Der Prozess, Tag 38
Das Gericht entscheidet, den psychiatrischen Gutachter der Verteidigung doch noch zu hören. Neue Untersuchungen der beschlagnahmten Proben auf Wirkstoffgehalt wird es nicht geben.
Welchen Eindruck macht Peter Stadtmann?
Der Angeklagte berät sich heute viel mit seinen Anwälten. Sie gehen Schriftstücke durch und tuscheln miteinander.
Welchen Eindruck machen die Betroffenen?
Auf den Bänken der Nebenklage sitzen heute vier Betroffene. Sieben Zuschauer und fünf Journalisten beobachten den Prozess.
Die wichtigsten Ereignisse des Tages:
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Psychiatrischer Gutachter kommt. Das Gericht wird am 25. Juni den Psychiater Pedro Faustmann als Sachverständigen hören. Er hatte Stadtmann ein hirnorganisches Psychosyndrom und kognitive Einschränkungen attestiert. Das steht im Gegensatz zum Gutachten des Sachverständigen Boris Schiffer. Gleich zu Beginn weist das Gericht heute den Befangenheitsantrag gegen Schiffer zurück. Die Verteidigung hatte den psychologischen Gutachter abgelehnt, weil dieser Psychologe und kein Psychiater ist. Seinen Beruf habe Schiffer dem Angeklagten nicht klar gemacht. Die Fehleinschätzung des Angeklagten sei nicht die Schuld des Sachverständigen, entscheidet das Gericht. Schiffer, der Professor für forensische Psychiatrie ist, habe genug Sachkunde. Doch Faustmann, der Psychiater und Neurologe ist, soll auf Antrag der Verteidigung nun auch gehört werden. Nebenklage-Anwalt Schulz hatte sich dem Antrag angeschlossen, da er sich ein „revisionssicheres Urteil“ wünsche. Die Staatsanwaltschaft hingegen sieht das Gegenteil von Faustmanns Gutachten bereits als bewiesen an und lehnt es ab, ihn zu hören. Die Sachverständigen waren zu unterschiedlichen Schlüssen gekommen. Schiffer hält Stadtmann für voll schuldfähig und kritisiert einige Methoden in Faustmanns Gutachten. Ein Kritikpunkt war Faustmanns Einstufung von Stadtmanns IQ als unterdurchschnittlich. Faustmann hatte nach seinen Tests infrage gestellt, dass der Angeklagte seine Handlungen steuern könne. Schiffer hingegen hatte Stadtmann Simulationstendenzen unterstellt.
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Keine neue Probenuntersuchung, Zyto-Zweitmarkt bestätigt. Das Gericht weist 12 Anträge der Verteidigung von gestern zurück. Es wird keine Zeugen oder Sachverständigen hören und auch keine Schriftstücke verlesen. Zu den beschlagnahmten Proben wolle das Gericht keine neuen Sachverständigen. Man habe bereits Gutachten zum Wirkstoffgehalt in den Proben. Die Ergebnisse lägen vor, ungeachtet von Dokumentationsversäumnissen, sagt Richter Hidding. Einige Behauptungen aus den Anträgen werden allerdings als wahr angenommen. So zum Beispiel, dass ein Zweitmarkt für Zytostatika-Apotheker besteht. Über einen Mailverteiler sollen Apotheker Wirkstoffe untereinander verkauft haben. Die Verteidigung hatte dazu eine Zeugin vom Verband Zytostatika herstellender Apotheker hören wollen. Das Gericht glaubt auch, dass Stadtmann am Tag vor seiner Verhaftung eine Stunde bei seiner Ärztin war. Als Beweis bedürfe es aber keiner Zeugenbefragung, sagt das Gericht.
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Nebenklage fordert Unterlagen der Sachverständigen. Die Nebenklage beantragt erneut, alle Arbeitsunterlagen der Sachverständigen Schiffer und Faustmann zu sehen. Dies hatte Richter Hidding gestern abgelehnt. Nun drängt die Nebenklage auf einen Kammerbeschluss. Die Verteidigung verweist darauf, dass nur die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchungen vom Sachverständigen gefordert werden können. Richter Hidding, der gegen die Akteneinsicht war, weist die Verteidiger auf einen Widerspruch in ihrer Argumentation hin. Vom Landeszentrum für Gesundheit (LZG) und dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) habe die Verteidigung schließlich auch alle Einzelunterlagen gefordert.
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Richter setzt Deadline für Anträge. Durch die Befragung des Psychiaters Faustmann verzögert sich das Prozessende weiter. Richter Hidding setzt den Beteiligten eine Frist. Bis zum Verhandlungsbeginn am 27. Juni müssen alle Beweisanträge eingegangen sein. Dann soll bald die Beweisaufnahme geschlossen werden können. Ob nach Faustmann auch Schiffer erneut geladen wird, ist unklar. Der Richter hatte bereits anfragen lassen, doch Schiffer sei am Montag verhindert, teilt sein Büro mit. So ist keine direkte Auseinandersetzung der beiden Gutachter möglich. LZG und PEI konnten damals direkt mit Martina Kinzig über deren Vorwürfe diskutieren. Würde Schiffer erneut aussagen, würden die Plädoyers weiter nach hinten verschoben.
Ausblick auf den nächsten Verhandlungstag
Die restlichen Termine diese Woche hat Richter Hidding gestrichen. Weiter geht es am 25. Juni mit der Befragung von Pedro Faustmann. Es gibt außerdem vier neue Termine bis in den Juli hinein.
Die nächsten Verhandlungstage im Überblick (Beginn jeweils 09:30 Uhr): 25.06., 27.06., 28.06., 29.06., 03.07., 05.07. und 06.07.