Falsche Behauptung über Patentanmeldung von Richard Rothschild im Umlauf
In den Sozialen Netzwerken heißt es, schon 2015 sei ein Patent für einen Covid-19-Test angemeldet worden, eingereicht von Richard Rothschild. Das ist falsch, das entsprechende Patent wurde im Mai 2020 angemeldet.
Im Register des europäischen Patentamts (Espacenet) befindet sich angeblich „ein Patent für den Covid-19-Test“, das Richard Rothschild bereits 2015 eingereicht habe. Diese Behauptung wird unter anderem von Bodo Schiffmann verbreitet, HNO-Arzt aus Sinsheim in Baden-Württemberg und Mitgründer der Corona-Protest-Partei „Widerstand 2020“ sowie Redner bei „Querdenken 711“.
Ein Video, in dem Schiffmann diese Behauptung verbreitet, wurde am 4. Oktober 2020 auf der Internetseite Politikstube veröffentlicht. In einigen Facebook–Beiträgen, die angebliche Screenshots des europäischen Patentamts oder das Video von Schiffmann teilten, wird dazu außerdem suggeriert, das Virus SARS-CoV-2 stamme aus einem Labor und die Pandemie sei geplant gewesen.
Das Video von Bodo Schiffmann und die Behauptungen auf Facebook wurden laut Angaben des Analysetools Crowdtangle sowie von Facebook insgesamt mehr als 1.100 Mal geteilt.
Unsere Recherchen ergaben: Ein Patent für die Testung von Covid-19 mithilfe biometrischer Daten wurde am 17. Mai 2020 von Richard Rothschild angemeldet, nicht im Jahr 2015. Rothschild meldete zwar auch damals ein Patent zum Thema biometrische Datenerfassung an, mit Covid-19 hatte dieses aber nichts zu tun.
Zu diesem Ergebnis kamen unter anderem auch die Faktenchecker der AFP und von Mimikama.
Bodo Schiffmann behauptet, Rothschild habe 2015 ein Patent zur Testung von Covid-19 angemeldet
Tatsächlich findet sich in der Datenbank des Europäischen Patentamts Espacenet – wie in dem Video von Bodo Schiffmann beschrieben (ab Minute 0:09) – der Eintrag „System und Methode zur Testung von Covid-19“. Daneben ist das Prioritätsdatum 13. Oktober 2015 angegeben.
Schiffmann zitiert in seinem Video eine Definition aus Wikipedia (0:39 Minute): „Das Prioritätsdatum ist im Patentrecht das früheste Stichdatum, zu dem eine Technologie als neu und erfinderisch zur Patentierung eingereicht wird.“ Doch bei dieser Aussage lässt Schiffmann wichtigen Kontext weg.
„Der Prioritätstag ist der Anmeldetag der allerersten Patentanmeldung, die für eine bestimmte Erfindung wirksam eingereicht wird“, heißt es auf der Website Espacenet. Das bedeutet: Melden mehrere Erfinder dieselbe Idee beim Patentamt an, bekommt derjenige den Zuschlag, dessen Prioritätsdatum am weitesten zurückliegt.
Der Veröffentlichungstag hingegen ist der Tag, an dem die Patentanmeldung erstmals veröffentlicht wurde. Prioritätstag und das Veröffentlichungsdatum können sich also unterscheiden.
Was Schiffmann nicht sagt, aber im Video zeigt: Das Veröffentlichungsdatum für das Patent ist der 3. September 2020. Eingereicht wurde es am 17. Mai 2020, also nach Beginn der Coronavirus-Pandemie.
Rothschild meldete mehrfach Patente zum Thema biometrische Daten an – um Covid-19 ging es aber erst 2020
Das Patent für den Covid-19-Test von 2020 baut demnach auf einem Patent von 2015 auf. Es ging dabei um die Übermittlung biometrischer Daten, Rothschild hatte dieses damals angemeldet. Gemäß des sogenannten „Prioritätsanspruchs“ ist er dazu berechtigt, Nachanmeldungen für diese Erfindung einzureichen. Das hat er laut Patentamt in den vergangenen Jahren auch mehrfach getan. Aber: „Keine davon bezieht sich auf Covid-19“, schrieb uns Rainer Oswalder, Sprecher des Europäischen Patentamts, per E-Mail.
Erst bei der von Rothschild im Jahr 2020 eingereichten Patentanmeldung geht es laut Oswalder um Covid-19. Konkret soll dabei anhand biometrischer Daten festgestellt werden können, ob jemand an einer SARS-CoV-2-Virusinfektion „leidet oder wahrscheinlich leidet“. Die einzelnen Schritte der Patentanmeldung lassen sich in der Akte auf Espacenet oder über Google Patents nachverfolgen.
Experten sprechen von Verschwörungstheorie und betonen, SARS-CoV-2 komme nicht aus einem Labor
In den Beiträgen wird auch behauptet, dass SARS-CoV-2 aus einem Labor stamme oder die Pandemie geplant gewesen sei. Solche Behauptungen haben wir bereits in mehreren Faktenchecks überprüft. Wissenschaftler widersprechen solchen Theorien, wie wir hier und hier berichtet haben.
So behauptete zum Beispiel der Virologe Luc Montagnier im Mai 2020, das Coronavirus sei in einem Labor hergestellt worden. Auch der ehemalige AfD-Politiker Wolfgang Gedeon äußerte ähnliche Spekulationen. Sie sind falsch. Das bestätigte uns auch der Virologe Friedemann Weber von der Universität Gießen am 20. Oktober 2020 per E-Mail. Seine Meinung dazu: „Ein Wissenschaftler, der gezielt ein besonders tückisches Virus kreieren will, hätte nicht vorhersehen können, dass diese neue Erbgutsequenz einen solchen Effekt hat.“ Das Virus habe mehrere „Tricks auf Lager“, die Wissenschaftlern vorher nicht bekannt gewesen seien.
Warum wird der Name Rothschild in den Beiträgen betont?
Die Bankiersfamilie Rothschild wird laut Medienberichten oft Gegenstand von Verschwörungsmythen, in denen über eine geheime Machtelite spekuliert wird. Solche Texte und Behauptungen nähren die antisemitische Vorstellung, dass eine jüdische Elite das weltweite Finanzwesen kontrolliere.
Antisemitische Verschwörungsmythen waren laut der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit „wesentlicher Bestandteil der Rassenpolitik der Nationalsozialisten, die in der Vernichtung der europäischen Juden endete“.
Belege dafür, dass die Pandemie geplant gewesen sei – von den Rothschilds oder von anderen Menschen – gibt es jedenfalls nicht. Dazu haben wir bereits mehrere Faktenchecks veröffentlicht, zum Beispiel darüber, dass das World Economic Forum die Corona-Pandemie geplant habe oder eine Netflix-Doku diese vorausgesagt hätte. In allen überprüften Fällen handelte es sich um Falschmeldungen.
Fazit: Das in den Sozialen Netzwerken genannte Patent stammt aus dem Frühjahr 2020, es wurde nach amerikanischem Patentrecht mit älteren Ansprüchen ergänzt. Darin war nie die Rede von Covid-19 oder Corona. Es gibt außerdem keine Belege dafür, dass die Pandemie geplant gewesen sei oder das Virus aus dem Labor stamme.
Redigaturen: Till Eckert, Bianca Hoffmann