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Alice Weidel und ihre rassistische Mail

Alice Weidel versucht sich gern moderat zu geben. Nun belegt eine vier Jahre alte E-Mail, dass sich die AfD-Frontfrau schon früher radikalisert haben könnte. Noch ist Weidels Urheberschaft nicht eindeutig geklärt. „Die in E-Mails verwendete Sprache ist anders als jene in Texten und Artikeln, bei denen man sich genau überlegt, was man schreibt“, sagte der Sozialwissenschaftler Andreas Kemper zu CORRECTIV. Eine erste Zwischenbilanz.

von Sarina Balkhausen , Carla Reveland

© Odd Andersen /AFP

Die Mail sorgte für Wirbel. Die „Welt am Sonntag“ veröffentlichte am Wochenende eine aufsehenerregende E-Mail mit rassistischen und verschwörungsideologischen Aussagen. Sie sollen von der AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel stammen. Doch die Urheberschaft ist umstritten. „Die in E-Mails verwendete Sprache ist anders als jene in Texten und Artikeln, bei denen man sich genau überlegt, was man schreibt“, sagte der Sozialwissenschaftler Andreas Kemper CORRECTIV. Kemper hatte in seinen Arbeiten zuletzt belegt, dass der Thüringer AfD-Frontmann Björn Höcke unter dem Pseudonym „Landolf Ladig“ in NPD-Publikationen rechtsextremes Gedankengut verbreitete.

In dem nun aufgetauchten Schreiben, welches Weidel im Februar 2013 an einen ehemaligen Vertrauten in einem Debattenzirkel in Frankfurt am Main gesendet haben soll, heißt es wörtlich: „Der Grund, warum wir von kulturfremden Voelkern wie Arabern, Sinti und Roma etc ueberschwemmt werden, ist die systematische Zerstoerung der buergerlichen Gesellschaft als moegliches Gegengewicht von Verfassungsfeinden, von denen wir regiert werden.“ Und damit nicht genug. Im weiteren Verlauf wird die Souveränität Deutschlands angezweifelt, und regierende Politiker werden als „Schweine“ und „Marionetten“ bezeichnet. Dies sind ungewöhnlich deutlich rassistische Aussagen und Verschwörungstheorien für die als Vertreterin des neoliberalen Wirtschaftsflügels geltende AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel.

Tweet mit der Originial E-Mail.png

Ein Tweet von Stern-Herausgeber Andreas Petzold mit der inkriminierten E-Mail.

Während die AfD Weidel als Verfasserin der brisanten E-Mail ausschließt, versichert die „Welt am Sonntag“, dass ihr eine eidesstattliche Versicherung des Empfängers vorliege. Belege dafür liefert die Zeitung jedoch nicht. Nur eine ist sich bei der unübersichtlichen Sachlage schon definitiv sicher, die frühere CDU-Bundestagsabgeordnete und heutige AfD-Wahlkämpferin Erika Steinbach.

Tweet Erika Steinbach zu Weidel.png

Erika Steinbach kennt die Richtung.

Auch AfD-Vize Alexander Gauland, der Weidels Aufstieg protegiert hatte und sich lange mühte mit Breitcord, Tweed-Sakko und Krawatte ein altkonservativ-bürgerliches Biedermaier-Image der nach rechts abdriftenden Post-Lucke-Partei zu retten, zweifelt die Echtheit der Aussagen an. „Diese E-Mail ist nicht ihre Sprache, passt garnicht zu ihr“. Es handele sich hierbei um eine „erbärmliche Kampagne“ gegen die AfD, um den Einzug der Partei in den Bundestag zu verhindern.

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So die Reaktion der AfD.

Im Netz verbreiten sich dazu konkrete Anschuldigungen. Das rechtsgesinnte Online-Medium „PI-News“ wittert beispielsweise einen „Verleumdungs-Tsunami“, der von FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner und seiner Ehefrau, Dagmar Rosenfeld, der stellvertretenden Chefredakteurin von „Welt/N24“, gestützt werde. Auch die AfD greift diese These mittlerweile auf. Die Journalistin hatte entsprechende Vorwürfe schon früh von sich gewiesen und auf ihre berufliche Autonomie verwiesen.

Technikexperten konnten am Montag nicht eindeutig die Herkunft der E-Mail klären. „Es ist technisch möglich, E-Mails zu verschicken und beliebige E-Mail-Adressen als Absender*in anzugeben“, teilte der Chaos Computer Club (CCC) mit. Auch Wissenschaftler mochten sich nicht eindeutig festlegen. „Das ist eine Sprache, die man von Alice Weidel in den letzten Jahren in dieser Form nicht gehört hat“, sagte der Sozialwissenschaftler Andreas Kemper. Nichts desto trotz „ist es nicht ausgeschlossen, dass Weidel diese Mail von sich gegeben hat. Was da gesagt worden ist in der E-Mail, ist normal für die AfD“. Viel schlimmer seien aber die faschistischen und NS-verherrlichenden Aussagen Höckes, sagt Kemper.

Kemper hatte zuletzt belegt, dass der offen rechtsextreme AfD-Politiker Björn Höcke hinter dem Pseudonym „Landolf Ladig“ steckt. Dies wurde auch in einem juristischen Gutachten der Bundes-AfD belegt. Ladig/Höcke hatten ihre Thesen in NPD-Publikationen veröffentlicht.

Kemper sagte zu Correctiv: „Ich sehe in Alice Weidel eine Neoliberale, die sich aus opportunistischen Gründen völkisch radikalisiert hat.“

Mehr lesen: Das vollständige Interview mit Andreas Kemper