderhierarchien machtlos gewesen sei. „Der Personalrat (...) hat immer wieder vergeblich gefordert, im absolut hierarchisch geprägtem WDR eine wirklich umfassende, strukturelle Kontrolle und Ahndung von Machtmissbrauch und Herabwürdigung gegenüber Schwächeren und Abhängigen zu gewährleisten.“ Derartige Vorschläge, so Seitz, „wurden teils ins Lächerliche gezogen, teils als überflüssig oder ‘zu aufwändig’ erklärt.“
CORRECTIV und „stern“ hatten über den Fall eines WDR-Korrespondenten berichtet, der mehrere Kolleginnen sexuell belästigte. Die Frauen meldeten die Vorfälle dem Sender, woraufhin Chefredakteurin Sonia Mikich eine interne Aufarbeitung einleitete. Obwohl der Korrespondent die Vorwürfe teilweise einräumte, gab es kaum ernsthafte Konsequenzen. Er ist weiter für den WDR auf Sendung. Ein Vermerk in seiner Personalakte und eine Ermahnung waren die einzigen Folgen, die die Führungsebene für angemessen hielt.
Die Personalrätin Seitz fordert mit ihrem Rücktritt aus dem Interventionsteam grundlegende Änderungen im Umgang mit den Menschen und eine neue Unternehmenskultur.
„Wir nehmen zur Kenntnis, dass die Personalratsvorsitzende ihre Mitarbeit im Interventionsteam eingestellt hat und können die Begründung nicht nachvollziehen,“ teilte eine Sprecherin des WDR mit. Auf die konkreten Vorwürfe ging sie nicht ein.
Die Email der Personalrätin:
Marta Orosz erreichen Sie per Email unter marta.orosz(at)correctiv.org.
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Tom
am 06.04.2018 19:23Danke, dass ihr hier recherchiert habt. Hoffentlich ändert sich darauf hin etwas beim WDR.
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Jonno
am 07.04.2018 09:37Das alles erinnert sehr an die Dinge, die vor ein paar Jahren bei der BBC aufgedeckt wurden, nämlich, dass es Strukturen gibt, die dazu beitragen, dass Fälle von Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe überhaupt möglich werden. Offensichtlich hat da eine mutige Frau versucht, diese Strukturen zu diskutieren und Veränderungen anzuregen, ist damit aber nicht durchgekommen, warum frage ich mich? Warum sind Tom Buhrow und Jörg Schönenborn nicht willens, den WDR so aufzubauen, dass er modern ist und dass Hierachien abgebaut werden, so dass Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe keine Chance mehr haben! Ich finde, dass Christiane Seitz da einen sehr mutigen Schritt gemacht hat, aber das Fass war wahrscheinlich schon randvoll, denn Sie hat ja offensichtlich versucht, etwas zum Positiven zu ändern und wurde dabei absolut nicht unterstützt, ja man hat sich sogar über Sie lustig gemacht und Sie nicht ernst genommen. Und dann sind es dieselben Leute, die dann meinen, dass die, die etwas verändern wollten, die Schuldigen sind und die Ihrer Führungsverantwortung offenbar nicht gerecht werden. Ich finde, es ist Zeit für eine Frau beim WDR, die den Sender leitet, die Leute, die jetzt den WDR leiten, haben bei mir die Glaubwürdigkeit verloren.
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jaja
am 09.04.2018 11:16schönenborn heißt jörg, nicht jörn
ich schreibs nur weil ihr ja correct!v heißt hrhr
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Mina Madani
am 18.04.2018 11:29Ich bewundere Frau Seiz. Es ist Zeit für Änderungen. Mehr Menschlichkeit, weniger Hierarchie und Machtmissbrauch. Ich bin selber Opfer und versuche meinen Fall zu veröffentlichen. Ich wurde gerne mit Frau Seiz kontaktieren.
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