Faktencheck

Coronavirus: Ja, in Mannheim wurden Flüchtlinge verlegt – dabei gab es aber Maßnahmen zum Infektionsschutz

Auf Facebook wird behauptet, in Mannheim habe eine große Gruppe Migranten bei einem Transport eng beieinander gestanden – den Corona-Maßnahmen zum Trotz. Es stimmt, dass dort Flüchtlinge verlegt wurden. Es gab laut Behörden aber Maßnahmen zum Infektionsschutz.

von Lea Weinmann

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Größtenteils richtig. Das Foto zeigt Flüchtlinge, die an diesem Tag verlegt wurden.

Eine Facebook-Nutzerin veröffentlicht in einem Beitrag vom 9. April ein Foto, das sie am Morgen des gleichen Tages in Mannheim aufgenommen haben will. Darauf sei angeblich eine große Gruppe Flüchtlinge zu sehen, die vor Reisebussen eng zusammen gestanden hätte, allen Corona-Maßnahmen zum Trotz, so suggeriert es der Beitrag.

Der originale Beitrag wurde zwischenzeitlich von dem Sozialen Netzwerk gelöscht, aber am 10. April als Screenshot auf anderen Seiten veröffentlicht (hier und hier). Zusammengenommen wurde der Beitrag damit bisher mehr als 10.000 Mal auf Facebook geteilt (Stand: 16. April).

Der originale Facebook-Beitrag wurde gelöscht, ein Screenshot davon verbreitet sich aber auf Facebook weiter. (Quelle: Facebook, Screenshot: CORRECTIV)

Tatsächlich zeigt das Foto eine Gruppe Asylsuchender, die an diesem Morgen aus einer Erstaufnahmeeinrichtung in Mannheim in verschiedene Stadt- und Landkreise verlegt wurde. Die zuständigen Behörden haben sich nach eigenen Angaben aber darum bemüht, die Auflagen zum Infektionsschutz bei der Busfahrt einzuhalten.

Tatsächlich wurden Flüchtlinge von der Industriestraße in Mannheim in andere Unterkünfte verlegt

Nach Recherchen von CORRECTIV wurde das Foto an der Industriestraße in Mannheim aufgenommen: Auf dem Foto ist das Logo eines Fliesenhändlers zu erkennen, dessen Geschäft sich an der Industriestraße befindet. Ein Vergleich mit der Straßenansicht in dem Online-Kartendienst Google-Street-View macht deutlich, dass das Foto dort aufgenommen wurde.

Ein Abgleich mit dem Online-Kartendienst Google-Street-View zeigt: Das Foto wurde an der Industriestraße in Mannheim aufgenommen. (Quelle: Google, Screenshot: CORRECTIV)

An der Industriestraße befindet sich eine Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende, die vom Regierungspräsidium Karlsruhe betrieben wird.

Auf Anfrage von CORRECTIV bestätigt das Regierungspräsidium, dass am 9. April früh morgens insgesamt 42 Personen aus der Erstaufnahmeeinrichtung in andere Stadt- und Landkreise verlegt wurden. Dafür habe man drei Kleinbusse und einen Reisebus eingesetzt.

Es ist also richtig, dass Asylsuchende in Mannheim weiterhin verlegt werden – auch während der Corona-Krise.

Es gibt laut Behörden viele Auflagen, um beim Transport für Infektionsschutz zu sorgen

Der Facebook-Beitrag erweckt jedoch den Eindruck, die zuständigen Behörden würden – im Gegensatz zum Umgang mit der sonstigen Bevölkerung – bei der Betreuung der Flüchtlinge nichts tun, um den nötigen Infektionsschutz sicherzustellen. Das ist irreführend.

Das Dienstleistungsunternehmen, das für die Betreuung der Flüchtlinge in der Einrichtung zuständig ist, hat nach Angaben des Regierungspräsidiums verschiedene Auflagen umgesetzt, um bei den Busfahrten für Infektionsschutz zu sorgen: So gebe es einen neuen, „großzügigeren“ Treffpunkt für die Abfahrt, sowie Absperrungen und Markierungen auf dem Boden, um die Abstandsregeln einzuhalten. Diese Maßnahmen würden von einem Sicherheitsdienst überwacht, den das Regierungspräsidium dafür eingesetzt hat, schreibt uns eine Sprecherin des Präsidiums per E-Mail.

Familien und Ehepaare hätten nahe beieinander gestanden

„Bedauerlicherweise kann dabei nicht vollständig verhindert oder ausgeschlossen werden, dass gemeinsam reisende Familien oder Ehepaare – insbesondere während sie auf ihre Abfahrt warten – nah beieinander stehen“, schreibt die Sprecherin weiter.

Das Regierungspräsidium Karlsruhe erklärt in einer E-Mail an CORRECTIV, wie Maßnahmen zum Infektionsschutz beim Transport von Asylsuchenden umgesetzt werden. (Screenshot: CORRECTIV)

Flüchtlinge werden in andere Unterkünfte verlegt, um Belegung zu „entzerren“, sagt die Behörde

Dass die 42 Asylsuchenden auf drei Kleinbusse und einen großen Reisebus verteilt wurden, hatte laut Regierungspräsidium ebenfalls den Grund, die Menschen innerhalb der Busse „möglichst weit auseinander“ setzen zu können.

Auch in den Erstaufnahmeeinrichtungen selbst seien die Behörden bemüht, die Belegung zu „entzerren“, um auch damit das Infektionsrisiko zu verringern, schreibt die Sprecherin. Deshalb würden Asylbewerber momentan „vermehrt“ aus den Einrichtungen des Landes in die Stadt- und Landkreise gebracht, „da die dortige Unterbringung stärker dezentral und damit kleinteiliger ist, sodass weniger Personen in einzelnen Unterkünften zusammenleben.“

Ein weiterer Auszug aus der E-Mail des Regierungspräsidiums Karlsruhe an CORRECTIV. (Screenshot: CORRECTIV)

Flüchtlinge als angebliche Übeltäter in der Corona-Krise werden vermehrt zum Narrativ in den Sozialen Netzwerken

In der Vergangenheit verbreiteten sich in den Sozialen Medien vermehrt Narrative über Flüchtlinge, die sich während der Corona-Krise nicht an die Kontaktbeschränkungen halten. Behauptet wurde auch, dass die mediale Aufmerksamkeit rund um die Pandemie dazu genutzt werde, Migranten heimlich einzuschleusen. Erst vor Kurzem hat CORRECTIV eine ähnliche Behauptung über eine Ankunft von Asylsuchenden in Görlitz widerlegt.

Korrektur (20. April): In einer früheren Version des Artikels stand, dass die Flüchtlinge nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel verteilt werden, der festlegt, wie viele Flüchtlinge ein Bundesland aufnehmen soll. Diese Verteilung war bei den Personen, um die es in dem Artikel geht, bereits abgeschlossen.