Ján Kuciaks Ermordung und das Informationsfreiheitsgesetz
Der slowakische Journalist Ján Kuciak wurde wahrscheinlich wegen seiner Recherchen ermordet. Doch woher wussten die Mörder, worüber er recherchierte? Seine Kollegen vermuten jetzt, dass ihm eine Recherchemethode zum Verhängnis wurde, die auch in Deutschland viel genutzt wird: das Informationsfreiheitsgesetz.
Der slowakische Journalist Ján Kuciak und seine Partnerin Martina Kusnírová wurden am 26. Februar in ihrer Wohnung ermordet. Kuciak arbeitete unter anderem für das Investigativ-Portal OCCRP. Dort lastet man den slowakischen Behörden nun an, Kuciak in Gefahr gebracht zu haben.
Kuciak hatte nämlich zahlreiche Anfragen nach dem slowakischen Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gestellt. Das Gesetz sichert Bürgern und Journalisten das Recht zu, Dokumente von Behörden zu erhalten.
Kuciak stellte Anfragen über Beamte, Behörden und EU-Subventionen. Er wollte herausfinden, ob Agrar-Subventionen über die Slowakei in die Hände von italienischen Mafia-Clans gelangten. OCCRP wirft den Behörden jetzt vor, dass sie den Unternehmern über die Recherchen Bescheid gaben, im Rahmen seiner IFG-Anfragen.
Die Anfragen von Kuciak enthielten offenbar viele Informationen über seine Recherche. Und auch seine Adresse. So waren die Mörder möglicherweise genauestens informiert, was Kuciak wissen wollte. Und wo er wohnte.
Auch in Deutschland müssen Fragesteller oft ihre Adressen preisgeben. Und auch hier kann es passieren, dass Behörden die Identität von Fragestellern weitergeben, wenn sie Informationen über Dritte haben möchten. Sind etwa persönliche Daten oder Geschäftsgeheimnisse betroffen, haben Dritte ein Mitspracherecht. Somit sind die Objekte der Recherche zumindest gewarnt.
Nicht so bei Grundbüchern
Es geht auch anders. Bei Grundbüchern zu Beispiel. Brauchen Journalisten Informationen über Besitztümer, können sie sich Grundbücher ansehen. Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt: Grundbuchämter dürfen die Besitzer nicht aktiv darüber informieren, dass jemand ihr Grundbuch ansehen will. Um die Recherche nicht zu gefährden.
Schließlich sei die Presse darauf angewiesen, „mosaiksteinartig einzelne Teilinformationen in verschiedenen Feldern zusammenzutragen, und sie benötigt dafür Freiräume und Zeit“. Würde der „Adressat des Verdachts“ über die Recherche benachrichtigt, könnte dieser Adressat „zu Gegenmaßnahmen, insbesondere zur Vernichtung von Beweismitteln schreiten“. So steht es im Urteil.
Im Grundbuch wird allerdings dokumentiert, wenn Journalisten hineingeschaut haben. Doch die Besitzer haben kein Recht darauf, benachrichtigt zu werden.
Forderung nach neuen Regeln
Das Portal „Frag den Staat“ ermöglicht es Bürgern, Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu stellen. Es setzt sich schon lange dafür ein, dass IFG-Anträge anonym gestellt werden können.
Das Innenministerium des Bundes weigere sich jedoch seit sieben Jahren, Anfragen von „Frag den Staat“ zu beantworten. Manche Bundesländer haben außerdem das Recht, eine Identifikation zu fordern. Nun hat das Portal die Antragsformulare geändert. In einem Absatz steht, dass Daten der Fragesteller nicht weitergeben werden sollen.
Das Problem besteht europaweit. Zivilgesellschaftliche Organisationen, aus Spanien, Montenegro, Ungarn, Österreich und anderen Ländern haben heute ein Statement unterzeichnet, in dem sie eine Gesetzesinitiative auf EU-Ebene fordern. Auch in ihren Ländern geben Behörden regelmäßig die Daten von Journalisten an Dritte weiter. Und gefährden so Recherchen und Journalisten.