Faktencheck

Hamburger Piraten-Prozess – Leben die Somalier mittlerweile von Hartz 4?

Laut einem Artikel von „Zukunft Europa" leben fünf Somalier, die ein deutsches Schiff überfallen hatten, inzwischen von Hartz 4. Hier die Hintergründe und Fakten.

von Caroline Schmüser

Die Somalier hatten im April 2010 das Hamburger Containerschiff „Taipan“ angegriffen. Sie wollten Lösegeld erpressen. (Symbolbild: Containerschiff im Hamburger Hafen.)© Unsplash / Axel Ahoi

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Fünf der zehn verurteilten Somalier leben heute mit einer Duldung in Deutschland und beziehen Asyl-Leistungen. Das Foto, das „Zukunft Europa” für seinen Beitrag verwendet, stammt aus einem Piraten-Prozess in Kenia.

Am 12. April 2018 veröffentlichte die Website „Zukunft Europa“ einen Beitrag mit folgender Schlagzeile: „Diese Somalier raubten ein deutsches Schiff aus – nun leben sie in Hamburg mit Hartz-4“. Darüber ein Bild, auf dem fünf Männern in blauen Gefängniskleidung zu sehen sind.

Fünf Piraten aus Somalia, welche „mit Waffengewalt und enormer Brutalität“ ein deutsches Schiff überfallen haben sollen, würden nun unbehelligt in Hamburg leben – und Hartz 4 erhalten. Herausgekommen sei dieser „Skandal“ durch eine Kleine Anfrage der AfD-Bürgerschaftsfraktion. Als Quelle nennt „Zukunft Europa“ einen Artikel der Welt.

Die Geschichte stimmt – Einzelheiten werden von „Zukunft Europa“ jedoch falsch dargestellt. So beziehen die Somalier kein Hartz 4, sondern Asylleistungen. Und das Bild, das laut „Zukunft Europa“ die Männer im Hamburger Prozess zeigen soll, wurde aus dem Kontext gerissen. CORRECTIV erklärt die Hintergründe.

Somalier überfielen Hamburger Containerschiff

Im Oktober 2012 hatte das Landgericht Hamburg zehn Somalier für einen Überfall auf das Hamburger Containerschiff „Taipan“ vor der afrikanischen Küste im Jahr 2010 verurteilt. Es wurden Haftstrafen zwischen sechs und sieben Jahren sowie Jugendstrafen von jeweils zwei Jahren verhängt. Der Gerichtsprozess war der erste Seeräuber-Prozess in Hamburg seit dem Mittelalter.

Die Somalier hatten im April 2010 die „Taipan“ mit Sturmgewehren, Pistolen und Panzerfäusten angegriffen. Man habe Lösegeld für die Freilassung der Besatzung und die Herausgabe des Schiffes erpressen wollen.

Die Taipan konnte von der niederländischen Fregatte „Tromp“ befreit werden. Die Angeklagten wurden daraufhin festgenommen und im Juni 2010 nach Deutschland ausgeliefert.

Nach Entlassung leben fünf Männer noch in Hamburg

Alle Verurteilten wurden mittlerweile aus der Haft entlassen. Fünf von ihnen leben noch immer in Hamburg. Vier weitere Somalier seien freiwillig nach Somalia ausgereist, einer hätte sich nach Schweden begeben. Das geht aus der Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der AfD-Bürgerschaftsfraktion hervor.

Alle fünf der in Hamburg lebenden Männer besäßen laut Senat eine „Duldung“. Eine Abschiebung sei derzeit jedoch nicht möglich. Gründe hierfür: fehlende Papiere, eine erschwerte Rückreise nach Somalia und schützenswerte Beziehungen zu bleibeberechtigten Familienmitgliedern.

Ex-Piraten beziehen Leistungen für Asylbewerber

Aufgrund ihres Aufenthaltsstatus beziehen die Männer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Anspruch auf Hartz 4, wie „Zukunft Europa“ schreibt, haben sie nicht.

Das Einwohner-Zentralamt Hamburg teilte CORRECTIV außerdem mit: „In allen Fällen wurde eine Verfügung zur Ausweisung erlassen.“ Eine davon wurde zwischenzeitlich durch einen gerichtlichen Vergleich wieder aufgehoben. In einem Fall steht ein Urteil noch aus. Zwei der Somalier hätten bereits Anträge auf eine Aufenthaltserlaubnis gestellt, die aktuell geprüft würden. Inwieweit eine Aufenthaltserlaubnis tatsächlich erteilt werden kann, hänge jedoch vom Einzelfall ab.

Foto zeigt nicht die in Hamburg Angeklagten

Das Foto, auf dem laut „Zukunft Europa“ einige der zehn in Hamburg verurteilten Somalier zeigen soll, wurde aus dem Kontext gerissen.

Das Foto zeigt laut „Reuters“ fünf von neun Somaliern, die 2013 in Kenia verurteilt wurden, nachdem sie versucht hatten, das deutsche Handelsschiff „MV Courier“ zu entführen.