Faktencheck

Warum in Berlin plötzlich 200.000 Ausländer mehr leben

„Jeder vierte Berliner ist ein Ausländer” titelt die Berliner Zeitung „B.Z.”. Woher kommen 200.000 ausländische Neu-Berliner in nur einem Jahr?

von Cristina Helberg

© johannesalberts / pixabay

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Das BAMF bestätigt, dass rund 200.000 in Berlin lebende Ausländer nachgemeldet wurden. Sie stammen vor allem aus der EU und leben zum Teil schon seit Jahren in der Hauptstadt. Ob jeder vierte Berliner Ausländer ist, bleibt laut Experten aber strittig.

888.555 – so viele Ausländer lebten laut Statistischem Bundesamt Ende 2017 in Berlin. Nur ein Jahr zuvor waren es noch deutlich weniger: nur 627.805. Die „B.Z.“ schreibt, die Ausländerbehörde Berlins habe „jahrelang Daten von rund 200.000 Neu-Berlinern nicht korrekt an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg weitergegeben“. Dabei soll es sich um Neu-Berliner aus EU-Nachbarländern handeln. In seinem Artikel beruft sich der „B.Z.“ Autor Sebastian Beug auf einen Bericht der Berliner Morgenpost.

Wie kommen 200.000 Ausländern mehr in die Statistik innerhalb nur eines Jahres?

CORRECTIV hat mit dem Ministerium für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gesprochen, es ist für das Ausländerzentralregister zuständig. Lioba Hebauer, Sprecherin des BAMF, erklärt, was hinter der Meldung steckt.

Sie sagt: „Der enorme Anstieg im Bundesland Berlin resultiert aus einer konzertierten Nachmeldeaktion der Ausländerbehörde Berlin im September 2017. Die nachgemeldeten Personen können sich bereits jahrelang in Deutschland aufgehalten haben.“

Von circa 600.000 aus Berlin nachgemeldeten Datensätzen seien über 200.000 zuvor nicht im Ausländerzentralregister erfasst gewesen. Die rund 200.000 zusätzlichen Ausländer sind also nicht zwingend zwischen 2016 und 2017 nach Berlin gezogen.

Die Nachmeldung habe das zuständige Berliner Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) so erklärt: „In der Datenbank der Ausländerbehörde Berlin hat eine Arbeitsgruppe eine erhebliche Anzahl von Fehlern festgestellt, beschrieben und analysiert. Hierbei handelt es sich u.a. darum, dass Angehörige eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, die sich nicht bei der Ausländerbehörde Berlin gemeldet haben (und auch nicht mussten), mangels aufenthaltsrechtlicher Bearbeitung auch nicht dem AZR gemeldet wurden.“ Kurz: Ausländer aus der EU waren bisher teilweise nicht im Ausländerzentralregister gemeldet. EU-Ausländer, die nach Deutschland ziehen, müssen sich aufgrund der EU-Freizügigkeit, genau wie Deutsche, nur beim Meldeamt registrieren.

In den nun korrigierten rund 200.000 zusätzlichen Personen sind laut der Sprecherin des BAMF auch „Drittstaatsangehörige und tatsächliche Neuzuzüge im September enthalten.“ Dabei seien die größten Gruppen Polen (55.375), Italiener (21.862) und Bulgaren (18.894).

Jeder Vierte?

Ob jedoch jeder vierte Berliner Ausländer ist, wie die „B.Z.“ in ihrer Überschrift verkündet, darüber sind sich selbst Experten nicht einig. Grund sind unterschiedliche Daten.

Denn neben dem Ausländerzentralregister gibt es auch noch die amtliche Bevölkerungsfortschreibung.

Martin Axnick vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg sagt, der Berliner Ausländeranteil von rund 25 Prozent ergebe sich, wenn man die Ausländerzahl aus dem Ausländerzentralregister mit der Bevölkerungszahl aus der Fortschreibung in Verhältnis zueinander setze. „Bleibt man innerhalb einer Methodik, also der der Bevölkerungsfortschreibung, ergibt sich für den aktuell vorliegenden Stichtag (30.06.2017) ein Ausländeranteil von 17,2 Prozent“, sagt Axnick. Ob wirklich jeder vierte Berliner Ausländer ist, bleibt demnach strittig.